Unheilig - MTV unplugged: Unter Dampf – ohne Strom (Deluxe Edition)

Vertigo / Universal
VÖ: 11.12.2015
Unsere Bewertung: 1/10
1/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Geboren um zu quälen

Das pathetisch verkündete Ende von Unheilig war nur der Beginn einer sich endlos windenden Abschiedstortur, an dessen Ende nur eines stehen kann: die Wiederauferstehung des Grafen in Form eines Comebacks. Was sich wie ein Schreckensszenario liest, ist letztlich doch die perfekt orchestrierte Marketingstrategie. Denn zu so einem Abschied gehört natürlich die unvermeidliche Best-Of-Platte, die noch unvermeidlichere Tournee durch die großen Arenen, sowie das letzte Studioalbum, neu aufgenommen in der Live-Fassung. Und als wäre all das nicht wirklich schon genug, erscheint nun das "MTV unplugged: Unter Dampf – ohne Strom". Noch einmal greift der Graf in die Portemonnaies seiner Hörerschaft und stopft sich die Taschen voll. Die zwei, drei Jahre bis zur Reunion wollen ja irgendwie finanziert werden, nicht wahr?

Was für ein unheilvoller Blick in die Zukunft, doch in Anbetracht dieses Live-Albums tut auch die Gegenwart höllisch weh. Unheilig klingen ohne Strom so dermaßen schmalztriefend, dass jedem Dorf-Goth mit EMP-Abo der Kajal aus dem Gesicht läuft. Ohne die pseudorockigen Momente präsentieren Unheilig ganz offensiv das, was Kritiker in ihnen schon seit jeher sahen: schlager'esken Edelkitsch für Menschen, die gerne in Arzt-, Berg-, oder Bergarztromanen schwelgen und dabei dem prächtigen "Farbenspiel" von Helene Fischer lauschen. Apropos: Ebenjene konnte der Graf für dieses Unplugged-Album gewinnen, in den Songs "Zeitreise" und "So wie Du warst" gibt sich das ungleiche Duo ein schrecklich-blödes Stelldichein, bei dem einem direkt Tränen in die Augen schießen. Es sind fürwahr keine Tränen der Freude.

Im Wesentlichen tauschen Unheilig den dumpfen Klang ihrer Studioalben gegen eine Wintermärchen-Orchestrierung, die man auf diese Weise auch samstagabends bei Carmen Nebel und Florian Silbereisen vorgesetzt bekommt. Die Streicher werden also großflächig inszeniert und offenbaren im Grunde, wie simpel und trostlos ein durchschnittlicher Unheilig-Song gestrickt ist. Die beiden eröffnenden Songs "Unter Deiner Flagge" und "Mein Berg" sind so dermaßen schnulzig, dass wohl selbst Howard Carpendale, Roland Kaiser und die Crew des ZDF-Traumschiffs vor lauter Wohlklang leichte Übelkeit empfinden müssten. Das dümmliche "Eisenmann" erzählt hingegen eine Frankenstein-artige Geschichte mit den Mitteln Rammsteins. Da wird dann fleißig das teutonische R gerollt, während die Streicher reichlich auf die Tube drücken, um die schiere Dramatik zu unterstreichen. Allein, es hilft nichts: Unheilig klingen wie eine miese Parodie, wie nicht ganz ernst gemeint. Ist hier irgendwo eine versteckte Kamera?

Lyrisch ist das Schaffen Unheiligs ja ohnehin eine einzige Bankrotterklärung. Jeder einzelne Song klingt wie eine schlechte Sammlung strunzdoofer Kalenderweisheiten. Sentimentales reiht sich da an Weinerliches, zwischendurch darf der Graf aber auch mal glücklich über Blumenwiesen stolpern, Hand in Hand mit Everybody's Helene, seiner toughen Mitstreiterin: "Hab' keine Angst / Ich bin da für Dich / Halte Deine Hand / Und erinner mich: Wohin sind die Jahre? / Und die Tag des Glücks? / Sie flogen vorbei / Ich halte Dich fest und schaue zurück." Ernstgemeinte Frage: Was sagt der Flori dazu? Später, gegen Ende dieses Albums – wenn man also schon völlig mürbe ist – haut der Graf noch einen raus: Sein Cover des Hildegard-Knef-Klassikers "Für mich soll's rote Rosen regnen" ist vielleicht der einzige halbwegs erträgliche Moment dieser eineinhalbstündigen Qual. Der Rest bleibt anatomisch inkorrekt: Eine Wurzelbehandlung für die Ohren.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

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Tracklist

  • CD 1
    1. Unter Deiner Flagge
    2. Mein Berg
    3. Freiheit
    4. Sage ja
    5. Astronaut
    6. Einer von Millionen
    7. Herz aus Eis
    8. An Deiner Seite
    9. Eisenmann (feat. Schandmaul)
    10. Glück auf das Leben
    11. Mein Stern
  • CD 2
    1. Zeitreise (feat. Helene Fischer)
    2. So wie Du warst (feat. Helene Fischer)
    3. Lichter der Stadt
    4. Die Weisheiten des Lebens
    5. Wie in guten alten Zeiten
    6. Goldene Zeiten (feat. Cassandra Steen)
    7. Geboren um zu leben (feat. Cassandra Steen)
    8. Große Freiheit
    9. Der Vorhang fällt
    10. Für mich soll's rote Rosen regnen
    11. Zeit zu gehen
Gesamtspielzeit: 96:03 min

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