Taking Back Sunday - Tidal wave

Hopeless / Soulfood
VÖ: 16.09.2016
Unsere Bewertung: 5/10
5/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der fehlende Biss

Vor rund zehn Jahren wurde bei YouTube ein Video hochgeladen, das einen noch länger zurückliegenden Auftritt der damals aufstrebenden Taking Back Sunday beim US-Talkmaster Jimmy Kimmel zeigt. Trotz der grobkörnigen Bewegtbilder ragen auch noch heutzutage sämtliche Haare instant gen Himmel, wenn die Band mit so einer unbekümmerten Leidenschaft deutlich macht, was die damalige Emo-Welle in ihrer Blütezeit auszeichnete. Wenn dann auch noch gegen Ende die glücklichen Anwesenden die entscheidende Zeilen "Why can't I feel anything / From anyone other than you?" aus sämtlichen Kehlen pressen, kann der eigene Mund nicht mehr geschlossen werden. Genau das scheint auch Kimmel selbst zu fühlen, der unmittelbar nach dem Auftritt erst einmal nach Luft ringt und etwas unsicher auf die Band zusteuert.

Relativ schnell wurde danach jedoch deutlich, dass Taking Back Sunday nicht bereit sind, weiterhin diesen Weg zu beschreiten. Die Stimmung gestalteten die Amerikaner in der Folge weniger intim, aus stürmisch wurde gemächlich und man machte genügsamem Standard-Rock Platz. Immer wieder hofften alteingesessene Fans auf eine Rückbesinnung, darauf, dass die Band aus Long Island wieder ihre Longboards aus den Schränken kramt und ohne Rücksicht auf Verluste den Abhang herunterpest – doch dieser Wunschtraum bleibt auch weiterhin unerfüllt, denn der eingeschlagene Pfad wird auch auf ihrer siebten Platte "Tidal wave" fortgesetzt. Und das, obwohl die beiden Eröffnungstracks zunächst verdammt viel Hoffnung schnüren: "Death wolf" lässt den so lang vermissten Biss kurzzeitig aufblitzen und der Titelsong klingt ungewohnt schnörkellos punkig – ja, immerhin mal eine vollkommen neue Facette im Schaffen von Taking Back Sunday.

Nicht erst seit diesem Album besteht jedoch das große Manko darin, dass Adam Lazzara nahezu den kompletten Gesangspart übernimmt. Was entstand damals auf dem famosen "Tell all your friends" für eine kaum zu stoppende Dynamik, hervorgerufen durch den fast schon Dialog artigen Wechselgesang zwischen ihm und dem zwischenzeitlich ausgeschiedenen John Nolan, der, mit Ausnahme von "Holy water", größtenteils nur noch versteckt im Hintergrund hörbar ist. Das Wegfallen dieses Alleinstellungsmerkmals macht Taking Back Sunday eben beliebiger. Andererseits kann Lazzara diese zwanghafte Omnipräsenz auch kaum übel genommen werden: Wer den Sänger schon mal über die Bühne stolzieren sah, will niemals wieder eine andere Performance erleben. Dass aufgrund seiner artistischen Mikrofonkabel-Nutzung noch niemand zu Grabe getragen wurde, verwundert dagegen sehr.

Dieser Aspekt lässt sich nur leider nicht einmal ansatzweise konservieren, und das ist trotz erfreulicher Ansätze auch beim mittlerweile siebten Studioalbum der Fall. Denn erneut wiegen ein paar Totalausfälle schwer: "Fences" setzt auf Streicher, die leider furchtbar gekünstelt klingen, die Quotenballade "I felt it too" bringt keinerlei Gefühl rüber und wenn in "In the middle of it all" und dem Abschlusstrack kurzzeitig verzerrte Cher-Gedächtnis-Verzerrer genutzt werden, fällt man für den jeweiligen Moment endgültig vom Glauben ab. Diese Defizite nehmen leider etwas mehr Platz ein, als die erwähnten Lichtblicke – auch wenn sich gegen Ende das tolle "We don't go in there" durch seine perfekte Steigerung noch einmal als wahrer Glanzpunkt erweist. Solang Lazzara auch weiterhin darauf besteht, alleine das regierende Sprachorgan von Taking Back Sunday zu bleiben, wird sich an dieser generellen Zwiespältigkeit wohl auch bei den nächsten zehn Alben wenig ändern. Aber hoffentlich überzeugt er selbst dann noch durch seine Bühnenpräsenz.

