Todd Anderson - Die Stille schreit nicht mehr
Midsummer / CargoVÖ: 02.12.2016
Trübseefischen
"Feierabend-Punks", wie Todd Anderson sich selbst salopp beschreiben, musizieren dann, wenn der Alltag zwischen Studium, Beruf und Familie das zulässt. Klar, mit Klängen, wie die Krawallbrüder aus Marburg sie fabrizieren, sind Plattenverträge für die Kuschelpop- und R'n'B-Charts sowieso weiter weg als der Mond. Und auch als Schrank-Act bei Circus Halligalli würde ein Brecher wie die Vorab-Single "Ausbruch" den akustisch auf aalglatt gepolten Zuschauer zu arg verstören. DIY ist das Modell. Der vielseitigen Punk- und Hardcore-Szene im Lande schadet das sicher nicht. Selbst bekanntere Freizeit-Punks wie Pascow oder Captain Planet, die mittlerweile auch große Clubs füllen und doch fast nur am Wochenende touren, machen alles selbst. Auch bei Todd Anderson fischt der Hardcore tief im Trüben, ist am Anschlag befindliches Alltags-Ventil statt Lebensmittelpunkt oder Geschäftsmodell.
Im Falle ihres mittlerweile dritten Albums "Die Stille schreit nicht mehr" brauchte erneut niemand den Wecker zu stellen: Alles kommt zu seiner Zeit. Doch wenn Alarm, dann richtig! Todd Anderson, benannt nach dem Anti-Helden aus dem Kultfilm "Der Club der toten Dichter" und mittlerweile auch schon ältere Recken in ihrem Genre, packen zu, selbst wenn sie ihren Songs mal Luft lassen. Wie beim sphärischen, Post-Rock-artigen Auftakt von "Elchtier". Dieser kurze Eindruck jedoch wird nicht nur hier alsbald von dröhnendem Bass und dunklen Gitarrenriffs eliminiert. Die Band lotet die Grenzen ihres bisherigen Schaffens nunmehr konsequenter aus, denn auch im stakkato-artigen, wütenden "Ausbruch" schielen die Arrangements mindestens mit einer fleddernden Gitarrensaite in Richtung Black Metal. Mit schnellen, polternden Stücken wie "Surfen" zimmert der Fünfer ähnlich wie schon auf dem Vorgänger "Zufluchtsort" im Jahre 2009 dem Hardcorepunk ein Denkmal, aber nicht ohne im charaktervollen "Nebelpfade" eine bestimmte Note Eigenurin zu hinterlassen.
Über die komplette Spielzeit jedoch ist Routine weitestgehend fehl am Platze, reißen kleine, vehemente Breaks und Riffings klaffende Lücken in die Kompositionen, gewinnen Stücke wie das zunächst polternde "Leuchtturm" hintenraus an Post-Punk-Feeling und damit auch unheimlich an Atmosphäre. Diese lodert auch im sechseinhalbminütigen "Daemmerstunde", das sich weit in Richtung Post-Rock und Ambient hervortraut. Trotz der zunächst anstrengenden, wuchtigen wie allgegenwärtigen Gitarrenwände offenbart "Die Stille schreit nicht mehr" mit jedem Durchgang mehr Seele jenseits des Lärms. Ab und an halten Todd Anderson dann inne, um alltägliche, gewohnheitsbedingt unausweichliche, mit Selbsthass garnierte Szenen wirken zu lassen – um sie dann mit der Abrissbirne einzureißen. "Alltagshetze wie von Sinnen / Alles lacht um mich herum." Nach dem Kosum dieses Brockens von Platte darf man sich sicher sein: nicht mehr lang.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Elchtier
- Nebelpfade
- Surfen
- Vermissen
Tracklist
- Elchtier
- Ausbruch
- Nebelpfade
- Surfen
- Daemmerstunde
- Leuchtturm
- Dinge
- Vermissen
- Stille
- Duenenland
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Autotomate
2016-12-12 09:28:08
@Ox 72:
Jo, danke für den genialen Tipp! Mir geht's allerdings im Wesentlichen um das Booklet mit den Texten. Was? Nein, ich möchte sie mir nicht ausdrucken ;)
@Olf:
Danach sieht's wohl aus, danke!
Olf
2016-12-12 09:03:23
@autotomate:
Das Album gibt es nur als LP+Dowload, oder eben digital.
LP sieht aber doch auch schöner aus und die Songs als Download dazu, dann passt es doch?!
Ox 72
2016-12-12 08:20:07
https://www.youtube.com/watch?v=n7b41nQDOKs
Kannst dir ja selber auf CD brennen ;-)
Autotomate
2016-12-11 22:59:31
Große Freude, von denen nach 7 Jahren mal wieder was Neues zu hören! Und schön auch, dass sie hier eine Woche lang als AdW von der Homepage leuchten. Frage mich nur, warum das Album nicht auf CD veröffentlicht wird. Oder weißt du gegenteiliges, Eric?
Armin
2016-12-11 22:26:40
Frisch rezensiert. "Album der Woche"!
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