Phillip Boa & The Voodooclub - Blank expression (Deluxe Edition)

Vertigo / Universal
VÖ: 16.09.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Alles frisch

"Wer jetzt denkt 'Was soll ich denn mit der neuen Best Of?' – der mag eben meinen Katalog an Songs nicht und der soll es sich dann eben nicht kaufen. Fair enough!" Man sieht: Phillip Boa hat durchaus realistische bis bescheidene Vorstellungen vom eigenen Schaffen. Oder aber kokettiert ein wenig mit diesem. Denn mal ehrlich: Wer Hits oder vielmehr Klassiker wie "Kill your ideals", "This is Michael" oder "Container love" nicht mag, der ist beim Dortmunder Grandseigneur der Indie-Musik ohnehin komplett falsch aufgehoben, weil er der quengelig-rhythmusbetonten Seite des Gitarren-Pop offenbar noch nie etwas abgewinnen konnte. Boa, der eigentlich Ernst Ulrich Figgen heißt und inzwischen seit über 30 Jahren praktisch pausenlos aktiv ist, macht sich nichts draus – und legt freudig nach. Nämlich die erwähnte neue Best Of. Und nicht nur die.

Zwar mögen auch Freunde des Voodooclubs vielleicht nicht ganz zu Unrecht argwöhnen, dass "Blank expression" nach "Fine art on silver", "Boa-85-98" und "Boa best singles" schon die vierte Veröffentlichung dieser Art ist. Man muss aber auch wissen, dass die Compilation schon gut zwei Jahre auf Halde lag, bis sich die frühere Major-Plattenfirma endlich erbarmte, sie auf den Markt zu bringen. Unter anderem in dieser Deluxe-Version, die sich gegen eine limitierte 10-Inch-Box mit exklusiven Live-Aufnahmen und handsignierten Original-Tagebüchern allerdings beinahe herkömmlich ausnimmt. Vorteil der Doppel-CD jedoch: Wo andere Bands als Dreingabe lediglich ein paar verstaubte Demos hinter dem Studio-Heizkörper hervorklauben, gibt es bei Boa auf dem zweiten Tonträger ein ausgewachsenes neues Album namens "Fresco".

Zuvor geht es jedoch in nicht-chronologischer Reihenfolge durch rund drei Jahrzehnte. Da hetzt das Titelstück des 2012er Longplayers "Loyalty" direkt nach dem voluminösen Stampfer "This is Michael" los, auf den von köstlichen Licks getragenen Shuffle "Fine art in silver" folgt mit "Twisted star" ein Vorbote zu den neuen Songs – eine Lehrstunde in dynamischem Dance-Uptempo, das sich von brodelndem Basslauf und Piano-Tupfern vorwärtstreiben lässt. Ebenso zu ihrem Recht kommen die bandtypischen, zweistimmigen Melancholie-Bolzen "And then she kissed her" und "Rome in the rain", die frühe Grobheit "Annie flies the lovebomber" oder die Shoegaze-Pracht von "Til the day we are both forgotten". Und auch die delirierende Metal-Persiflage "Albert is a headbanger" darf natürlich nicht fehlen.

Ist die Werkschau mit "Kiss my soul" dann beendet, kommt auch "Fresco" ordentlich vom Start weg – mit dem elektronisch rumpelnden "Death is a woman", wo sich Boa zu aufgerauter Gitarre nicht nur mit der fatalen Weiblichkeit, sondern auch mit einem Mückenschwarm herumärgern muss. Und die fidele Vielfalt dieses Albums macht schnell klar, dass es sich wirklich um ein solches handelt statt um eine mit verstohlenem Blick ins Digipak geschmuggelte Mogelpackung. "Kill your vacation" etwa gibt sich als vergleichsweise gesetzter, aber tadelloser Widerpart zu "Kill your ideals", das selbstvergessene "Sisters under the sea" taugt zur vollmundigen Südsee-Elegie, und der pointierte Dream-Pop von "Blackout" wird wohl The Cures "Just like Heaven" in der Anlage gehabt haben, bevor jemand den Stecker zog. Alles frisch, alles da.

Mit fortschreitender Karriere wird zudem deutlich, dass an Boa, einst Verweigerer jeglicher Massentauglichkeit, ein musikalisches Träumerle verlorengegangen ist. So könnte das knackige "Broke & Sons" auch den US-Twee-Hipstern Tullycraft auf "Lost in light rotation" eingefallen sein, und das finale Lärmbömbchen "Fake Burberry scarf" stünde in der Melodieführung The Pains Of Being Pure At Heart gut zu Gesicht. Dass es sich die Standardübungen "Wanna no no" und "Porno nails" etwas zu einfach machen, stört wenig – spätestens wenn "This pain" mit schluchzenden Streichern das Aspirin verweigert und "Le brigadier" sich zu brütender Mundharmonika unaufhörlich steigert, ist auch "Fresco" gerettet. Noch ein Blick auf den Zeitstrahl: Die nächste Best Of wäre zum 50. Bandjubiläum fällig – also in rund 18 Jahren. Doch wie wir Boa kennen, schafft er bis dahin noch drei weitere.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • This is Michael (remastered 2006)
  • Fine art in silver (remastered 2006)
  • Annie flies the lovebomber (remastered 2006)
  • Kill your ideals (remastered 2006)
  • Container love (remastered 2006)
  • Til the day we are both forgotten
  • Death is a woman
  • Twisted star
  • Blackout
  • Le brigadier

Tracklist

  • CD 1
    1. This is Michael (remastered 2006)
    2. Loyalty
    3. I dedicate my soul to you (remastered 2015)
    4. Fine art in silver (remastered 2006)
    5. Twisted star
    6. Love on sale
    7. Annie flies the lovebomber (remastered 2006)
    8. Standing blinded on the rooftops
    9. Albert is a headbanger (remastered 2006)
    10. Bells of sweetness
    11. Kill your ideals (remastered 2006)
    12. Deep in velvet (2016 studio)
    13. Diamonds fall
    14. Atlantic Claire
    15. Container love (remastered 2006)
    16. Rome in the rain
    17. Til the day we are both forgotten
    18. And then she kissed her
    19. Kiss my soul (alternative version)
  • CD 2
    1. Death is a woman
    2. Broke & Sons
    3. Against the sun
    4. Twisted star
    5. Wanna no no
    6. Sisters under the sea
    7. Blackout
    8. Porno nails
    9. This pain
    10. Kill your vacation
    11. Le brigadier
    12. Fake Burberry scarf
Gesamtspielzeit: 118:20 min

Im Forum kommentieren

2rand[0,1,1]

2017-01-06 09:15:23

tcJuO5 http://www.FyLitCl7Pf7ojQdDUOLQOuaxTXbj5iNG.com

Armin

2016-11-30 23:15:48

Frisch rezensiert.

Meinungen?

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Threads im Forum