Gorillaz - Humanz

Parlophone / Warner
VÖ: 28.04.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Am Pulz der Zeit

Sollte eigentlich keine Überraschung sein. Eine Band, die nur aus vier virtuellen Charakteren besteht, mit Damon Albarn und Jamie Hewlett gerade mal zwei Strippenzieher in der realen Welt besitzt und deshalb auf jedem Album mehr Gaststars als eigentliche Songs unterbringt, kann stilistisch wohl kaum in Stillstand verfallen. "Humanz", das lang ausgebrütete fünfte Album der Comic-Truppe Gorillaz, kappt dementsprechend konsequent erst einmal wieder die meisten Verbindungsstränge zu den Vorgängern. Kein introspektiver Touch wie auf "Demon days", die wundervoll eklektische Eskapisten-Fantasie "Plastic beach" ist passé und, nun ja, wenigstens wurde kein iPad als Hauptdarsteller mehr verpflichtet. "Humanz" hat eine klare Marschrichtung. So stark hat sich noch kein Gorillaz-Album am Zeitgeist der Black Music orientiert.

Demnach müssen die Karten neu gemischt werden. Rap und Soul waren schon immer integrale Bestandteile des Projekts, doch bisher stellten Musikstile für Albarns Konstrukte nicht mehr als einen großen Wühltisch zur freien Bedienung dar. Diesmal ist die Koppel zwar nach wie vor groß, aber plötzlich sind Zäune ringsherum sichtbar. Da passt es nur, dass sich auf der Gästeliste mehr entsprechende Genre-Vertreter denn je tummeln und den Blur-Kopf nur noch zur Randfigur auf den meisten Tracks machen. So unglaublich launig die Eröffnung "Ascension" gelungen ist: Am Ende klingt sie eher nach "Vince Staples feat. Damon Albarn" statt "Gorillaz feat. Vince Staples". Auch "Saturnz barz" ist ganz klar Popcaans Spielwiese. Das Phänomen erinnert stark an "And the anonymous Nobody" von De La Soul, bei welchem die Gäste oft das Ruder komplett übernahmen. Im Gegenzug für Albarns dortige Mitarbeit bedankt sich das Trio übrigens hier auf dem hektischen "Momentz".

Fehlende gute Songs sind sicher nicht das Problem von "Humanz". Die nachgewiesen unfassbar talentierte Kelela schippert das träumerische "Submission" schon ganz allein über die Wupper, doch der Track gewinnt noch durch den aufrüttelnden Part von Danny Brown. Auch der funky Chorus von "Strobelite" gehört zu den klaren Highlights, ebenso das tanzbare "She's my collar". Das kickende "We got the power", mit Savages-Frontfrau Jehnny Beth als Unterstützung, ist zum Ende der alleinige Ausreißer aus HipHop und Soul in Richtung bollernder Elektropop. Anderweitig lassen in der zweiten Hälfte ein paar Tracks den Feinschliff vermissen. "Sex murder party" düdelt im leeren Raum zu lange vor sich hin, "Hallelujah money" verschenkt Benjamin Clementine aufgrund einer demohaften Komposition, bei der nichts so recht zusammenpassen will. Er ist nicht der einzige, der hier in irgendeiner Weise zu kurz kommt: Das überdrehte "Charger" nervt nicht nur etwas, sondern hat sein "feat. Grace Jones" offenbar nur als Schmuck-Deko im Titel. Mehr als Minimalbeteiligung von der Legende gibt es jedenfalls nicht.

Trotzdem ist das Songmaterial im Schnitt sehr hochwertig. Wo "Humanz" stattdessen grandios scheitert, ist die Zusammenführung zu einem kohärenten Werk. Man wähnt sich eher auf einem Sampler denn auf einem von vorn bis hinten durchdachten Album – da helfen auch ein paar eingeschobene Interludes nicht. Und noch mehr als früher wackelt das ganze Konzept der virtuellen Band dahinter. Das hatte schon mit "Demon days" angefangen, wird mit dieser Ansammlung von Songs aber immer mehr ad absurdum geführt. Die Nachricht, dass sich Jamie Hewlett als Visualisierungs-Partner die Jahre zuvor lange gesträubt hatte, das Projekt weiter fortzusetzen, wirft somit ein ganz neues Licht auf die Sache. Es bleibt von "Humanz" am Ende ein dickes Fragezeichen übrig. Brauchte es diese Songs? Größtenteils ja, die Qualität ist es wert. Brauchte es aber diese Songs zusammen auf einem Gorillaz-Album? Hm.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ascension (feat. Vince Staples)
  • Strobelite (feat. Peven Everett)
  • Submission (feat. Danny Brown & Kelela)
  • Let me out (feat. Mavis Staples & Pusha T)
  • She's my collar (feat. Kali Uchis)

Tracklist

  1. Intro: I switched my robot off
  2. Ascension (feat. Vince Staples)
  3. Strobelite (feat. Peven Everett)
  4. Saturnz barz (feat. Popcaan)
  5. Momentz (feat. De La Soul)
  6. Interlude: The non-conformist oath
  7. Submission (feat. Danny Brown & Kelela)
  8. Charger (feat. Grace Jones)
  9. Interlude: Elevator going up
  10. Andromeda (feat. D.R.A.M.)
  11. Busted and blue
  12. Interlude: Talk radio
  13. Carnival (feat. Anthony Hamilton)
  14. Let me out (feat. Mavis Staples & Pusha T)
  15. Interlude: Penthouse
  16. Sex murder party (feat. Jamie Principle & Zebra Katz)
  17. She's my collar (feat. Kali Uchis)
  18. Interlude: The elephant
  19. Hallelujah money (feat. Benjamin Clementine)
  20. We got the power (feat. Jehnny Beth)
Gesamtspielzeit: 49:33 min

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MopedTobias (Marvin)

2017-11-21 00:20:45

Uff, hätte ich auch gerne gesehen :/

Felix H

2017-11-21 00:11:23

Hätte sicher stimmlich gepasst, war aber auch von der Visual-Seite her als Hommage an Womack aufbereitet, was ich sehr, sehr schön fand.

MopedTobias (Marvin)

2017-11-20 23:59:06

Ah, hatte an Everett gedacht, weil der ja auch den Womack-Part in Stylo übernommen hat.

Felix H

2017-11-20 10:31:31

Die erste Hälfte Albarn (hat Keyboard-Klavier gespielt), dann Bobby Womack vom Band.

MopedTobias (Marvin)

2017-11-20 10:20:35

Wer hat denn bei Cloud of Unknowing gesungen? Albarn? Oder Peven Everett?

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