Luh - Spiritual songs for lovers to sing

Mute / GoodToGo
VÖ: 06.05.2016
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Berg- und Talfahrt

Ein bisschen Geschichtsunterricht vorab: 2011 war es, als Wu Lyf wie eine großer, alles mit sich reißender Sturm über die Musikwelt fegten. Vier Jungs aus England, deren Drang nach Privatsphäre fast so faszinierend war wie ihre Songs selbst: keine Interviews, kaum Presse-Infos, keine Aussagen, auf die man sie festnageln konnte. Die Stimme von Sänger Ellery Roberts wurde zum Aushängeschild, und Wu Lyfs Album "Go tell fire to the mountain" eines der wohl meistgefeierten Debüts überhaupt – nicht zuletzt auch dank Übersongs wie "Heavy pop" oder "L Y F". 2012, also gerade mal ein Jahr nach Veröffentlichung dieses Mammutwerks, gingen Wu Lyf wieder getrennte Wege: Roberts hatte die Band aufgelöst, ohne seinen Kollegen Bescheid zu geben.

Seitdem dümpelten beide Parteien eine Weile vor sich hin. Aus den restlichen Mitgliedern Wu Lyfs wurde kurzzeitig Los Porcos, die sich aber auch nicht lange halten konnten. Die besten Aussichten auf eine zweite Chance hat nun der ehemalige Leadsänger selbst, der schon die Trennung mit den Worten "This isn't the end, this is the beginning" verkündete: Roberts hat den feurigen Berg hinter sich gelassen und gemeinsam mit seiner Freundin Ebony Hoorn das Duo Luh gegründet, was für "Lost under Heaven" steht und damit ein wenig auch für die Musik selbst. Oder für deren Wirken beim Hörer. Denn wer ein weiteres "Go tell fire to the mountain" erwartet, wird enttäuscht. Die Intensität und Stärke von Wu Lyf lagen demnach nicht ausschließlich im Gesang: "Spiritual songs for lovers to sing", Luhs Erstlingswerk, will sich nicht festlegen, krankt dadurch aber etwas an seiner Orientierungslosigkeit.

Große Momente gibt es natürlich dennoch, sogar schon gleich am Anfang: Die von The Haxan Cloak (Björk, HEALTH) produzierte Debütsingle "I&I" etwa, die das Erwachen eines neuen Tages begrüßt: "There's life in this early morning / A life that you want to lead", singt Roberts, während die ersten Sonnenstrahlen das Zimmer fluten und die Dunkelheit der Nacht hinter sich lassen. Am Ende, wenn ein tosendes Soundgewitter losbricht, bleibt dennoch eine merkwürdige, melancholisch anmutende Form von Euphorie. Oder ist es gar Freiheit? Die schimmert auf "Spiritual songs for lovers to sing" immer wieder mal durch, auch in der malerischen Klangkulisse von "Here our moment ends", dessen anfänglicher Abschiedsschmerz dem Glück eines Neuanfangs weicht – und damit wohl auch das vermittelt, was Roberts für Luh nach Wu Lyf empfindet.

Aber nicht nur er, sondern auch Hoorn besticht durch ihre markante Stimme. In der leicht postrockig anmutenden Dystopie, die "Future blues" besingt, ist sie es, die das Schiff auf Kurs hält, und im Zusammenspiel von "Loyalty" rettet Hoorns Yin das Yang ihres Partners immer wieder vorm Verschwinden im ewigen Dunkel. Keiner von beiden kann aber den Auffahrunfall von "$ORO" aufhalten, das irgendwo Europop und purem Trash wandelt und dem Vergnügen einer Wurzelbehandlung gleicht. Ebenso unverständlich, wie man das grandiose, bereits 2013 veröffentlichte "Kerou's lament" um jegliche Alleinstellungsmerkmale berauben und daraus das zwar ganz nette, aber auch komplett austauschbare "Lament" basteln konnte. Immerhin geht es mit der abschließenden Versöhnung von "The great longing" und der Unterstützung von Akustikgitarre und Streichern wieder aufwärts – ganz hoch auf den Berg zurück will Roberts wohl eh nicht mehr. Aber ob es wirklich eine derart riskante Kletterpartie sein muss?

