Pop. 1280 - Paradise

Sacred Bones / Cargo
VÖ: 22.01.2016
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

In Teufels Küche

Euch geht's zu gut? Dann hier entlang. "Endlich mal wieder eine Band, vor der man Angst haben darf", titelte ein Online-Magazin über Pop. 1280 – na, das hört sich ja vielversprechend an. Was darf's denn sein? Fiese Bettwanzen? Krankenschwestern mit bösen Absichten? Leichen in den Dünen? Allesamt Dinge, die Chris Bug und seine finsteren Konsorten schon im Angebot hatten. Und wie man sich ihr "Paradise" vorzustellen hat, zeigen der dramatische Himmel und die bedrohliche Kulisse auf dem Cover. Passend dazu braust das Quartett auf einem "Phantom freighter" durch sein drittes Album – nicht ohne sich zuvor die gespenstische Ouvertüre "Pyramids on Mars" gegönnt zu haben, die Peter Gabriels "The rhythm of the heat" erst grollend die Percussions wegnimmt und dann in eine Drone-Dunkelkammer mit Klimper-Keyboard in der Ecke sperrt.

Die "Imps of perversion" vom Vorgänger sitzen dem Vierer also nach wie vor im Nacken und verteilen großzügig Stromstöße. Und allen, die Pop. 1280 wegen Schock-Ästhetik und Quälgeist-Vocals ständig zwanghaft mit Marilyn Manson in Verbindung bringen wollen, sei gesagt, dass Brian Warner vergleichsweise wie eine missgelaunte Version von Ronald McDonald mit verlaufener Schminke wirkt. Denn sollte es bei den New Yorkern jemals Ansätze von Glam gegeben haben – so abseitig dieser auch gewesen sein mag –, sind sie inzwischen längst im eisernen Griff von rhythmischem Industrial und EBM-Bruchstücken verschmurgelt. Da kann sich der junge Nick Cave, dessen frühe Krawallattacken bei The Birthday Party und The Boys Next Door für Pop. 1280 des Öfteren Pate standen, nur noch verzweifelt fragen, was bloß aus seiner Musik geworden ist.

Nüchterne Antwort: neun sich länglich windende oder auch mal gnadenlos monoton auf den Punkt prügelnde Songs, die Schlagzeuger Andy Chugg am Mischpult in eine faulig schimmernde, aber ungemein dynamische Cyberpunk-Rüstung steckt. Etwa den sich bis zur Raserei steigenden Electro-Boogie "In silico" oder das störrische "USS ISS", das sich nach einem beinahe eingängigen Auftaktriff so effektiv selbst auf links zieht, dass sogar die "Bodies in the dunes" vom Debüt "The horror" unkontrolliert zucken. Begriffe wie Noise-Rock und Post-Punk sind auf "Paradise" also eher relativ zu verstehen – wie bei der Single "Chromidia", die ähnlich robust und unerbittlich mit der Rhythmusmaschine aufstampft wie "Janey's love" aus dem monumentalen Doppelalbum "In this world" von den Schotten Cindytalk.

Und kehrt im verhallten Titelstück einmal Ruhe ein, kann trotzdem jeden Moment die Hölle losbrechen – wie soll es auch anders sein, wenn die Brooklyner den vermeintlich himmlischen Ort permanent mit Teufels Küche verwechseln? In dieser schmort "Rain song" zu Buntmetall-Geschepper, einer übers Knie gelegten Sitar und immer näher an die Oberfläche kriechenden Electronics jedenfalls mit dem gleichen schauerlichen Vergnügen, das einst der Einstürzende-Neubauten-Klassiker "Armenia" verströmte. Minus Blixa Bargelds Schmerzensschreie, versteht sich – doch der Hörer ist nach dieser rasanten Geisterbahnfahrt auch so bedient genug. Nur "The last undertaker" schaut mit Schaufel in der knochigen Hand irritiert auf, als Pop. 1280 mit "Kingdom come" einen letzten vernichtenden Punkrock-Pfeiler in die Landschaft rammen. Denen geht's wohl zu gut?

(Thomas Pilgrim)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Pyramids on Mars
  • In silico
  • USS ISS

Tracklist

  1. Pyramids on Mars
  2. Phantom freighter
  3. In silico
  4. Chromidia
  5. USS ISS
  6. Paradise
  7. Rain song
  8. The last undertaker
  9. Kingdom come
Gesamtspielzeit: 39:20 min

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MasterOfDisaster69

2016-03-31 11:40:47

Rezension und Referenzen top. Klar ist das eher was für die Dunkel-Fraktion, Noise/Goth und voll von Verweisen auf die goldenen 80er EBM- und frühen 90er Industrial-Jahren. Bester Soundtrack fuer die naechste BDSM-Latex-Party bei Tante Gisela...
Bei den Highlights fehlt mir aber schon "Phantom Freighter"

Armin

2016-03-23 20:42:58

Frisch rezensiert.

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