Tokio Hotel - Dream machine

Starwatch / Sony
VÖ: 03.03.2017
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Und endlich die Weiten

Mindestens mal den Vogel zeigen. Den Scheibenwischer machen. Oder sicherheitshalber gleich die Herren im weißen Kittel rufen. So würde wohl jemand im Jahr 2005 unterm Monsun-Airplay-Dauerfeuer reagieren, dem man erzählen würde, dass Tokio Hotel in den folgenden Jahren Konzerte für eine riesige Fanbase auf der ganzen Welt spielen würden. Dass selbst bei der altehrwürdigen Spex ihr drittes Album "Humanoid" in den Jahres-Top-10 landete. Und dass in gestandenen Musikforen die neueste Musik der Magdeburger ernsthaft auf ihre Qualität untersucht wird. Weit sind sie gekommen. Dank stetigem Willen, sich zu verändern, neu zu positionieren und dabei wenig Rücksicht auf die hochnäsig belächelnde Meute zu nehmen – und die in den letzten Jahren wieder kleiner werdenen Hallen. Was braucht es da noch? Richtig. Ein wirklich gutes Album. Ebenjenes hat das Quartett noch nicht aufgenommen. Vorab gesagt: Auch "Dream machine" ändert daran nichts. Und sorgt dennoch wieder streckenweise für Staunen.

Das Albumcover verrät es: Auf dem fünften Longplayer geht es thematisch ins All. Passend dazu blubbern allerorts spacige Effekte durch die Gegend, das auf "Kings of suburbia" liebgewonnene Autotune wird hier noch stärker eingesetzt und man bemerkt, dass die Texte ständig irgendwas von "sky", "high" und "fly" durch die Gegend werfen. Zumindest bis einem einfällt, dass die Beachtung der Lyrics auf Tokio-Hotel-Alben noch nie die allerbeste Idee war. Musikalisch gibt es ohnehin mehr zu entdecken. "Something new" eröffnet das Album immerhin mit Ambient-Wabern, bevor sich Bill Kaulitz ans Mikro bequemt. Zu schade, dass der Song in seinen fünf Minuten viel Tamtam um wenig Substanz macht. Besser ist da ganz klar die andere Vorabsingle "What if", als brummelnder Tanzflächenfüller nicht unwahrscheinlich als geistiger Nachfolger des tollen "Love who loves you back" vom Vorgänger angedacht.

Die größte Achillesferse von "Dream machine" ist dagegen die Produktion. Aggressiv höhenlastig, mit starkem Fokus auf den Vocals, strengt der Klang der Platte unglaublich an. Am deutlichsten wird es bei "Boy don't cry", wo ein eigentlich klares Highlight durch das penetrante Nach-vorne-Mischen der Stimme von Herrn Kaulitz an den Rand der Unhörbarkeit gedrängt wird. Und während noch im schön eingängigen "Easy" die dicht gewebten Synthieflächen angenehmen Schwindel erzeugen, wird der Bogen in der zweiten Hälfte mehrfach überspannt. Ob "Cotton candy sky" die Autotune-Kapriolen ins Unerträgliche zerrt, "Better" im Refrain die Soundspuren schier ohrenbetäubend auftürmt oder "As young as we are" seine Titelzeile bis zum Erbrechen wiederholt – Tokio Hotel fahren schlichtweg zu viel des Guten auf und verschenken ein großes Stück ihres vorhandenen Potenzials.

Umso ärgerlicher, da Stücke wie die träumerische Halbballade "Elysa" oder das zurückgenommene "Stop, babe" zeigen, dass die Kaulitz-Brüder – bei jedem Song hier in den Writing-Credits zu finden – seit ihren kayalgetränkten Anfängen durchaus gereift sind. Der chillwavige Synth-Pop von "Dream machine" ist jedenfalls ganz weit weg von "Durch den Monsun", und das findet die Truppe aller Wahrscheinlichkeit nach auch gut so. Logisch – die Liste der Bands, die ein ambivalentes Verhältnis zu ihren ersten Hits haben, ist so lang wie hochkarätig. Stand Album Nummer fünf ist "Dream machine" aber eben noch lange kein "Amnesiac". Dafür müssten Tokio Hotel ihre Stärken einfach besser ausspielen und sich einen fähigen Produzenten angeln. "Dann wird alles gut" – wussten sie immerhin schon 2005.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Easy
  • What if

Tracklist

  1. Something new
  2. Boy don't cry
  3. Easy
  4. What if
  5. Elysa
  6. Dream machine
  7. Cotton candy sky
  8. Better
  9. As young as we are
  10. Stop, babe
Gesamtspielzeit: 40:51 min

Im Forum kommentieren

Oceantoolhead

2020-10-09 15:49:57

Er singt 'All She wants is Sanzen', Referenz zum gleichnamigen Dredg Song - relatable.

The MACHINA of God

2020-10-09 15:21:35

Singt er wirklich "All she wants is tanzen" im zweiten Song?

Heidi

2019-02-03 19:15:33

GNTM startet jetzt wieder, somit hat er zeit ein album einzuspielen incl. foto fürs cover.

Album

2019-02-03 18:53:54

10/10

Also

2019-02-03 17:51:32

echt

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