John Garcia - The coyote who spoke in tongues

Napalm / Universal
VÖ: 27.01.2017
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Der Schatten der Wüste

Überall gibt es heutzutage Coverversionen. Jeder, der seine Klampfe unfallfrei in die Webcam halten kann, verdingt sich auf YouTube & Co. an allen möglichen Arten von Songs. Dabei gibt es nur wenige perlenförmige Ausnahmen unter dem ganzen Mist, der meist mehr Schändung als Hommage ist. Möglich, dass darum die Motivation von Stoner-Rock-Koryphäe und Ex-Kyuss-Vokalist John Garcia für sein zweites Soloalbum "The coyote who spoke in tongues" war, den Dilettanten mal zu zeigen, wo der (Akustik-)Hammer eigentlich hängt. Denn mit einigen unverstärkten Liveshows in 2016 reifte die Idee für ein komplettes Album ohne elektrische Zuhilfe. Zunächst nicht die schlechteste Idee, Garcias angetrockneten Wüstenrock-Sound nach dem eher inspirationslosen Vorgänger "John Garcia" aus einem anderen Blickwinkel zu zeigen.

Der Opener "Kylie" stellt gleich zwei Sachen klar. Zum einen, dass Garcia nach wie vor ein Händchen für griffige Riffs und einprägsame Melodien hat, welches den Einstieg äußerst gelungen macht. Zum anderen, dass man ein Akustik-Album eben nicht so laut abmischen kann wie ein elektronisches. Wer auch immer im Studio den Mix-Regler auf 11 gedreht hat, darf sich nun die Verantwortung auf die Brust heften, dass die energischeren Passagen auf "The coyote who spoke in tongues" wie aus schlechtem Radioempfang aufgenommen klingen. Zudem wird es anderweitig auch dünn, was das Songwriting angeht: "Give me 250ML" versucht erfolglos eine Nashville-Schlagseite, in "The Hollingsworth session" oder "Court order" wird ein wenig ziellos ins Abseits gedudelt. Wenigstens "Argleben II" kann als Fortsetzung eines Songs vom Solo-Debüt noch überzeugen.

Neben den fünf Eigenkompositionen dürften vor allem die vier Versionen von Songs seiner ewigen Ex-Band Kyuss für Aufmerken sorgen, auf der Tracklist der physischen Version für ganz Doofe mit dem Zusatz "(Cover)" versehen. Die röhrenden Groove-Monster nackt ohne Verstärker – funktioniert das? Nunja. "Green machine" kommt mit Abstand am besten weg, wird zum Schleicher im amerikanischen Wüstensand und kommt angenehm spannungsgeladen daher. Bei "Space cadet" hingegen taucht wieder die Country-Anleihe auf und nimmt dem Song seine ganze wunderbare Psychedelik, so dass nur noch der nicht allzu abwechlungsreiche Kern bleibt. Nach dem gelungen instrumentalen Intro von "El rodeo" kommt Garcia gefährlich nahe an eingangs erwähnte Cover-Verbrechen heran. Am sinnlosesten ist jedoch die lahme Neufassung des eigentlich grandiosen "Gardenia". "Pouring motor", "burning fuel", "six hundred sixty-six miles per hour" – schön wär's. Stattdessen ödes Gezupfe, das man sich hätte schenken sollen.

Klar ist John Garcia eine Legende. Er hat der Inkarnation des Stoner Rock eine unverkennbare Stimme gegeben, den Sound der Neunziger mitgeprägt und User zu ihren Nicknames im Plattentests.de-Forum inspiriert. Aber um ehrlich zu sein, zehrt er nun seit gut zwei Jahrzehnten nur noch von der verbleibenden Strahlkraft der Kyuss-Diskografie – alle folgenden Projekte waren höchstens solide, aber bei weitem nicht so beständig. Das ist grundsätzlich nichts Schlimmes, viele alte Helden ruhen sich heute verdient im Schatten ihrer Heydays aus. Warum allerdings durch den Rückgriff "The coyote who spoke in tongues" dieser Umstand mit durchwachsenen Coverversionen noch einmal schmerzlich unterstrichen werden musste, weiß wohl nur Garcia selbst.

(Felix Heinecker)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Kylie
  • Green machine
  • Argleben II

Tracklist

  1. Kylie
  2. Green machine
  3. Give me 250ML
  4. The Hollingsworth session
  5. Space cadet
  6. Gardenia
  7. El rodeo
  8. Argleben II
  9. Court order
Gesamtspielzeit: 39:23 min

Im Forum kommentieren

RB

2017-03-16 17:09:55

Die Platte ist tatsächlich etwas lasch. Ich war gestern auf dem Konzert in München und muss sagen live macht das Ganze etwas mehr Sinn WENN man Kyuss kennt. Hier waren die Cover in der Mehrzahl auch z.B. Whitewater. Wenn man die Originale allerdings nicht kennt, fragt man sich, was für Musik das sein soll, stimmt schon. Die Stimme ist die selbe und es war druckvoll genug. Garcia plays Kyuss habe ich seinerzeit leider verpasst.

Wüstenfuchs

2017-02-07 11:36:13

Eine akustische Version von Gardenia? Das klingt wirklich etwas gewagt und absurd. Der Track lebte doch grade immer von seinem bretterndem Monsterriff. Muss ich aber trotzdem mal hören. :)

john doe

2017-02-03 00:32:26

Bei Garcias Solosachen habe ich immer reingehört, wurde aber nie gepackt. Da ist alles so im mittleren Wertungsbereich - hab mich meist nach 1-2 Hören auch in der Regel nicht mehr mit beschäftigt.

die frühere scheibe "coping with the urban coyote" ist doch ziemlich geil, da sind tolle sachen drauf. 8/10

bin gespannt auf die neue.

gringo

2017-02-02 22:40:36

ich finde das album auch in ordnung. nicht weltbewegendes, aber guter vibe. passt, mehr brauche ich nicht von ihm.

embele

2017-02-02 20:31:21

Was die Eigenständigkeit, Innovation und Kreativität angeht muss ich Dir (Felix) absolut recht geben. Ich mag seine Stimme jedoch sehr und finde, den Sound, den er jetzt macht garnicht schlecht. Hermano war mittelmässig...okay, aber Vista Chino gefiel mir schon wieder deutlich besser und das Soloalbum ist klasse...er macht halt das, was er früher auch schon gerne gemacht hat. Die fehlende Innovation bringt ihm halt auch den geringsten Erfolg aller anderen ein, aber was er macht, macht er meines Erachtens echt gut.

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