Clara Luzia - Here's to Nemesis

Asinella / Broken Silence
VÖ: 09.10.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Gedichte in Moll

Es mag einem schwer im Magen liegen, wenn Clara Luzia singt: "I wanna be a shipwreck in the sea / I wanna be part of the billion." Angesichts der Nachrichten in den vergangenen Monaten ist es schwierig, die Zeilen nicht auf Flüchtlinge zu beziehen. Aber dann geht es weiter mit "a plankton in the sea." Und schon hat der Text etwas fast Romantisches. Etwas Melancholisches auch, denn das Lied erzählt die Geschichte der "loneliest creature / ... / The one amongst billions."

Diese Vieldeutigkeit scheint durchaus gewollt. Clara Luzia konfrontiert Hörerinnen und Hörer auf ihrem sechsten Album "Here's to Nemesis" mit sehr straighten Texten, die zunächst eine Lesart ganz besonders nahelegen, ohne sie aufzudrängen. Sie sind nie platt oder moralisierend und lassen deshalb auch immer andere Deutungen zu. Jeweils sind sie aber Nadelstiche, mal größer, mal kleiner. Manche erzählen Geschichten. "As long as we get by" berichtet zum Beispiel von Karen, Frances und Maria: "Maria thinks this life has been quite fair / Though the rape is something she can hardly bear." In "This house" sagt Clara Luzia nicht einfach "ich liebe Dich." Sie sagt: "This house is on fire when you're not around." Nur, um am Ende zu beschreiben, wie das Haus zusammenstürzt.

Durch solche lyrischen Bilder werden die Texte zu Gedichten. So unterschiedlich die Situationen auch sind, die sie verarbeiten, an allen klebt das Moll, wie der Kaugummi am Schuh. Selbst wenn sie, wie in "Magic", den Menschen gefunden hat, der ihr den Glauben an das Leben wiedergibt, fällt Clara Luzia das Jubilieren schwer. Unsicherheit schwingt in der Stimme mit. Umso roher und stärker sind die Instrumente. Mehr noch als auf den vorigen Alben konzentriert sich Clara Luzia auf Gitarre, Bass und Schlagzeug und lässt sie immer wieder über die Refrains hereinbrechen. Im Gesang lässt sie sich dann von der Wucht mitreißen. Wie das geht zeigt sich so gut bei "West coast", einer Coverversion des Lana-Del-Rey-Songs. Was beim Original noch etwas verspielter, mit Effekten und Hall getunt daher kommt, ist bei Clara Luzia stark auf Gesang und Text reduziert. Gitarre und Schlagzeug bilden die Kulisse für verschiedene Stimmungen: Die Unsicherheit, ob sie dem Freund vertrauen kann, die Verletzlichkeit, weil sie in ihn verliebt ist, der Ärger über die Oberflächlichkeit in der Konsumgesellschaft an der sonnigen West Coast und der Wunsch, sich den vorgegebenen Rollen zu widersetzen.

Das Lied bekommt damit etwas sehr Nachdenkliches, so wie auch das ganze Album durchzogen ist von einer tiefen Nachdenklichkeit angesichts der vielen unverständlichen Dinge, die sich in unseren Tagebüchern und Nachrichten wiederfinden. Clara Luzia findet auf "Here's to Nemesis" berührend eindrückliche Bilder und hat sie in zehn starke Lieder gepackt.

(Kerstin Petermann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Frowned upon
  • As long as we get by
  • This house
  • Shipwreck

Tracklist

  1. Cosmic bruise
  2. The drugs do work
  3. Frowned upon
  4. Fat yellow moon
  5. Wounds & scars
  6. As long as we get by
  7. West coast
  8. Magic
  9. This house
  10. Shipwreck
Gesamtspielzeit: 36:38 min

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Armin

2015-10-28 21:19:02

Frisch rezensiert!

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