Mine - Das Ziel ist im Weg
Pennywine / SoulfoodVÖ: 15.04.2016
Keine Kühlschrankpoesie
Aus einem ordentlich geführten WG-Haushalt sind sie nicht wegzudenken, als Band-Merchandise konnten sie sich dagegen nie so recht durchsetzen. Auch nicht dann, als die glorreiche Idee entstand, ihre Rückseite mit einem Flaschenöffner zur Doppelfunktion zu erheben. Sollte Mine nun allerdings Kühlschrankmagneten nach ihren Shows anbieten, könnte der große Durchbruch als Konzertmitbringsel doch noch bevorstehen. Schließlich hat das zweite Album der Wahl-Mainzerin Jasmin Stocker seinen Titel einem solchen zu verdanken.
Mines Texte auf "Das Ziel ist im Weg" sind indessen weit von spröder Kühlschrankpoesie und auch Alltäglichkeit entfernt. Viel mehr finden sie eine eigene, universelle und bildhafte Sprache mit einem überwiegend feinem Gespür für den Klang der Einzelwörter. Da ist es nur gut und recht, dass ihre kraftvolle Stimme wie schon auf "Mine" genug Raum bekommt, auch um eine ausdrückliche Nähe zu erzeugen, die den autobiografisch geprägten Stücken gut zu Gesicht steht. Das Entwachsen der jugendlichen Unbeschwertheit und die damit verbundene Selbstfindung sind dabei Hauptthemen des Albums. Das beginnt im atmosphärisch dichten "Anker", in dem die das Holzschiff umgebenden Wellen bleischwer voranzukriechen scheinen und der Besatzung einen Kraftakt zum Fortkommen abtrotzen. Mines Metapher für den Verlust der kindlichen Unerschrockenheit und Naivität mit dem Erwachsenwerden: "Ich bleibe junges Kind, damit ich weiß: / Wir sind unsinkbar, Kapitän." Es endet im Titelstück an immer neuen und schneller auf einen zukommenden Lebensaufgaben, an deren Mauern man sich abarbeitet: "Jetzt ist meine Haut grün-blau-violett / Ich bin so oft dagegen gelaufen, ich habe mich verletzt."
Die stärksten Stücke des Albums stehen aber bereits am Anfang. "Essig auf Zucker" wird durch ein Haftbefehl-Sample eingeläutet, das prominent das folgende Heckmeck ankündigt, bevor der staubtrockene Schlagzeubeat einsetzt und schlussendlich alles mit Säure benetzt ist. Im zugehörigen Video setzt Mine schlau Gebärden ein, die dabei nicht nur Sprache, sondern simultan ästhetische Bewegungen zu ihrem nuancierten Sprechgesang sind. Das spannungsgeladene "Katzen" entlädt sich final in einem Gitarrenpart, dessen Drama auf "Das Ziel ist im Weg" unübertroffen ist und ohne Maß und Ende zu sein scheint. Was hier sehr gut funktioniert, geht in anderen Stücken leider nicht immer auf. So verlieren der Drum'n'Bass-Teil am Ende von "Findelkind" und auch die aufgeputschten Synthieschichten in "Der fliehende Robert" ihre Verbindung zu Text und dem jeweiligen Rest der Stücke. Die Parts wirken ein wenig angehängt und die Lieder dadurch entzweit. Dabei brummt der Synthiebass in ersterem zunächst so schön, als hätte sich eine Stubenfliege in die Boxen verirrt, und die Idee einer Neuauslegung des "fliegenden Robert" aus dem Struwwelpeter ist bis dahin ebenfalls mehr als gelungen.
Im Abschlusstrack sucht Mine dann nicht nur mit Fatoni nach dem roten Faden, sondern auch der Schlager-Schweizer Dagobert hat für den Refrain detailgenau noch fünf Worte in sein Smartphone gesungen. Überhaupt ist der Einsatz von Chören ein wiederkehrendes Mittel auf Mines zweitem Album, die wie die personelle Besetzung des Schlussstückes ein weiterer Beweis für ihr Feingefühl beim Aufstöbern genreübergreifender Soundideen aus HipHop, Electronica und Popmusik sind. Neben den Texten ist "Das Ziel ist im Weg" auch gerade dieser Ideen wegen ein lohnendes Album. Anders als zwischen Magnet und Kühlschranktür fehlt diesen allerdings in Teilen auch der unbedingte Zusammenhalt und lässt so zuweilen ein wenig zu viel Luft dazwischen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Anker
- Essig auf Zucker
- Katzen
Tracklist
- Anker
- Essig auf Zucker
- Katzen
- Pusteblumenfeld
- Rot
- Hinterher
- Findelkind
- Zuvielleicht
- Der fliehende Robert
- Das Ziel ist im Weg (feat. Fatoni)
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Armin
2016-05-11 22:19:45
Frisch rezensiert.
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