Methyl Ethel - Everything is forgotten

4AD / Beggars / Indigo
VÖ: 03.03.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die erträgliche Jugendlichkeit des Beins

Da werde einer mal schlau aus der verdammten Jugend. Egal ob gestern, heute oder morgen, junge Leute sind doch immer nur auf Extreme aus. Eben gerade noch wurde irgendein triviales Ereignis mit vielen Herz-Emojis, Sternchen und großgeschriebenen Ausdrücken wie "YAS KWEEN!" kommentiert, da sorgt ein nur minimal anderes, aber ebenso triviales Ereignis für eine mittelschwere Katastrophe, von der es sich auch nach einer Woche unter der Bettdecke offenbar nur schwer erholen lässt. Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – das könnte wohl auch das Lebensmotto des australischen Trios Methyl Ethel sein. Deren neues Album "Everything is forgotten" ginge glatt als Soundtrack zum Erwachsenwerden durch: Hier die durch ausladenden Ausdruckstanz zelebrierte Freude, da der dicke Synthieknoten im Hals. Und wie auch so viele Heranwachsende wissen die drei Herren aus Perth mit ihrem zweiten Werk noch nicht so ganz, wer sie eigentlich sind. Oder sein wollen.

Immerhin: Als träge Couch-Potatoes kann man sie nun wirklich nicht bezeichnen. Schon der mit ordentlich Dschungelrhythmen aufgemotzte Opener "Drink wine" groovt sich glückselig beschwipst durch einen dichten Psychedelic-Pop-Klangteppich und mopst dabei sogar ganz frech ein bisschen bei den Landsmännern von Tame Impala. Aber wenigstens mit Charme. Auch das darauffolgende "Ubu" schwingt das Tanzbein, lässt den Kopf hektisch nicken und wieder schütteln, alles auf einmal, die Nacht ist jung, man selbst vielleicht nicht mehr unbedingt, aber wenigstens lassen Methyl Ethel den Hörer das stets denken. Freudestrahlend begrüßt "Femme maison / One man house" die ebenfalls feiernden Kumpels, springt aufmüpfig im Hopserlauf durch verregnete Straßen und versichert trotz Müdigkeit, dass das Leben nie wieder so toll wird wie jetzt. Und wenn sich der Mond langsam verzieht und das Licht des nächsten Tages dämmert, gibt es mit "Groundswell" auch die perfekte Untermalung für diesen melancholischen Zustand zwischen Dunkel und Hell.

Aber so gekonnt "Everything is forgotten" solche Hochs einfängt, so sprunghaft ist es auch in seiner Stimmung. Das am grenzwertigen Einsatz seines Falsettgesangs fast scheiternde "L'heure des sorcières" mag sich nicht recht entscheiden, ob es lieber Achtzigerjahre-Kitsch-Pop und moderner Electronica sein möchte und bleibt so leider nur eine Randerscheinung. Das nicht nur textlich nach einer eigenen Identität suchende "Summer moon" wirkt im Gesamtkontext hingegen bockig bis launisch und gewinnt als Spielverderber kaum Sympathiepunkte. Die größtenteils akustisch gehaltene Space-Ballade "Act of contrition" funktioniert da schon wesentlich besser, obgleich es vor allem die poppigen, tanzbaren Momente sind, die "Everything is forgotten" eben nicht so leicht vergessen lassen: Kurz vorm Finale gibt es mit "Weeds through the rind" gar eine kleine Perle, die sich auf der Tanzfläche irgendwo zwischen MGMT und Future Islands Raum verschafft. Und so ist man am Ende weder himmelhoch jauchzend noch zu Tode betrübt – sondern vielmehr gespannt auf das, was bei Methyl Ethel noch kommen mag, wenn sie sich erstmal gefunden haben.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Ubu
  • Groundswell
  • Weeds through the rind

Tracklist

  1. Drink wine
  2. Ubu
  3. No. 28
  4. Femme maison / One man house
  5. L'heure des sorcières
  6. Act of contrition
  7. Groundswell
  8. Hyakki Yako
  9. Summer moon
  10. Weeds through the rind
  11. Schlager
Gesamtspielzeit: 41:29 min

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Jennifer

2017-03-22 21:50:25- Newsbeitrag

Frisch rezensiert.

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