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I&I
  • Future blues
  • Here our moment ends

Tracklist

  1. I&I
  2. Unites
  3. Beneath the concrete
  4. Future blues
  5. Someday come
  6. $ORO
  7. Here our moment ends
  8. Loyalty
  9. Lost under Heaven
  10. First eye to the new sky
  11. Lament
  12. The great longing
Gesamtspielzeit: 59:24 min

Im Forum kommentieren

Armin

2016-11-11 15:10:08


LOST UNDER HEAVEN
NEUES VIDEO ZU ALBUMSONG 'LAMENT' HIER ANSEHEN:



ALBUM 'SPIRITUAL SONGS FOR LOVERS TO SING' OUT NOW VIA MUTE/GOODTOGO

„Die Zukunft des Rock'n'Rolls, hier scheint sie eine Möglichkeit zu sein.“ (Abgehört auf Spiegel Online, 9/10 Punkten)

„Aus den Trümmern von Wu Lyf und dem Allmachtsgefühl einer eben erwachten Liebe haben sie das Gegenprogramm zur allseits herrschenden Endzeitstimmung erschaffen.“ (Spex)

„Musik, als wären Take That in einem Industrialschredder gelandet.“ (Rolling Stone)

“‘Spiritual Songs For Lovers To Sing‘ ist das vielleicht unzynischste Album des Jahres, aber gewiss nicht das positivste…” (Intro 05/16, Redaktions-Lieblingsalben No. 1)

“Alle anderen ernähren den Haushalt ihrer Herzen weiterhin mit Surrogaten” (Sonic Sedcucer)

Nach der gestrigen Pitchfork.com Video-Weltpremiere teilen Lost Under Heaven (Ellery Roberts, Ex Wu Lyf & Ebony Hoorn) ihr neues Video zum Albumtrack Lament nun auch über die eigenen Kanäle. Unter der Regie von Patrick Blades entstand ein Video, das der programmatischen Gesellschaftsutopie, die Lost Under Heaven in ihrer Musik und ihren Lyrics befeuern, ein eindrucksvolles, dystopisches Bildszenario entgegensetzt: verlassene Straßenzüge, leere Hinterhöfe, Industriebrachen. Spuren einer aufgegebenen Zivilisation. Entlang einer post-apokalyptischen, scharfwandigen Felsenküste führt der Weg aber schließlich zum offenen Meer. Dazu singt Ellery Roberts im Refrain die imposanten Lyrics:

To the powers of old, to the powers that be/
You fucked up this world but you won’t fuck with me

Ellery Roberts über Lament:
"This is the first song I wrote after leaving Wu Lyf. It's a song about putting you flag on the mountain top, about your responsibility to yourself and to realize that there is nobody else to make things happen."

Das Video kann hier angesehen werden: http://bit.ly/2ePlHSh

Still aus Lament

Live:
18. Nov Le Grand Mix, Tourcoing, Frankreich
19. Nov La Cigale, Paris, Frankreich
20. Nov Stereolux, Nantes, Frankreich
21. Nov Rock School, Bordeaux, Frankreich
1. Dez A Congregation Of Young Dissent, The White Hotel, Manchester, UK

Armin

2016-08-26 21:28:45

Kurz bevor sich Lost Under Heaven (LUH) anschicken, die Festivals in Reading und Leeds zu spielen, veröffentlichen sie ein Live-Video des gleichnamigen Songs: https://vimeo.com/180159355

Armin

2016-05-31 22:08:27

Das Live-Drumming und das Gekreische beim Bollerpart haben den Song noch mal veredelt ...

vincent92

2016-05-31 07:40:47

klasse, das es dir auch so gut gefallen hat. ja ich fand "$ORO" war auch hervorragend live umgesetzt.
steht auch bei meinen konzerten in den top ten:-)

Armin

2016-05-30 20:55:11

Ja, bestes Konzert meines mit reichlich Konzerten bestückten (war zwei Tage beim Modular) Wochenendes. Vor allem "$ORO", das in der Plattentests.de-Redaktion nicht unumstritten ist, gefiel mir bestens.

Doppel-Vinyl in Weiß ist auch sehr schön.

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