Underworld - Barbara Barbara, we face a shining future
Caroline / UniversalVÖ: 18.03.2016
Stellentreter
Man kann Underworld vieles vorwerfen. Dass sie sich zwischen ihren Alben zu viel Zeit lassen, zum Beispiel. Oder dass sie seit "Beaucoup fish" stilvoll stagnieren. Die drei Alben, die seit dem Meisterwerk aus dem Jahre 1999 erschienen sind, waren allesamt hübsch anzuhören, aber leider auch ein bisschen langweilig. Die goldenen Neunziger liegen 16 Jahre zurück – eine Zeitspanne, in der sich elektronische Musik gewaltig verändert hat. Die Herren Karl Hyde und Rick Smith widmeten sich seit der Jahrtausendwende primär der Verwaltung des eigenen Erbes. Staub wirbeln mittlerweile andere auf. Mit "Barbara Barbara, we face a shining future" beenden die Briten eine sechsjährige Auszeit. Und wecken schon mit der Betitelung ihres neuen Werks Hoffnungen.
Hoffnungen, die die erste Single "I exhale" triumphal zu erfüllen weiß. Ein stoischer Drumloop bildet die Grundlage für allerhand Geflirre und Gefiepe und Hyde macht das, was er am besten kann: Er spricht, rezitiert, in jenem unverwechselbaren Singsang, der dereinst Tracks wie "Dirty epic" zu Klassikern werden ließ. "I exhale" ist allerdings weit davon entfernt, Techno zu sein. Der Track wirkt eher wie ein aus der Zeit gefallener Blur-Song, der von Underworld geremixt wurde. Ein verdammt guter Blur-Song, wohlgemerkt. Wenn gegen Ende immer mehr Spuren hinzugefügt werden und der Gesang beginnt, ins Manische zu kippen, dann ist das natürlich auch ein bisschen Fan-Service. Aber manche Tricks funktionieren auch beim fünfzigsten Mal noch formidabel.
Das Album, das der Single folgt, ist vor allem eines: Extrem uneinheitlich. Zwar teilen sich die sieben Tracks auf "Barbara Barbara, we face a shining future" eine entspannte Grundhaltung, der letzte Funke will aber einfach nicht so recht überspringen. So ist "Low burn" mit all seinen Trance-Synthies und dahinschlierenden Delayschleifen sicherlich eine wunderbare Reminiszenz an frühere Tage, die Katze bleibt jedoch hinterm Ofen. Viel besser ist da schon "If rah", das minutenlang dahinblubbert, ehe es von lupenreinen House-Akkorden aufs nächste Level gehievt wird. Das Gespür für die großen Melodien ist den beiden Engländern definitiv nicht abhanden gekommen.
Dies beweist auch "Motorhome", in welchem Hyde mantra-artig "Keep away from the dark side" säuselt, während orientalische Melodiefetzen und ein zurückhaltender Basslauf um Aufmerksamkeit buhlen. Hier merkt man auch am deutlichsten, dass sich der Sänger zuletzt mit Brian Eno vergnügt hat – besonders der finale Instrumentalpart des Stücks weist nicht zu leugnende Einflüsse des ewig kreativen Minimalisten auf. Die größte Überraschung des Albums ist jedoch "Santiago cuatro", welches ausschließlich aus digital zurechtgestutzten Klängen der Akustikgitarre besteht. In diese Richtung hätte es gerne häufiger gehen können.
Stattdessen tappen Underworld mit den letzten beiden Songs "Ova nova" und "Nylon strung" in die "Café del Mar"-Falle. Und das schmerzt. Bei aller Liebe zum Schönklang hätten diese Tracks definitiv mehr Kante verdient. Zurück bleiben eine zum Vorwurf gerunzelte Stirn und der Wunsch, Zalando-Gutscheine auf die Insel zu schicken. Während andere Künstler auch im betagteren Alter noch mit Siebenmeilenstiefeln voranpreschen, tragen Underworld Stellentreter. Und die haben ihre besten Tage definitiv hinter sich.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I exhale
- If rah
- Santiago cuatro
Tracklist
- I exhale
- If rah
- Low burn
- Santiago cuatro
- Motorhome
- Ova nova
- Nylon strung
Im Forum kommentieren
peter73
2022-03-16 09:13:00
ist für mich über die jahre gewachsen und mittlerweile eine 8/10.
wer probleme mit den letzten 2 tracks hat, kann ja einfach mit random playback arbeiten :)
musie
2016-08-30 14:03:23
interessanterweise - im Widerspruch zur Rezi - finde ich gerade den Schluss des Albums mit den letzten drei Liedern klasse. Highlight des Albums für mich: Motorhome.
In der zweiten Hälfte kippt die Stimmung auf dem Album komplett. Ich finde das nicht uneinheitlich, sondern sehr bewusst gesteuert und höre das Album gerne vom Anfang bis zum Schluss, es ist wie eine Reise.
musie
2016-08-30 11:28:29
Das Album hat mit den Monaten eher gewonnen als verloren. Finds nach wie vor erfreulich gut. Das ist für mich keine 6/10.
Herr
2016-03-21 14:06:14
Ich denke, viele von uns Beitragenden stimmen überein. An dieser Stelle immer die gleiche Frage: wie würde man das Album empfinden, wenn eine partielle Partitionslöschung auf unserer zerebralen Festplatte eine Erinnerung an "Born Slippy", "King of Snake", "Beautiful Burnout" nicht mehr möglich macht?
Tully
2016-03-21 13:12:54
Ich finde, es ist ihr bestes seit Beaucoup Fish. Dass es zum Ende aber abfällt, sehe ich auch so. Trotzdem ist der Beginn saustark.
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