
Darkthrone - Arctic thunder
Peaceville / EdelVÖ: 14.10.2016
Der schräge Vogel fängt den Wurm
Gylve Nagell ist ein komischer Kauz. Das ist erstmal nichts Neues, betrachtet man sein musikalisches Wirken – unter dem Künstlernamen Fenriz zählt Nagell zu den einflussreichsten Gestaltern des norwegischen Black Metal. Vor ein paar Wochen jedoch setzte der kultige Schlagzeuger und Bandchef von Darkthrone so richtig einen drauf, indem er sich plötzlich im Stadtrat seiner Heimatstadt Kolbotn wiederfand. Was halt so passiert, wenn man einem Kumpel einen Gefallen tun will und sich auf einen eigentlich aussichtlosen Listenplatz setzen lässt. Blöd nur, dass trotz Nagells ausdrücklicher, mit Katzenfotos garnierter Aufforderung, bitte nicht für ihn zu stimmen, ihn jede Menge Wähler in diesem öffentlichen Amt sehen wollten. Jegliche Angst, die Polit-Karriere des Black-Metal-Unikums könnte nun dessen musikalische Laufbahn negativ beeinflussen, dürfte sich allerdings bald in Luft auflösen.
Schon seit einigen Jahren nämlich bannen Fenriz und Bandkollege Nocturno Culto nach eigener Aussage nur Songs auf die Festplatte, nach denen ihnen momentan der Sinn steht. Und das muss nicht notwendigerweise Black Metal sein. Denn zunächst dominiert nicht etwa klirrende Raserei, wie es "Arctic thunder", der Titel des bereits 17. Studioalbums der Norweger, uns suggerieren will. Nein, der Opener "Tundra leech" schleicht zunächst doomig-zäh durch die Boxen wie besagter Egel durch die Eissteppe, begleitet von Nocturno Cultos rachitisch herausgegöbelten Vocals, die abseits des genretypischen Gekeifes mehr und mehr ihresgleichen suchen. Das folgende "Burial bliss" hingegen ist dermaßen primitiv, dass sich selbst der tumbste Waldschrat umgehend in seine Höhle verkriecht. Und womit? Mit Recht.
Denn natürlich ist das Duo viel zu intelligent, um einfach nur stumpf drauflos zu poltern. Die ach so gerühmten Genrekonventionen waren einmal, statt dessen darf "Boreal fiends" mit düsteren Klimpereien beginnen, während der Frontmann zeigt, dass er tatsächlich auch klagenden Klargesang beherrscht. Der Titeltrack wiederum ist eine derart feiste Thrash-Granate und retro as retro can, dass man sich glatt, sagen wir 20 bis 25 Jahre zurückversetzt fühlt. Damals, als die Haare noch lang und die Spandexhosen noch eng waren. Ähnlich unverfälscht rüpeln "Throw me through the marshes" und erst recht "Deep lake trespass" vor sich hin. Feingeister wenden sich schaudernd ab, Nostalgiker hören aus letzterem Geschepper eine Wahnsinns-Hook heraus, die es so bei den Bergenern tatsächlich eher selten zu hören gibt.
Auf eines kann man sich auch 30 Jahre nach der Bandgründung noch verlassen: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Klar, selbst für einen Hasser glattpolierter Produktionen, wie es Fenriz nun einmal ist, klingt "Arctic thunder" zwar ruppig, aber dadurch so gepflegt wie ein Wikinger nach fünf Jahren auf hoher See. Wobei das angesichts solcher unfassbar kultigen No-Fi-Platten wie "Under a funeral moon" in der Diskografie noch überaus edel ist. Jedoch viel entscheidender: Darkthrone kümmern sich nach wie vor einen Dreck darum, was Fans und Presse von ihnen verlangen. War der Vorgänger "The underground resistance" noch eine einzige Hommage an den frühen Thrash, geht "Arctic thunder" wieder einen Schritt in Richtung Black Metal. Nicht ganz der Black Metal von "Transilvanian hunger", wahrlich nicht. Aber die Art Black Metal, die selbst heutige Genre-Größen wie Borknagar nach fein ziselierten Hochglanz-Klängen aussehen lässt. Räudig, abartig und fies, ohne Umschweife auf die niederen Instinkte abzielend. Und daheim in Kolbotn streichelt Gylve Nagell sein Kätzchen und grinst sich eins. Wir auch.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Burial bliss
- Arctic thunder
- Deep lake trespass
Tracklist
- Tundra leech
- Burial bliss
- Boreal fiends
- Inbred vermin
- Arctic thunder
- Throw me through the marshes
- Deep lake trespass
- The Wyoming distance
Im Forum kommentieren
helvete22ähm03
2016-11-05 01:21:57
DARKTHRONE IST PERFEKTION IHR FLASCHEN
The New Traditionalist (schwarz und zufrieden)
2016-11-04 23:11:07
Ist mir VIEL zu krass! Höre lieber Emo wie Radiohead und Arcade Fire.
Sehbustyjan
2016-11-04 17:05:38
Räudiges Machwerk diesmal, allererste Sahne. 10/10
Armin
2016-11-02 20:54:45
Frisch rezensiert.
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