Joachim Witt - Thron
Ventil / Believe Digital / SoulfoodVÖ: 09.09.2016
König der Narren
"Es wäre doch schön, wenn Joachim Witt mal eine andere Wertung als die 1/10 erhielte." Dieser Gedanke spukte dem Rezensenten im Kopf herum, bevor er zum ersten Mal Witts neues Album "Thron" hörte. Wie der Vorgänger wurde "Thron" teils durch Crowdfunding finanziert. Es gibt also Menschen, die mit der Musik des Künstlers etwas anfangen können. Und ein Blick auf die Chartplatzierungen der letzten Werke des Hamburgers offenbart, dass der ergraute Herr mit der Grabesstimme zahlreiche Unterstützer besitzt. "So schlimm wie seine Wertungshistorie auf Plattentests.de kann er gar nicht sein." Noch so ein Gedanke. Eine leise Hoffnung.
Vorurteile und Generalverdächtigungen sind an der Tür abzugeben: Hartnäckigkeit und Stiltreue sind per se keine verurteilenswerten Eigenschaften. Auch die Tatsache, dass Witt sich zwischen die Stühle setzt und wohlwissend Befindlichkeiten auf das kleinste gemeinsame Einfache reduziert, macht ihn nicht gleich zu einem der größten Scharlatane der deutschsprachigen Musikszene. Vielmehr ist es jene einzigartige Kombination aus Kalkül, Ignoranz und Inkompetenz, die ihm diese Ehre zuteil werden lässt.
"Thron" liefert einige Musterbeispiele für diese These. Besonders "Rain from the past" ist ein Prunkstück aus dem Kabinett des Grauens. Auf die Idee, Mellotron-Streicher und Dur-Harmonien mit einem debilen Schunkelrhythmus und schicksalsergriffenen Lyrics zu verbinden, muss man erstmal kommen. Der mit weiblicher Unterstützung eingesungene englischsprachige Refrain setzt dieser akustischen Vogelscheuche endgültig die Narrenkrone auf. Das kann er, das darf er doch nicht ernst meinen. "Wer will es verstehen?", fragt Witt in die Runde. Am Wollen scheitert es wahrlich nicht, das Können ist das Problem.
Das Bild, das der Sänger von der Welt zeichnet, ist nicht nur eindimensional, sondern gefährlich stumpfsinnig. Durchhalteparolen ("Du gehst Deinen Weg", "Hör auf Dein Herz.") und purer Nonsens ("Den Säbel in der Hand, der Kopf will durch die Wand.") wechseln sich ab, während die Musik ziellos zwischen Neuer Deutscher Härte und Altem Deutschen Fernsehgarten umherschlingert. Selbst die gelungenste Komposition "So oder so" kommt nicht über den Status eines Rohrkrepierers hinaus. Das wahrscheinlich gesellschaftskritische "Alle nicken" markiert schließlich den Tiefpunkt, aber verrät dem Hörer immerhin, wie es geklungen hätte, wenn Frank Zander bei Rammstein eingestiegen wäre.
Tiefe und Ergriffenheit, die vorgegaukelt werden, sind nichts weiter als Schaumschlägerei. "Thron" ist nicht einmal Trash, denn dazu müsste es Spaß machen. Umso bitterer ist, dass der Mann früher sehr wohl dazu in der Lage war, faszinierende Klangkunst zu erschaffen. Man höre "Strenges Mädchen" und staune. Dass dem Sänger seine Vergangenheit egal sein dürfte, sei ihm gegönnt. Dass seine Fans zu ihm stehen und die bewusst missverstehenden Kritiker beschimpfen, ebenso. Was wäre, wenn Joachim Witt eine andere Wertung als die 1/10 erhielte, ist allerdings bis auf Weiteres vertagt. Bei aller Liebe zur Musik.
Highlights & Tracklist
Highlights
- -
Tracklist
- Einheit
- Geh Deinen Weg
- Rain from the past
- Tag für Tag
- So oder so
- Alle nicken
- Winterwald
- Wenn Du mich rufst
- Weit ist der Weg
- Lebe Dein Leben
- Thron
Im Forum kommentieren
Geri
2018-04-18 22:39:18
... nichts verstanden, fürchte ich... :-( Einfach mal erst umhören, dann zuhören, und auch du wirst verstehen, warum viele es gut finden, dass es noch Sänger gibt, die berichten.
Wurst
2017-12-25 14:03:49
Ihr seid echt süß ;-)
Christopher
2017-03-06 16:50:31
Und das zurecht.
Volker Mothes
2017-03-05 23:32:29
Wie schreibt ein anderer Kritiker:Wenn Katastrophen immer gutes hervorbringen könnten wie bei Witt`s Hausbrand.Eines der besten Alben seit Jahren. Ein Hintergrund ist eben auch: Wer sich nicht den allgemeinen flachen Niveau (politisch und musikalisch) in Deutschland anpassen will wird mit allen Mitteln niedergemacht.
Zappa
2016-12-29 05:31:36
ich versuche immer recht zeitnah zu posten
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