Julianna Barwick - Will

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 06.05.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Herzkammermusik

Manchmal gibt es Alben, bei denen man nur den richtigen Moment abwarten muss, ohne zu wissen, wann oder wo oder wie er eintritt. Aber wenn es schließlich passiert, trifft er ganz tief. Julianna Barwick ist eine Spezialistin für diese Momente, denn die Wahl-New-Yorkerin macht keine Musik für zwischendurch. Auf ihre eiskalte Klangkunst muss man sich einlassen, um sie wirklich aufnehmen zu können. Ihre Mischung aus Ambient, sanfter Electronica und Folk hört sich sich so hauchzart an, dass man sich kaum tief Luft zu holen traut. Könnte man Barwicks Musik anfassen, würde man genau das wohl niemals tun – aus bloßer Angst, sie zu verletzen. Oder gar zu zerstören.

Auch ihr drittes Album "Will" macht da keine Ausnahme. Auf fast 40 Minuten verteilen sich die neun Songs, jeder für sich eine kleine Entdeckung, aber erst im Ganzen wirklich vollständig. Man mag "Will" kaum mit seiner Außenwelt teilen, sondern sich damit lieber in eine stille Ecke zurückziehen. Dann fällt auch niemandem auf, wie sehr Barwick ans Herz geht: Wenn die Entrücktheit des so gänzlich unperfekten Pianos in "Beached" sowohl zeigt, dass auch im Makel eine gewisse Schönheit liegt, als auch, dass es auf Fehlerlosigkeit ohnehin nicht ankommt, ist das wie vertonter Trost. Oder wenn sich die Soundschichten in "Heading home" Stück für Stück aufbauen und Klavier und Cello den eigentlichen Gesang in den Hintergrund verfrachten, hat das schon einen Hauch von Filmmusik – auch wenn diese Leinwand einfarbig bleibt.

Ob tiefschwarz wie die Nacht oder weiß wie das Ende des Tunnels, überlässt Barwick dem Hörer größtenteils selbst. Nur ab und zu schimmert ihre eigene Stimmung durch. Der idyllische Opener "St. Apolonia" schürt Hoffnung, mit sanftem Wellengang und einer erfrischenden Brise, während "Big hollow" der melancholische Nachruf auf etwas längst Vergangenes, Verlorenes, Vergessenes zu sein scheint. Das elektrifizierte "Same", in welchem Gastsänger Mas Ysa alias Thomas Arsenault zu hören ist, wankt hingegen zwischen Gut und Böse und lässt kein noch so kleines Schlupfloch im dichten Synthie-Teppich. Am Ende sorgt Barwick dann wahnwitzigerweise für den Moment im Moment: Da hat man sich auf die Zartheit von "Will" längst eingelassen, und plötzlich loopt sich "See, know" als halber Dancetrack ins Ohr, was nicht zuletzt am exzellenten Schlagzeugspiel von Jamie Ingalls (Chairlift) liegt. Das ist nichts für zwischendurch, fürs Herz aber allemal. Wenn man es zulässt.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • St. Apolonia
  • Beached
  • See, know

Tracklist

  1. St. Apolonia
  2. Nebula
  3. Beached
  4. Same
  5. Wist
  6. Big hollow
  7. Heading home
  8. Someway
  9. See, know
Gesamtspielzeit: 38:38 min

Im Forum kommentieren

yes

2016-08-27 03:42:09

I'm a huge fan of her work. Amazing.

Randwer

2016-06-13 20:43:39

Ein sehr gutes Werk, das ich auf eine Stufe mit Nepenthe setzen würde.

Armin

2016-06-08 21:51:43

Frisch rezensiert.

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