Ansome - Stowaway

Perc Trax
VÖ: 26.02.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Feste druff

Alles ist einfach. Alles ist dreckig. Alles ist einfach dreckig. Schaut man auf die Straßen, in die Industriegebiete, über die Städte: überall Schmutz. Keiner putzt ihn weg. Warum auch? Dreck ist sexy, zumindest solange er nicht die Privatsphäre anderer verletzt. Bei der Beschallung von Schmutz gilt es, folgende Regeln zu beachten: Eine Mindestlautstärke von 100 Dezibel ist einzuhalten. Ausreichend Bass ist bereitzustellen. Und Dissonanzen gefallen nicht nur dem Dreck, sondern auch dem zahlenden Kunden. Kieran Whitefield ist Engländer und Ansome. Und er hat aus der Unausweichlichkeit urbaner Verwahrlosung eine Tugend gemacht.

Industrial Techno nennt das der Schubladenfreund. Infernalisch geilen Krach der terminologisch weniger affine Zeitgenosse. Die Bassdrums massieren die Eingeweide im Viervierteltakt. Hihats fauchen und zischeln, und allerhand akustischer Unrat dringt fast beiläufig aus den Lautsprechern. Die Nackenhaare erzählen eine Geschichte, deren Ende irrelevant ist. "Poldark" verschiebt die Wahrnehmung sukzessive seitwärts, bis sich eine angenehme Schieflage eingestellt hat. So lässt sich Leben vortäuschen. Im Ausgehzwang schlummert der Glaube an Erlösung. Oder weniger pathetisch: Sich die Gehirnwindungen beizeiten gründlich durchpusten zu lassen, erhält die geistige Gesundheit.

Ansomes Musik wurzelt im Acid House der späten Achtziger, sie ist analog, volltönend und kompromisslos. Nur selten weist ein Track mehr als eine dominante Melodielinie auf. In diesem Minimalismus liegt auch die größte Stärke der Kompositionen des Engländers. Wenn im Titeltrack eine klassische Acid-Bassline wieder und wieder mürrisch aufbegehrt, schürt das Hoffnungen auf eine kathartische Klimax. Doch stattdessen wird zusammengestaucht. Mit aller Vehemenz. Wer weglaufen will, sollte es besser bleiben lassen. Nicht mal ein Taxi kann helfen. Das ist Techno in seiner reinsten, brutalsten Form.

Und dennoch finden sich, bei aller Zerstörungswut, zahllose Details in der Musik, die vom immensen handwerklichen Geschick ihres Erzeugers berichten. "The pain train" verliert sich gleich mehrmals in stoischen Arpeggien und Stimmsamples, findet jedoch immer wieder den Rückweg zum Wesentlichen. Und das liegt bekanntermaßen auf der Tanzfläche. Fast unmerklich verändern sich dabei die Leadsounds. Am Ende des Tunnels bleibt es allerdings natürlich trotzdem zappenduster. Ehrensache, Licht ist schlecht für den Teint. Und so haut Whitefield druff, und das feste. Wobei seine Musik nicht nur etwas für Druffies ist, die Feste feiern.

"Stowaway" ist ein Juwel der zeitgenössischen elektronischen Musik. In seiner Kompromisslosigkeit und Verdichtung sucht es seinesgleichen. "Vyken" genügen beispielsweise nur rudimentäre Sounds, um wonnige Trostlosigkeit zu verströmen. Wenn man schon unbedingt Spaß haben muss, dann bitte derart bösartig. Selbst wenn der Boandlkramer (für Nicht-Bajuwaren: der Tod) in Form von "Grave digger figure" sich ein Stelldichein gibt, ist die Bewegung aufrechtzuerhalten. Ansome beschallt Clubs, in denen garantiert keine Partyfotos gemacht werden. Dumpf und dunkel, schmutzig und schön. Dreckig einfach eben.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Poldark
  • Stowaway
  • The pain train
  • Grave digger figure

Tracklist

  1. Chemical Kenny
  2. Blackwater
  3. Poldark
  4. Stowaway
  5. The pain drain
  6. Back alley Sally
  7. Grave digger figure
  8. Vyken
  9. Snake eyes
  10. Bad blood
Gesamtspielzeit: 56:51 min

Im Forum kommentieren

Christopher

2016-05-12 18:02:13

Höre es gerade mal wieder. Knallt immer noch. Gewiss keine Neuerfindung des Rades, aber innerhalb des Genres ganz weit oben.

jack crabb

2016-03-17 21:02:15

Wann und wo kann man das Album kaufen?

RevCo Inc

2016-03-16 21:33:44

nichts gegen n anständigen tech lärm, aber sonderlich originell scheint mir das nicht zu sein
Da ist mir der Downtempo Noise von Unitus fast schon lieber:
https://www.youtube.com/watch?v=E91C8vclchs

Armin

2016-03-16 20:38:15

Frisch rezensiert!

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