Villagers - Where have you been all my life?

Domino / GoodToGo
VÖ: 08.01.2016
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Gesucht und gefunden

Es ist einer der schönsten Momente auf dem dritten Villagers-Album "Darling arithmetic", womöglich sogar einer der schönsten des Musikjahres 2015: In der 17. Minute, im fünften Song – nachdem der Hörer gemeinsam mit Sänger Conor O'Brien bereits geweint, gehofft, geliebt und getrauert hat – singt er sie, diese eine Zeile, die sich wohl jeder schon mal gefragt hat: "Where have you been all my life?" Das dazugehörige Stück "The soul serene" wehklagt, es legt den Finger in die Wunde und vermittelt mühelos dieses merkwürdig ambivalente Gefühl der Einsamkeit in einer Menschenmenge. Kein Wunder also, dass O'Brien und seine Kollegen genau jene große Zeile, die man beim bloßen Mitlesen schon im Kopf mitsingt – mitsamt der kurzen Pause in der Mitte – als Titel für ihr Live-Album verwenden.

"Where have you been all my life?" ist dabei durchaus etwas mehr als eine bloße Ansammlung von Live-Darbietungen. Bei der Tour zu "Darling arithmetic" präsentierten Villagers auch Stücke der beiden Vorgänger "Becoming a jackal" und "{Awayland}", die sie zugunsten des Spielflusses stellenweise etwas umstellten. Durch diese neuen Arrangements inspiriert, verzogen sich die Iren schließlich in die Londoner RAK-Studios, um dort ausgewählte Songs ihrer drei Alben live aufzunehmen – die eine oder andere Überraschung ist natürlich dennoch dabei. Eine erste gibt es gleich als Opener serviert: Das wunderschöne "Set the tigers free", das auf dem Debüt aufgrund der etwas unprominenten mittigen Platzierung in der Tracklist unterzugehen drohte, erfährt hier endlich die ihm zustehende Aufmerksamkeit. Melancholischer kann man einen Einstieg wohl kaum gestalten – sehr viel schöner aber auch nur mit viel Mühe.

Natürlich liegt der Schwerpunkt aber auf den Songs vom letzten Album – fast alle sind hier vertreten. Das zitierte "The soul serene" wirkt hier trotz der besungenen Anonymität in der hässlichen Großstadt noch wärmer als in der Originalversion, "Courage" noch schunkeliger, das sehnsüchtig flehende "Hot scary summer" hingegen etwas zerbrechlicher. "My lighthouse", das einst den Vorhang auf "{Awayland}" öffnete und ohnehin schon äußerst reduziert daherkam, wird hier sogar noch ein wenig mehr entschleunigt und entwickelt dadurch eine vollkommen neue Facette. Dabei offenbart sich vor allem eines: Es ist nicht nur interessant zu sehen, wie sehr sich sich die Sichtweise von O'Brien zum Thema Liebe im Verlauf der drei Alben gewandelt hat, sondern auch, wie sich die einzelnen Stücke durch das Verstärken und Auslassen bestimmter Elemente noch einmal individuell verändern.

Der Titeltrack von "Darling arithmetic", der in seiner ursprünglichen Fassung fast zu liebevoll klingt für seine Thematik, offenbart auf "Where have you been all my life?" seine Traurigkeit in allen Schattierungen. Sie durchzieht jede Silbe in O'Briens Gesang, fast scheint es, als würde er jedes Wort sogar noch einen Hauch mehr betonen als sonst. Ähnlich verhält es sich mit "The waves", das hier eine ganz andere, fast schon gespenstische Dynamik bekommt. Man spürt förmlich, dass O'Brien sich innerhalb der fünfeinhalb Jahre, die seit Erscheinen von "Becoming a jackal" vergangen sind, offensichtlich selbst gefunden hat – und man gönnt es ihm. Auch dank der kleinen Überraschung mit dem verspielten "Memoir", das er einst für Charlotte Gainsbourg geschrieben hat und das bisher nur als B-Seite von "The waves" erschienen ist. Das zaubert glatt ein Lächeln ins Gesicht und hinterlässt zum Schluss nur einen Gedanken: Conor O'Brien, wo hast Du Dich eigentlich unser ganzes Leben lang versteckt?

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Set the tigers free
  • The soul serene
  • Memoir
  • The waves

Tracklist

  1. Set the tigers free
  2. Everything I am is yours
  3. My lighthouse
  4. Courage
  5. That day
  6. The soul serene
  7. Memoir
  8. Hot scary summer
  9. The waves
  10. Darling arithmetic
  11. So naïve
  12. Wichita lineman
Gesamtspielzeit: 54:45 min

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