Throws - Throws

Full Time Hobby / Rough Trade
VÖ: 10.06.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Warum liegt hier Stroh?

Es waren sicher herzzerreißende Szenen. Da finden sich die beiden alten Freunde und Tunng-Gründer Mike Lindsay und Sam Genders nach Jahren in Lindsays neuer Heimat Reykjavik wieder. Sie gehen am Hafen spazieren, besaufen sich zünftig, erzählen von alten Zeiten, lachen über jene und landen am Ende im Aufnahmestudio. Lindsay hat sich zum zweiten Mal in den Falsett-Gesang des verlorenen Kumpels verliebt und dieser in Lindsays Spiel. Hätte am Hafen oder in der Bar noch Stroh herumgelegen, die beiden einstigen Arrangeure für Softporno-Untermalung wüssten genau, wo sie gelandet wären. Im unausweichlichen Plot einer Geschichte, die nur auf das eine abzielt. In diesem Fall auf Musik.

Natürlich musste ein neuer Name her. Und Throws klingt wie: Schmeiß weg, die vergangenen neun Jahre, als Genders die Londoner Folktronica-Truppe verließ und sich nicht mehr hat blicken lassen. Aber auch so, als hätte die beiden irgendetwas dorthin zurückversetzt, wo alles begann. Da ist zum Beispiel "Sun gun". Ein Song, der so sanft vor sich hin säuselt, als müssten die Gründerväter wiederentdecken, wie alles mit "Mother's daughter and other songs" begann. Throws sind allerdings weit mehr als ein Marketing-Kniff, mehr als nur alte Ware neu verpackt. Hat man bei den letzten Veröffentlichungen von Tunng noch stark daran gezweifelt, dass sich bei den Briten jemals noch etwas Neues tun würde, haben Lindsay und Genders sich nun eimerweise Bier und damit Mut eingeflößt, wie sie einstimmig erzählen. Das Gitarrenthema des Openers "The harbour" brennt sich in Rekordzeit in Herz und Hirn ein, sodass man gar nicht anders kann, als direkt darauf zuzuschiffen. Auch wenn jedes einzelne Element aus zurückhaltendem Synthie-Sound, Chorpassagen und versetzten Duetteinlagen keine Zweifel an der musikalischen Herkunft zulassen: Der Heimathafen hat sich gewandelt. Folkige Passagen ziehen sich deutlich zurück, ohne ganz zu verschwinden. Düstere elektronische Einlagen reflektieren Lindsays Zeit auf Island, in der er sich ein Netzwerk mit heimischen Musikern aufgebaut hat. Das Album gewinnt an Tiefe und Breite und wird damit zu einer Liebeserklärung an alle Buddys dieser Welt.

Einige davon hat Lindsay direkt an Bord geholt. Sigurlaug Gísladóttir von Múm, die ihre Sirenenstimme in "Bask" anschwellen lässt. Oder das Streicherquartett Amiina, das sich durch die Kooperation mit Sigur Rós längst einen Namen auf der Insel mit der immensen Musikerdichte gemacht hat. Es sind auch jene Momente, denen man die veränderten Bedingungen im Studio mit Meerblick anmerkt. Throws geben ihren Songs Zeit, sich zu entwickeln. Ein Glücksfall für "Bask" und "High pressure", die genau von jenem Spannungsbogen leben. Aber auch die verspielteren bis experimentellen Stücke wie "Punch drunk sober", "Learn something" und "Under the ice" haben gelernt, vor dem Ausbruch durchzuatmen. Man hat sich gesucht und gefunden, verziehen und vergessen. Menschlichkeiten eben, die es sich in beinahe jedem Song zu besingen lohnt: "And we hurt each other / And we hurt ourselves / And we try to be someone that's special / Like you're not good enough for me / But I want you, just as you are." Auch die Zeilen aus "The harbour" könnten einem Schmuddelfilmchen entsprungen sein. Oder eben jenen Begegnungen, die einen am Zufall zweifeln lassen. Wie im Drehbuch, nur ohne Stroh.

(Bastian Sünkel)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • The harbour
  • High pressure
  • Bask

Tracklist

  1. The harbour
  2. Punch drunk sober
  3. Silence in between
  4. High pressure
  5. Knife
  6. Sun gun
  7. Bask
  8. Play the part
  9. Learn something
  10. Under the ice
Gesamtspielzeit: 42:24 min

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Armin

2016-06-15 21:52:37

Frisch rezensiert.

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