Captain Planet - Ein Ende

Zeitstrafe / Indigo
VÖ: 06.05.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Putz ab

Abbildung, Sinnbildung, Einbildung – wenn ein Titelmotiv gleich mehrere metaphorische Ebenen besitzt, ist es nicht allzu schlecht gewählt. Ein Schelm jedoch, wer mit einer Reihenhaussiedlung Spießbürgerlichkeit und Gartenzwerge assoziiert. Noch dazu in Verbindung mit diesem Albumtitel: "Ein Ende", so heißt die vierte Platte der Hamburger Punkband Captain Planet. Ein bisschen schelmisch trugen sich auch die Ereignisse rund um die Veröffentlichung zu, die eher klammheimlich ablief. Gerade mal drei Wochen vor Release sickerte über gut informierte Blogs eine erste Info zum Album durch. Die Band selbst ließ keinen Mucks verlauten, bevor sie sich auf Facebook zu diesem nordisch-trockenen Satz durchrang: "Das hier ist ein Ende." Und damit bei der Anhängerschaft das Herzinfarkt-Risiko spontan in die Höhe trieb. Gründe dafür gibt es natürlich nicht. Von Aufhören keine Spur.

Überdies ist sowieso klar: Nimmt man das Resignationspotenzial eines durchschnittlichen Songtextes der Truppe aus der Hansestadt, läge diese Band eh schon längst in Schutt und Asche. Dort, wo Sänger Jan Arne von Twisterns grelle Stimmfarbe die ausnahmslos trotzig-pessimistischen Verse hineinpresst, bröckelt der Putz – auch in der gepflegtesten Reihenhaussiedlung. "Ein Ende" ist vielmehr ein Aufbruch, ein neuer Anfang – und spätestens seit Hesse wissen wir, dass diesem ein Zauber innewohnt. "Vom Ende an" heißt das Motto, und das Stück benötigt samt rastlosem Videoclip nur ein paar Sekunden, bis sich die fräsenden, flirrenden Gitarren verdichten, sich das Schlagzeug-Stakkato aufbäumt, sich die ersten Armhäarchen aufstellen und wieder klar wird, warum Captain Planet so besonders sind. "Es geht weiter / Bis die Stimme aufgibt / Der Vorhang wieder aufgeht / Uns nichts mehr hier hält."

Die Zeile "Was muss noch mit? / Was ist morgen noch wichtig?!" versprüht unbequeme Rastlosigkeit, ebenfalls seit jeher ein Markenzeichen der Hamburger, in der Musik wie in den Texten. Doch weil der Aufbruch meist Resultat eines Aufpralls ist, fängt der Fünfer auch die bittere Kapitulation ein. In all ihrer Härte. Wie im polternden "Tulpenfarm", in dessen Beziehung zwischen den Zeilen sowohl das Blumen- als auch Zwiebelnsäen schiefgeht: "Wir haben immer wieder versucht / Eine Ebene aufzubauen / Gnadenlos gescheitert!". Oder im rasenden Opener "St. Peter", der die beiden Protagonisten zwischen Aufbruch und Aufgabe im Treppenhaus ausharren lässt – mit dem Wunsch, diesen halbgaren Ort des Zögerns zu fluten. Dabei gibt es nur selten Klarheit, Captain-Planet-Lyrics sind kryptisch, bildreich und daher mehrdeutig.

Um Antriebslosigkeit im Alltag dreht sich der "Kreisel", ein Sinnbild für den stechenden, belastenden "Punkt im Nacken", für das schlechte Gewissen, für das Hadern mit sich selbst, das jeder kennt. In "Kette" wird "Stück für Stück immer mehr Holz im Keller" aufgestapelt, bis man bemerkt, dass man die Fassaden entblößen muss, statt sie zu befeuern. Auch wenn es weh tut: "All die kleinen Dinge sind so groß / Wenn man einen Haufen daraus macht / Heut' bin ich der Baum, der seine Nester zeigt", heißt es daher in "Landung". Mit jedem Durchgang entfaltet sich "Ein Ende" ein Stück mehr, wird immer wuchtiger, je länger man mit diesen Songs durch den Alltag geht. In Sachen Rezeption bleibt dagegen alles wie immer: Bei Captain Planet ist man entweder gleich raus – oder kommt von dieser Band überhaupt nicht mehr los.

(Eric Meyer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • St. Peter
  • Tulpenfarm
  • Kreisel
  • Vom Ende an

Tracklist

  1. St. Peter
  2. Tulpenfarm
  3. Kreisel
  4. Irgendwas
  5. Ole und Pia
  6. Fenster im Fenster
  7. Kette
  8. Landung
  9. Schulterschuss
  10. Vom Ende an
Gesamtspielzeit: 28:02 min

Im Forum kommentieren

Armin

2019-06-26 12:03:06- Newsbeitrag

Ihr letztes Album "Ein Ende" war zwar bereits 2016 erschienen, doch auch drei Jahre später sind die Konzerte von CAPTAIN PLANET meist bis auf den letzten Platz besetzt. Heute kündigt die Band neue Konzerte für Ende des Jahres an.

Viele Worte über Captain Planet zu verlieren, wäre Quatsch. Die Band aus Hamburg lässt ihre Musik sprechen und hat zahllose Fans, die der Band zu jedem Konzert hinterher reisen und jeden Song aus voller Inbrunst mitsingen. Bei den acht Konzerten im Herbst/Winter des Jahres wird das nicht anders sein. Laut dem Label Zeitstrafe sind dies die letzten Konzerte zu "Ein Ende", bevor die Arbeiten am neuen, fünften Album der Hamburger beginnen.


CAPTAIN PLANET - Live 2019
Tickets: http://bit.ly/Zeitstrafe_Shop

02.10. Wolfsburg, Jugendhaus Ost
03.10. Frankfurt, Exzess
04.10. Leipzig, Conne Island
05.10. Rostock, Peter-Weiss-Haus
15.11. Bremen, BDP Haus
16.11. Potsdam, Waschhaus
13.12. Hannover, Bei Chez Heinz
14.12. Bonn, Bla

eric

2017-11-24 15:07:21

"Wir alle sind gescheitert." ;)

Affengitarre

2017-11-24 14:00:46

"Tulpenfarm" ist bei mir wohl aktuell das Highlight, kann man aber insgesamt noch sehr gut hören. Zu den von dir genannten Highlights kommt vielleicht noch "Ein Ende", auch wenn sich das bei mir ein klein wenig abgenutzt hat.

eric

2017-11-24 12:30:41

Etwas gleichförmiger im Songwriting, die Texte eine Nuance weniger berauscht, die Gitarrenmelodien runtergeschraubt, keine Gangshouts mehr, kaum noch Breaks, Überraschungen und wahnsinnige Steigerungen in den Songs.

Ein Jahr später mal hierzu: Gehe ich mittlerweile mit, wobei gerade die ersten drei Songs und "Schulterschuss" bei mir immer noch rotieren. "Kreisel" hat mit der Zeit echt gewonnen, auch wenn es untypisch ist für CP. Was bisher noch keiner angemerkt hat ist die gute Produktion. 10 Mal besser, klarer, druckvoller als das dumpfe "Treibeis" und nicht so auf Höhen getrimmt wie die beiden ersten.

Affengitarre

2016-11-16 16:42:45

Sehr geil, die Band spielt am 13.01.17 in Osnabrück in der kleinen Freiheit. Das lasse ich mir wohl nicht entgehen. :)

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