Suuns - Hold / still

Secretly Canadian / Cargo
VÖ: 15.04.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

In der Schwarzlichtklinik

Suuns können einem irgendwie leid tun. Da machen sich die Kanadier trotz ihres aufgrund anfänglicher Rechtsstreitigkeiten nicht ganz freiwillig gewählten, eher eigenartigen Namens einen ebensolchen, nehmen vor allem auf ihrem Debüt "Zeroes QC" mutwillig zwischen sämtlichen Stühlen Platz, dürfen das renommierte belgische Sonic-City-Festival kuratieren, beweisen auf einer gemeinsamen Platte mit Radwan Moumnehs audiovisuellem Projekt Jerusalem In My Heart zusätzliche künstlerische Versiertheit – und ständig reiten die Medien nur darauf herum, dass Suuns' Sound dem von Clinic aus Liverpool, sagen wir, nicht ganz unähnlich ist. Auch Plattentests.de bekennt sich verhalten schuldig, wie man untenstehender Referenzenliste entnehmen kann. Denn auch "Hold / still" unterscheidet sich nicht komplett von seinen beiden Vorgängern. Und jetzt?

Denkt das Quartett immer noch nicht daran, seine elektronisch flackernde Musik weniger sperrig zu gestalten und nährt sie weiterhin an gedrückt-reduziertem Post-Punk und Math-Rock nach überstandener Quadratwurzelbehandlung. Trotzdem halten Suuns anders als im Titel keineswegs still, sondern geben erst mal Gas: "Fall" lässt die Drums so stoisch und gleichzeitig wutentbrannt stampfen, als wollten sie jeden lästigen Vergleich ungespitzt in Grund und Boden rammen, Ben Shemies und Joseph Yarmushs Gitarren jaulen empört auf – jetzt sollten alle wach sein. Sogar Quengel-Punk John Lydon, der unter Verfremdung eines eigenen Klassikers vielleicht gerade irritiert "This is not a song!" nörgelt. Recht hat er – doch dieser Begriff ist hier eben von jeher ein relativer. Kein Lied, zwei, drei? So arg ist es nun auch wieder nicht.

"Instrument" klingt im Anschluss schon eher nach musikalischen Grundwerten: Die Keyboards stellen bassig flimmernd die Notstromversorgung mit Schwarzlicht sicher, und die Akkorde achteln so desorientiert, als würden Foals auf einem Bein durch den Kohlenkeller hüpfen, bevor ein einigermaßen ramponiertes Riff erkennbar wird. Mehr am Riemen reißt sich das dissonant zuhackende "Resistance", wobei sich von der Seite punktgenaues Fingerpicking in die Szenerie schiebt und kontrollierte Breaks so etwas wie herkömmliche Rock-Muster vortäuschen. Und poltert sich "Translate" zu weit aufgerissenen Gitarren schwer atmend auf eine polyrhythmische Ebene, wartet um die Ecke bereits "Brainwash" auf wunschgemäß hirnzerbeulendem Zickzackkurs zwischen abgewürgten Distorto-Beats und außerirdischen Akustik-Parts.

Fixpunkt in diesem morphenden Soundkonglomerat ist Shemies Stimme, die in einer Art waidwunder Fiebrigkeit und mit Zeilen wie "Don't you know nothing comes free / But I found you and I knew that you loved me" allerlei Dinge von Hoffen bis Bangen erörtert – und in "Nobody can save me now" zu einem existenzialistisch bedenklicheren Schluss kommt als noch "Music won't save you" von "Images du futur". Und drohen bei der Single "Paralyzer" donnernde Synthie-Fanfaren, docken Suuns gleichermaßen bei Neo-Klassik und martialischen Industrial-Codes an. Womit der Hörer beim größtmöglichen Widerpart zu Clinic angelangt ist, die auch auf diesem in seinen Hypno-Qualitäten ausgezeichneten Album immer mal wieder gefühlt vorbeischauen. Allerdings nur auf eine Stippvisite: Bei dem schummrigen Licht kann doch kein Mensch anständig operieren.

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Instrument
  • Resistance
  • Translate
  • Brainwash

Tracklist

  1. Fall
  2. Instrument
  3. UN-NO
  4. Resistance
  5. Mortise and Tenon
  6. Translate
  7. Brainwash
  8. Careful
  9. Paralyzer
  10. Nobody can save me now
  11. Infinity
Gesamtspielzeit: 46:48 min

Im Forum kommentieren

Underground

2017-01-20 14:03:33

Nicht dafür!

AndreasM

2017-01-20 13:50:27

@Underground: wo wir uns gerade im Michelberger-Thread getroffen haben, fiel mir ein, dass ich dir noch für den Hinweis hier danken wollte, auch wenn ich ihn letztlich nur halb befolgt habe.
Ich habe jedenfalls das Debüt mit dem aktuellen Album zusammen gekauft und bin von beiden auch so überzeugt, dass ich mir die restlichen Veröffentlichungen sicherlich auch noch zulege.
Das Debüt hat dabei für mich einen kleinen Vorsprung gegenüber der dritten Platte.

In der Zwischenzeit habe ich auch Clinic live gesehen und ja, die Ähnlichkeiten waren deutlich zu vernehmen. Den Suuns-Auftritt fand ich dann aber doch ebenso deutlich besser ;)

AndreasM

2016-05-31 13:51:45

Ok, danke für den Tipp!

Underground

2016-05-31 12:25:53

ich empfehle die ersten beiden Alben zuvor zu hören und vielleicht auch noch die Zusammenarbeit mit Jerusalem in my Heart. Dann erschließt sich das neue Album meines Erachtens besser.

AndreasM

2016-05-31 11:20:16

Haben mich am Wochenende auf dem Immergut unbekannterweise sehr beeindruckt!
Ich bin gespannt ob sich das auf den Alben so fortsetzt.

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