New Model Army - Winter
Attack Attack / Ear / EdelVÖ: 26.08.2016
We are old, we are young
Natürlich kann man hinterher immer davon reden, man hätte ja alles längst gewusst. Aber mal Hand aufs Herz: Hätte irgendjemand wirklich ernsthaft damit gerechnet, dass New Model Army auf ihre – mit Verlaub – alten Tagen noch einmal dermaßen durchstarten? Klar, um zu erkennen, dass "Between dog and wolf" eine unglaublich starke Platte war, dazu brauchte es 2013 wahrlich nicht viel mehr als zwei gesunde Ohren. Dass dieses Album in Deutschland zwar "nur" auf Platz 31 chartete, in dieser Hinsicht aber dennoch der größte Erfolg seit dem etwa 20 Jahre älteren "The love of hopeless causes" war und in der Heimat nur von den legendären Bandklassikern der Achtziger übertroffen wurde, das ist schon aller Ehren wert.
Frontmann Justin Sullivan lässt so etwas gemeinhin vollkommen kalt, ist es ihm doch schon in den Neunzigern gelungen, die kreative Entwicklung seiner Band von den Gesetzen des Marktes abzukoppeln. Und genau deshalb ist es nur vordergründig überraschend, dass der erste Song den vermeintlich sagenhaft kreativen Titel "Beginning" bekommt – und als dezente Ballade startet. Denn die Nordengländer waren schon immer doppelbödig, wollten immer zwischen den Zeilen verstanden werden. Folgerichtig steigert sich "Beginning" nach den ersten verdutzten Blicken. Und steigert sich. Und steigert sich. Bis das Riff immer hypnotischer wird und die Vokabel "Postrock" immer aufdringlicher wird. Was für ein großartiger Spannungsbogen, was für ein Auftakt.
Der kurz darauf direkt pulverisiert wird. Denn "Burn the castle" ist böse. Richtig böse. Zornig wie lange nicht knurrt Sullivan seine Vocals über peitschende Gitarren, die den Song unerbittlich vorantreiben. Wütender Hardrock aus Bradford? Gabs auch lange nicht. Damit man allerdings ja nicht weiß, woran man ist, werfen die Engländer umgehend den Anker und reduzieren das Tempo. Und lassen den Titeltrack mit wunderbaren Reminiszenzen an die großen Klassiker beginnen. Hier ein kleiner Gruß zum Dreißigjährigen von "51st state", dort eine dezente Erinnerung an "Higher wall", dazu eine dieser so typischen melancholischen Hooks – fertig ist das, was unter normalen Umständen ein veritabler Hit in einschlägigen Clubs geworden wäre. Wenn es denn diese einschlägigen Clubs noch gäbe.
Mal eine Frage am Rande: Wo ist eigentlich das hypnotische Schlagzeugspiel geblieben, die Tribal Drums, die "Between dog and wolf" diese einzigartige Atmosphäre verliehen? Nun, gänzlich verschwunden sind sie nicht, wie "Born feral" unter Beweis stellt. Aber ganz grundsätzlich wirkt "Winter" mit zunehmender Spieldauer luftiger als der Vorgänger, wird dadurch viel weniger introvertiert. Und genau das verleiht Songs wie dem vergleichsweise konventionellen "Eyes get used to the darkness" mehr Raum für Spannung, während "Born feral" dazu mit eben dieser dichten Stimmung konstrastieren kann. Auf Sicht mag "Winter" dadurch konservativer klingen, wenn man das im Kontext der Klassenkämpfer aus Bradford so sagen darf. Doch der kreative Ausbruch, die Ausnahme von der Regel mit "Between dog and wolf" tat not, war genau der Exkurs, den New Model Army offenbar brauchten, um mit "Winter" – man mag es kaum glauben – 36 Jahre nach der Bandgründung so frisch, aktuell und relevant klingen zu können wie schon lange nicht.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Burn the castle
- Winter
- Born feral
- Devil
Tracklist
- Beginning
- Burn the castle
- Winter
- Part the waters
- Eyes get used to the darkness
- Drifts
- Born feral
- Die trying
- Devil
- Stragoula
- Echo November
- Weak and strong
- After something
Im Forum kommentieren
Robert G. Blume
2019-08-13 11:00:34
Wie geil 'Devil' ist.
Blubblab
2016-10-24 22:15:22
Auch am 22. live gesehen, absolut beeindruckender, energievoller auftritt und gute songauswahl
MM13
2016-10-23 09:52:07
gestern live gesehen,relativ viel vom neuen album gespielt,immer noch eine der besten livebands.
MM13
2016-08-26 13:46:01
der erste eindruck ist sehr gut,erinnert stark an die alten nma,immer ein triebender beat vom bass oder schlagzeug im hintergrund.was gleich beim erstenmal hängen blieb war winter,born feral und eyes get used to the darkness,geht schon auf 8/10 zu.
BVBe
2016-08-18 12:24:36
Danke für die Rezi. Die liest sich zwar eher wie eine 8/10, aber das ist ja Pillepalle! Freut mich zu hören, dass die Tribal-Geschichte des Vorgängeralbums wieder etwas zurückgefahren wurde und das Ganze gut abrocken soll.
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