Eric Clapton - I still do
Bushbranch / Surfdog / Polydor / UniversalVÖ: 20.05.2016
Snooze blues
Diese Rock-Dinosaurier! Haben natürlich alle in ihren Jungspund-Jahren große Dinge geleistet. Hits für die Ewigkeit geschrieben und das wilde Leben mit seinen Höhen und Tiefen voll ausgekostet. Mit dem Älterwerden dagegen driftet ihr Output allerdings qualitativ stark auseinander. Manche wie Johnny Cash und Bob Dylan schaffen noch im hohen Alter Meisterwerke. Andere bleiben einfach noch da, hauen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen mäßige bis solide Alben raus oder gehen – wie die Rolling Stones – auf die 43. Abschiedstournee. Eric Clapton hat es hingegen mit beidem nicht so. Schon 2013 demonstrierte "Old sock", dass sich der Brite lieber auf den Schaukelstuhl zurückziehen und einen Mix aus alten Blues-Kamellen sowie uninspiriertem Eigenmaterial herunterleiern möchte. Und nun fischt er, jenseits der 70 angekommen, mit "I still do" noch tiefer im trüben Gewässer und bewegt sich damit endgültig in die Rentner-Hölle auf Kaffeefahrt. Ja, das Niveau dieses Albums lässt zur Einstimmung gar einen billigen Kalauer zu: Clapton ist wie ein äußerst erfahrener Architekt – dem fällt auch nichts mehr ein.
Kollege Bellmann stellte angesichts von "Old sock" fest, dass Mr. Slowhand der Musikwelt diverse Großtaten geschenkt hat und deshalb niemandem noch etwas beweisen muss. Doch was soll das genau heißen? Dass er aufgrund vergangener Erfolge nun jeden Mist auf den Markt werfen kann, der ihm gerade von der Klampfe fällt? So läuft das nicht. Mit der Rheuma-induzierenden Greisenmusik auf "I still do" muss sich niemand abfinden. Es hilft kein bisschen, dass ein paar große Namen in den Liner Notes auftauchen. "Slowhand"-Produzent Glyn Johns ist das erste Mal seit 1978 wieder an Bord, kann aber den Dampfer auch nicht auf Touren bringen. Zudem hat Peter Blake, bekannt durch das Cover zu "Sgt. Pepper's Lonely Hearts Club Band", das Artwork gestaltet. Am interessantesten ist das Mitwirken eines gewissen "Angelo Mysterioso" bei "I will be there", dessen Identität angeblich nie preisgegeben werden soll. Der verstorbene Ex-Beatle George Harrison, welcher dieses Pseudonym bereits verwendete, sei es schon mal nicht, so das Dementi seitens Clapton nach diversen voreiligen Pressemeldungen. Die Rätselei macht den schlageresken Song letztlich allerdings nicht weniger furchtbar.
Bereits der Opener "Alabama woman blues", ein Cover des 1930 von Leroy Carr geschriebenen Stücks, ist dermaßen muffig am Standardschema ausgerichtet, dass die Finger gleich den Drang verspüren, in Richtung Stopptaste zu greifen. Viel aufregender wird es nicht mehr, denn "I still do" pendelt grundgemütlich zwischen zwei Songtypen hin und her. Da wären zum einen die "Rocker", bei denen Omas Tanzbein noch mal leicht zucken darf, Energie oder Groove jedoch Fremdwörter bleiben. Die zweite Single "Stones in my passway", im Original von Robert Johnson, gehört dazu: Das staubbedeckte Akkordeon summt im Hintergrund, während Clapton den vernuschelten Crooner gibt. Das davor veröffentlichte "Can't let you do it" ist der einzige flottere Song, der etwas Laune aufkommen lässt. Auf der anderen Seite gibt es ruhige, teils vom Gospel infizierte Stücke mit extrem hohem Fernsehgarten-Schunkelfaktor wie "I'll be alright", welches sich auf das altbewährte "We shall overcome" wie einen Krückstock stützt. Blicke über den Tellerrand oder riskante Zutaten braucht man gar nicht erst suchen.
Bedenkt man, wie stark der Bluesrock durch Bands wie The White Stripes, The Black Keys oder Two Gallants in den letzten Jahrzehnten mit frischen Impulsen versorgt wurde, erscheint "I still do" als eine noch größere Frechheit wie ohnehin schon. Ganz zu schweigen davon, dass mit Dylans "Shadows in the night" und Springsteens "We shall overcome: The Seeger sessions" um Welten bessere Beispiele für das Aufbereiten historischer Songs im Karriereherbst existieren. Die penetrante Entspanntheit Claptons gerät hingegen mit der Zeit zur Geduldsprobe. Interesse oder gar Enthusiasmus für seine eigenen Kompositionen oder die Coverversionen ist kaum wahrzunehmen. Am deutlichsten wird das bei Bob Dylans "I dreamed I saw St. Augustine", wenn man die gefühlvollen Vocals des 1967 erschienenen Originals Claptons leidenschaftslosem Genöle gegenüberstellt. Jeglicher Seele beraubt, ist die hiesige Variante höchstens zum sanften Entschlummern auf der Hollywood-Schaukel geeignet. Genau wie auch der große Rest der Platte eine vor Selbstzufriedenheit und Antriebslosigkeit triefende Masse ist. Egal, ob Clapton nichts mehr zu beweisen hat – einen Rohrkrepierer wie "I still do" kann man auch angesichts vergangener Meisterwerke nicht verzeihen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Can't let you do it
Tracklist
- Alabama woman blues
- Can't let you do it
- I will be there
- Spiral
- Catch the blues
- Cypress grove
- Little man, you've had a busy day
- Stones in my passway
- I dreamed I saw St. Augustine
- I'll be alright
- Somebody's knockin'
- I'll be seeing you
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dick
2016-10-14 13:15:05
3mal?. huch.sorry
dick
2016-10-14 13:11:49
tach. ich bin auch schon kurz vor 70, dann darf man das. in den schaukelstuhl,und möglichts nix denken. schön!!!! wartets mal ab.
dick
2016-10-14 13:02:36
tach. ich bin auch knapp vor 70,dan darf man das . in den schaukelstuhl, und nix denken. wartet mal ab.
dick
2016-10-14 13:01:24
tach. ich bin auch knapp vor 70,dan darf man das . in den schaukelstuhl, und nix denken. wartet mal ab.
gerry
2016-05-21 09:20:27
@ Dreckskerl
Danke für deine Reaktion und die interessanten Infos zur Tocotronic-Diskussion. White Stripes habe ich erwähnt, weil sie in der 2/10-Rezension als Vergleich genannt wurden, Sigur Ros, weil der Rezensent sie mag. Meinen Vorschlag einer Korrektur der Bewertung hatte ich nicht ganz ernst gemeint.
@ Netter älterer Herr
Bist du ein Kollege von mir :) Habe dich natürlich schon verstanden. Mich würde interessieren, welche drei (aktuellen) Alben du wirklich in einer Dauerschleife hören würdest. Komm, raus damit :) Unterschätze bitte mein Wissen über aktuelle Musik oder meinen musikalischen "Horizont" nicht.
Natürlich strotzen meine Einträge nicht gerade vor Intelligenz oder Originalität. Ich habe den Eindruck, dass ich hier nicht so willkommen bin. Vielleicht fehlt mir auch die Erfahrung mit den Umgangsregeln in solch einem Forum. Zwischen Humor und Überheblichkeit liegt ein schmaler Grat. Da bin ich aber zu sensibel dafür. Deswegen trolle ich mich jetzt davon.
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