(Christian Laude)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Death wolf
  • Tidal wave
  • We don't go in there

Tracklist

  1. Death wolf
  2. Tidal wave
  3. You can't look back
  4. Fences
  5. All excess
  6. I felt it too
  7. Call come running
  8. Holy water
  9. In the middle of it all
  10. We don't go in there
  11. Homecoming
  12. I'll find a way to make it what you want
Gesamtspielzeit: 47:56 min

Im Forum kommentieren

Petr

2017-06-06 17:05:27

gerade nach Monaten mal wieder hervorgekramt, das Album...
und was soll ich sagen, immer noch (oder wieder) verdammt stark...für mich die positive Überraschung 2016, offenbar sogar mit Langzeitwirkung!

boneless

2017-02-22 18:59:16

Gestern also im Lido.

Hm, ich will nicht sagen, dass ich enttäuscht bin, aber gerade die viel gelobte Bühnenpräsenz Lazzaras ist mir überhaupt nicht aufgefallen. Sicher tigerte er von hier nach da und war nicht untätig, aber besonders oder gar herausragend fand ich das nicht. Dann der Sound im Lido... ich frage mich immer wieder, wofür die Soundmenschen in solchen Schuppen eigentlich bezahlt werden. Klang war viel zu basslastig, gerade die Bassdrum hat am Anfang richtiggehend genervt, Gesang und Gitarren deutlich zu leise. Wurde mit zunehmender Spielzeit zum Glück etwas besser bzw. hatte man sich wohl einfach dran gewöhnt. Ansonsten kann ich mich nicht erinnern, wann zuletzt derart viele Fangirls die ersten Reihen bevölkert hätten. Mitgesungen wurde natürlich jeder Song und TBS können von Glück reden, dass sie so gute Songs haben, die auch die Jahre des Dauerplays nicht kaputt bekommen. Immerhin gab es 4 von der Tell all Your Friends, wovon besonders You know how i do und Cute without the 'e' sehr glücklich gemacht haben. Auch die Tidal Wave Sachen kamen sehr geil und Set Phasers to Stun sowie Makedamnsure gehen immer. Im Großen und Ganzen also doch eine halbwegs runde Angelegenheit, vllt. sind die nostalgischen Erwartungen an eine der prägenden Jugendbands dann doch immer zu hoch.
Merchpreise waren natürlich (wie leider so oft heute) unverschämt. 25 Euro für ein Shirt, 20 (!) für eine Cd und 50 für einen Zipper. Da winkt man schon von vorne herein ab. Die Tidal Wave LP hab ich mir dann doch gekauft. Zuerst erschienen mir dafür 30 Euro auch zu viel, aber die war immerhin signiert, Doppel Blue Splatter Vinyl und mit Poster. Geht in Ordnung.

Setlist:

Death Wolf
Liar (It Takes One to Know One)
You Can't Look Back
Timberwolves at New Jersey
What's It Feel Like to Be a Ghost?
A Decade Under the Influence
All Excess
Error: Operator
You're So Last Summer
Flicker, Fade
Call Come Running
Set Phasers to Stun
Stood a Chance
Better Homes and Gardens
Tidal Wave
You Know How I Do
Cute Without the 'E' (Cut from the Team)
MakeDamnSure

Lanzenbrecher...

2016-10-22 20:11:53

...nicht nur für's Album, sondern speziell auch für "Fences". Das sind immerhin noch Taking Back Sunday; dass da auch mal mit Streichern und Zuckerguss hantiert wird, dürfte eigentlich nicht überraschen. Leider fällt die Scheibe im zweiten Teil tatsächlich arg ab. Stimmt also schon, dass da noch jede Menge Luft nach oben ist/wäre. Trotzdem, "Fences" gehört zu den Hits der Platte.

Milo

2016-10-20 18:59:55

Death Wolf ist auch noch ein sehr guter Song.

bolek

2016-10-09 13:49:44

Ich kann die Rezi auch nicht ganz nachvollziehen. Ist mir zu negativ.
Die Platte hat mit "Tidal Wave", "You cant look back" und "We dont go in there" drei sehr gute Songs. Der Rest ist mäßig bis solide. 6/10 hätte es auch getan.

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