Allison Crutchfield - Tourist in this town

Merge / Cargo
VÖ: 27.01.2017
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Sister act

Katie und Allison sind Schwestern. Zwillingsschwestern, um genau zu sein. Sie sehen sich zum Verwechseln ähnlich und haben sich auch sehr früh für die gleichen Hobbys entschieden. An erster Stelle: Gitarrenmusik. Sie gründen gemeinsam mit ein paar College-Freunden eine Rock-Band, die sich auf smarte Tagebuch-Lyrics und angenehmes Rumpeln fokussiert, nennen diese P.S. Eliot und haben damit: keinen wirklichen Erfolg. Irgendwann ist dann auch mal gut mit dem Schwesternding, denken sie sich wohl, lösen die Band auf und backen nun jeweils ihre eigenen Muffins. Katie nennt sich fortan Waxahatchee und rumpelt angenehm weiter, fast sogar bis ins Rampenlicht. Und auch bei Allison kommt Schwung auf: Ihre Band Swearin' gilt kurz mal, für ein paar Monate irgendwann zwischen 2012 und 2013, als Ding der Stunde. Aber so richtig viele haben's am Ende halt doch wieder nicht mitbekommen und die Band verfällt zwei Jahre später zu Staub. Allison will es jetzt nämlich solo wissen. Im Gegensatz zu ihrer Schwester braucht sich dafür keinen fancy Künstlernamen indianischen Ursprungs, sondern vertraut voll und ganz auf die bürgerliche Kombination aus Nach- und Vornamen: Crutchfield, Allison. Here we go.

"Tourist in this town" soll es nun also richten, aber so ganz können die Crutchfields es eben nicht lassen, dieses Schwesternding: Für ihre jeweiligen Soloplatten greifen sie sich regelmäßig unter die Arme und pushen sich dabei gegenseitig. Vielleicht nicht zu Höchstleistungen, aber die sind ja ohnehin nur was für langweilige Streber. Nee, die beiden sind da schon eher auf Seiten der entspannten Chiller: Ihre Songs schmecken nach Frühling, klingen nach Aufbruch und der Art von ironischem Optimismus, die immer noch ein Hintertürchen offenlässt, für alle Eventualitäten. Im Vergleich zu den Solosachen ihrer Schwester setzt Allison jedenfalls deutlich intensiver auf den Gebrauch von Keyboardflächen und anderen elektronischen Sperenzchen, ihre Songs wirken dadurch verspielter, süßlicher, weniger halsbrecherisch. Verletzlich hingegen schon: Der Opener "Broad daylight" beginnt mit Mariah-Carey-Schwanengesang, nimmt dann aber doch eine ganz andere Ausfahrt, entwickelt sich zunächst zum funkelnden Electropop-Juwel, nur um kurz darauf, in der finalen Transformation, knackigen College-Rock für sich zu entdecken. Gibt es nicht häufig: ein Song mit mehr Entwicklungsstufen als ein Pokémon.

Mangelnde Fokussierung kann man Allison Crutchfield dennoch nicht vorwerfen, ein Großteil ihrer Songs ist durchaus geradlinig und braucht nicht mal drei Minuten, um Sehnsucht, Fernweh und andere, ähnlich gelagerte Gefühlszustände auszudrücken. Das knackige "The marriage" schafft es gar in handgestoppten 58 Sekunden vom Start bis zum Finish, rumpelt dabei aber nicht nur hastig vor sich hin, sondern überzeugt mit einer frischen Melodie und zünftig-zynischen Gedanken zur Vermählung. In den meisten ihrer neuen Kompositionen aber lässt Crutchfield flirrende und sirrende Synthies auf wummerndes Schlagzeug treffen, "Expatriate" wäre hierfür ein gelungenes Beispiel, aber auch in "Mile away" kommt es zum Vollkontakt: Selten klang Electropop gleichzeitig so handfest-geerdet und dabei doch locker flockig. Auch im abschließenden "Chopsticks on pots and pans" vertraut die US-Amerikanerin auf ihre hier so präsenten Trademarks: Ihre Stimme kiekst und überschlägt sich schier, während der Song vor sich hinrollt, in stoischer Gelassenheit, angetrieben von Drums, die aber auch nicht mehr wollen, als ein bisschen spielen. Das war schon immer die beste Grundlage für lässige Musik. Und die beherrschen letztlich beide Schwestern. Ganz ähnlich. Und doch irgendwie grundverschieden.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Broad daylight
  • Expatriate
  • The marriage

Tracklist

  1. Broad daylight
  2. I don't ever wanna leave California
  3. Charlie
  4. Dean's room
  5. Sightseeing
  6. Expatriate
  7. Mile away
  8. The marriage
  9. Secret lives and deaths
  10. Chopsticks on pots and pans
Gesamtspielzeit: 32:28 min

Im Forum kommentieren

Arbeiter

2017-01-29 12:32:33

Die Musik ihrer vorherigen Band fand ich im Gegensatz zur Musik ihrer Zwillingsschwester Katie, nicht so prickelnd.
Ins Album reinhören werde ich aber auf alle Fälle mal.

dogs on tape

2017-01-28 07:31:58

Das Swearin' Debüt ist für mich ein perfektes Album. The Marriage hätte dort auch gut rauf gepasst, aber auch der Rest überzeugt wieder.

Armin

2017-01-25 22:03:53

Frisch rezensiert.

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