Pallbearer - Heartless

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 24.03.2017
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Milde Bleiche

Ein Mann, der Herrn K. lange nicht gesehen hatte, begrüßte ihn mit den Worten: "Sie haben sich gar nicht verändert." "Oh!", sagte Herr K. und erbleichte. (B. Brecht)

Haben Pallbearer sich verändert? Wenn ihr drittes Album "Heartless" zum ersten Mal durchgelaufen ist, schwebt Ungewissheit über die Antwort zu dieser Frage im Raum. Denn eigentlich ist noch alles Gewohnte ganz klar vorhanden: schwere Doom-Riffs, zwischen clean und growlend alternierende Vocals, die angenehm verschwommene Rhythmusfraktion, ein Gespür für Melodie – kurzum, die Teile, welche in ihrem Zusammenspiel das schwielende Debüt "Sorrow and extinction" und den ausladenden Nachfolger "Foundations of burden" zu solch wichtigen Alben machten. Was soll also schon schiefgehen bei dem Quartett? Und doch fühlt sich "Heartless" anders an, zwar kein revolutionärer Umsturz, aber eine tektonische Verschiebung des Sounds. Blitzte zuvor nur ab und an eine Epic-Metal-Seite der US-Amerikaner durch, begeben sich die Soli und Riffs neuerdings deutlich häufiger in jene Gefilde. An manchen Stellen denkt man wiederum ob der Theatralik gar, die Mannen von Dream Theater im Ohr zu haben.

Der eitle Sonnenschein ist auf "Heartless" zwar weiterhin abwesend, aber so tief wie zuvor steigen Pallbearer nicht in depresssive Gefilde ab. Was dazu führt, dass der Opener "I saw the end" und vor allem "Lie of survival" seltsam unbeteiligt durch ihre Spielzeit rauschen, obwohl die Band rein technisch ihre Hausaufgaben wie gewohnt sorgfältig erledigt hat. Es fehlt das Zupacken, etwas, das greift und Würze gibt. "Dancing in madness" macht es beispielsweise besser: Ebenfalls sanft, mit dem psychedelischen Gitarrenspiel fast schon idyllisch beginnend, schafft es eine fulminante Kehrtwende zur zähigen Doomigkeit, und Vokalist Brett Campbell liefert wohltuende Growls ab. So klappt es doch! Die Single "Thorns" ist ebenfalls auf deutlich rauerem Fundament gebaut, der Spannungsbogen hält sich. Äußerst befriedigend ist vor allem das ohne großes Aufhebens dazwischengeschredderte Solo. Solche Momente hätte man sich öfters auf "Heartless" gewünscht.

Stattdessen gibt es mit "Craven road" einen weiteren Ausflug in Richtung Epicness, welche sich nicht ganz mit dem vermischten Doom Metal vertragen mag. Erst das Ende des Songs macht mit eindringlichen, diabolisch verzerrten Vocals ordentlich Druck und Laune. Während schon der Titeltrack durchaus überzeugend die melodiöse Schiene fährt, erklimmt das zwölfminütige Abschlussepos "A plea for understanding" trotz einleitendem harten Riff den Gipfel der Poppigkeit auf dieser an sanfteren Momenten nicht armen Platte. Dieser Anteil ist möglicherweise der entscheidende Faktor, warum "Heartless" trotz nach wie vor großem technischen Können und mehr als solidem Songwriting nicht in der gleichen Liga spielt wie seine überwältigenden Vorgänger. Diese Platte will einfach nicht richtig greifbar sein, mehr eine Zwischenstation als ein Statement, nur noch bis zum Grundwasser anstatt zum Erdkern bohrend. Sicher haben Pallbearer mit ihrem Drittling kein Album ohne Herz gemacht. Ein bisschen bleich geworden sind sie allerdings leider.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Thorns
  • Dancing in madness

Tracklist

  1. I saw the end
  2. Thorns
  3. Lie of survival
  4. Dancing in madness
  5. Cruel road
  6. Heartless
  7. A plea for understanding
Gesamtspielzeit: 60:03 min

Im Forum kommentieren

pitchfork

2017-03-25 15:17:52

bei uns mit 6.0 auch durchgefallen

Doomkopf

2017-03-25 14:49:28

Schade, dass es dich nicht gepackt hält, Felix. Mich packt die Platte gleich beim ersten Hören. Genauso muss für mich eine Band klingen, die "schwere" Rockmusik macht.
8/10 mit Tendenz nach oben!

Felix H

2017-03-17 11:04:23

Alter, wie kann man einer Band wie Pallbearer zu viel epicness zur Last legen?

Ich lege ihnen das eigentlich nicht "zur Last", stelle nur fest, dass es mehr geworden ist.

Die "zähe Doomigkeit", die erwünschten "depressiven Gefilde" waren bei denen doch immer nur schmückendes Beiwerk zum ausladenden Songwriting. Klar wurde das jetzt deutlich zurückgeschraubt, aber irgendwie ists bei denen nie darauf angekommen.

Hm, hätte ich vor "Heartless" auch gesagt, aber wie gesagt, irgendwas fehlt für mich bei diesem Album in der Gleichung. Hab es gewollt und versucht, aber diesmal hat es mich einfach nicht gepackt. Dabei sind die beiden ersten Alben tatsächlich, äh ja, "Soundmonolithen". :-P

Auch Clown_im_op

2017-03-17 10:27:31

Alter, wie kann man einer Band wie Pallbearer zu viel epicness zur Last legen? Mit solchen Alben-Artworks? Bei der zweiten Hälfte von Heartless möchte man doch einfach nur die höchsten Berge erklimmen. Die "zähe Doomigkeit", die erwünschten "depressiven Gefilde" waren bei denen doch immer nur schmückendes Beiwerk zum ausladenden Songwriting. Klar wurde das jetzt deutlich zurückgeschraubt, aber irgendwie ists bei denen nie darauf angekommen. Die waren nie Conan oder Cough oder wie sie alle heißen, mit ihrer "tektonischen Plattenverschiebung", "Soundmonolithen", "Magma aus den Boxen"... Insert durchgekautes DOOM-Klischee here.
Vielleicht liegts auch daran, dass die jetzt seit dem ersten Album die für mich perfekte heavy Mucke machen, aber ich sehe in Heartless eine spannende Weiterentwicklung. Vielleicht wirds nicht mein Lieblingsalbum von ihnen, aber ein paar Sachen in der Rezi sind für mich doch nicht ganz nachvollziehbar :)

Felix H

2017-03-16 22:14:22

War mir auch schwer gefallen, zu formulieren, was mir da genau missfällt. Ich hatte echt lange Zeit, die Platte vor Schreiben der Rezension zu hören. Aber leider ging mir da viel zu wenig nahe, auch nicht nach X Durchgängen.
Gut möglich, vielleicht auch wahrscheinlich, dass das mein Pech und ein Einzelfall ist. Aber für mich ist es eine der größeren Enttäuschungen bisher dieses Jahr.

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