Zeal & Ardor - Devil is fine

MVKA / Radicalis / Rough Trade
VÖ: 24.02.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Was zur Hölle?

Die Baumwollfasern sind mit Blut getränkt, als eine Gruppe ausgemergelter Sklaven mit rostigen Ketten an den Füßen aus tiefster Kehle ein Spiritual anstimmt – oder ist es vielleicht eher eine okkulte Beschwörung? Wer kommt denn bitte auf sowas? Black Metal und Sklavengesänge? Schaurige Feldaufnahmen dokumentieren dieses fiktive Szenario, welche Manuel Gagneux alias Zeal & Ardor kunstvoll in eine groteske Mischung aus Metal, Gospel, Blues und Spirituals einwebt. Im Netz ist sogar die Rubrik "satanic soul" zu finden. Dabei handelt es sich tatsächlich um mehr als die bloße Kopfgeburt eines extrovertierten Klangtüftlers.

Die Verbindung von schwarzen Sklavengesängen mit Black Metal ist gewagt, wobei Blastbeats und Kreisch-Vocals tatsächlich eher rar gesät sind. Vielmehr geht es um die grundlegende Stimmung: Einerseits Verdammung und Blasphemie – wie beim schaurigen Chant von "Blood in the river": "A good lord is a dark one / A good lord is the one that brings the fire" – andererseits auch um Emanzipation und Erlösung. Manche Metalheads werden auf "Devil is fine" zwar die angepriesene Härte vermissen, dafür überzeugt das Konzeptalbum durch Mix und Vielfalt. Und das nicht zu wenig: Auf das düstere Geschrammel von "In ashes" folgen – kein Witz – gechoppte Trap-Beats in "Sacrilegium I" und verstörendes Yann-Tiersen-Glockenspiel bei "Children's summon". Und das bei nur 25 Minuten Spieldauer.

Gagneux ist sich bewusst, dass er sich auf einem Minenfeld bewegt: Einerseits sind da die elitären Die-Hard-Schwarzkutten, die eine Verschmelzung solch fremder Genres nicht dulden wollen. Ganz zu schweigen, dass Black Metal auch immer wieder ein Zufluchtsort für Fanatiker von Rechtsaußen war. Andererseits sehen manche hier womöglich eine Form von kultureller Aneignung – oder gar forcierte Kreuzung zweier Welten? – die der Schweizer mit den afro-amerikanischen Wurzeln zusammenbringt.

Auf die Idee für die teuflische Kreation kam er in den Untiefen des Internets, genauer gesagt auf 4chan. Er stellte die Frage in den digitalen Raum, welche möglichst ungleichen Genres er kombinieren solle. Ein User brachte den provokativen Vorschlag, Black Metal mit "nigger music" (sic) zu mischen. Zeal & Ardor setzen genau das in die Tat um, allem Rassismus zum Trotz. Seine Begründung: "Ich finde es traurig, regressiv und isolationistisch zu sagen, dass Kultur nur einer spezifischen Ethnie oder Gruppe gehört." Und so tauchte Gagneux, geprägt vom eidgenössischen Black Metal von Celtic Frost oder Samael, in die historischen Instrumentalaufnahmen der Work Songs und Prison Chants ein, die in der amerikanischen Kongressbibliothek in Washington DC gesammelt wurden. Damals lebte er im New Yorker Stadtteil Harlem bei einem schwarzen Blues-Musiker. Was dieser wohl zur teuflischen Kreation seines Untermieters sagen würde?

(Felix Mildner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Devil is fine
  • In ashes
  • Children's summon
  • Blood in the river

Tracklist

  1. Devil is fine
  2. In ashes
  3. Sacrilegium I
  4. Come on down
  5. Children's summon
  6. Sacrilegium II
  7. Blood in the river
  8. What is a killer like you gonna do here
  9. Sacrilegium III
Gesamtspielzeit: 25:00 min

Im Forum kommentieren

Armands

2017-02-18 10:49:55

Finde die Studiosachen bisher insgesamt auch eher unspektakulär. Schließe mich meinem Vorredner an, was die Idee betrifft. Das Livezeugs bisher ist aber unglaublich stark.

Tom

2017-02-16 14:00:21

Die Idee dahinter ist gut, die Umsetzung überzeugt aber eigentlich nur im Song "the Devil is fine". Schon krass wie trotz dieser beschränkt gelungengen Umsetzung fast alle Medien drauf abfahren. Die Musikwelt lechzt wohl dermassen nach Neuerungen...

Armin

2017-02-15 21:17:51

Frisch rezensiert.

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