
U.S. Girls - Half free
4AD / Beggars / IndigoVÖ: 25.09.2015
Die Salzstreuerin
Nach zwei, drei Durchläufen schien der Fall klar: Sommerhit. Denn was könnte besser passen zur warmen Jahreszeit als der infektiöse Ragga-Groover "Damn that valley"? Glaubt man dem Bandnamen, zudem interpretiert von ein paar womöglich leicht bekleideten Mädels, die sich inmitten des sonnigen kalifornischen Längstals scheinbar – denn wer hört schon immer ganz genau hin – über Alltag, Männer und andere Luxusproblemchen auslassen? Aber Achtung: gefährliche Halb- bis Viertelwahrheit. Sicher handelt es sich um einen zwischen Lo-Fi und wogendem elektronischem Pop changierenden Volltreffer, der wie geschaffen ist zum gepflegten Twerken – ganz und gar unsonnig nimmt es sich hingegen aus, wie nicht etwa mehrere Girls, sondern lediglich die nach Toronto übergesiedelte Amerikanerin Meg Remy darin das Klagelied einer durch den Afghanistan-Einsatz ihres Mannes zur Witwe gewordenen Frau singt und so auch die Befindlichkeiten einer kriegsmüden Nation widerspiegelt. Man sieht: So einfach ist das alles doch nicht.
Dabei bearbeitet Remy solche Themen jedoch erstaunlich leichtfüßig. Geholfen hat ihr bei diesem Unterfangen Max Turnbull, der nicht nur ihr Ehegatte ist, sondern unter dem Alias Slim Twig ebenfalls Musik veröffentlicht. Dabei ist es mit den "Sororal feelings" im zunächst neben sich her torkelnden und dann eine wacklige Hymne anstimmenden Opener nicht allzu weit her, da die Moral schließlich "I'm gonna hang myself from the family tree" lautet. Doch zum Glück hat Remy eine Schwägerin, mit der sie zwischendurch in einem Telefon-Skit Albernheiten austauscht und die darauf pocht, sie sei alles andere als eine "woman with no self-esteem". Folglich ist der Ansatz von "Half free" zwar ein feministischer, aber auch ein unverkennbar humanistischer: Das psychedelische, die schwülen Momente von Blondies "Rapture" bemühende "A woman's work" bezieht sich sowohl auf die Plastikwerdung der Frau per Schönheitschirurgie als auch auf prekäre Arbeitsverhältnisse per Sexismus, und der Albumtitel stellt klar: Selbstbestimmung ist relativ, und im Normalfall hat man gerade genug Freiheit, dass es nicht langweilig wird.
Letzteres gilt auch auf Remys circa siebtem Album – bei Split-Releases und CD-Rs in der Diskografie nicht immer ganz einfach zu sagen – und ihrem auf jeden Fall ersten für 4AD, das ähnlich eklektisch zu Werke geht wie das britische Qualitätslabel. Da macht das hinreißende "Window shades" keinen Hehl aus seiner Seufzerballaden-Herkunft, wirft Jim-Steinman-Pianos auf ein heißes Blechdach, hantiert mit schmierig-keckem Saxophon und meisterlichen Streichersätzen und wäre auch auf Lauryn Hills 1998er Solo-Debüt nicht fehl am Platze gewesen. Das synthetisch flirrende "New age thriller" führt danach Noise-Schocks ein, und "Sed knife" droht gar mit Stromgitarren die Garage in die Luft zu sprengen. Und so bleibt Remy stets unwägbar bis abenteuerlich, streut Salz in gesellschaftliche Wunden und verdeutlicht, dass man im Kampf gegen die Unbill des Daseins mindestens so viele Tricks wie U.S. Girls musikalische Kniffe auf der Pfanne haben sollte. Denn genau so entstehen funkelnde kleine Wunderwerke wie "Half free".
Highlights & Tracklist
Highlights
- Damn that valley
- Window shades
- Woman's work
Tracklist
- Sororal feelings
- Damn that valley
- Telephone play no. 1
- Window shades
- New age thriller
- Sed knife
- Red comes in many shades
- Navy cream
- Woman's work
Im Forum kommentieren
Dieses Album
2017-10-05 17:54:37
SUCKT und zwar gewaltig.
humbert humbert
2017-10-05 17:09:21
Neues Lied & wohl bald auch neues Album.
humbert humbert
2016-05-12 11:40:39
Zu einem der besten Tracks gibt es jetzt auch ein Musikvideo. Das Album kann man zur Abwechslung mal zwischen einem der unzähligen A-moon-shaped-pool-Durchgänge einschieben.
saihttam
2016-01-02 14:40:00
Ganz geil teilweise. An die keifende Stimme muss man sich etwas gewöhnen, aber dafür entfacht es auf seine eigene Weise schon ganz guten Pop-Appeal .
Armin
2015-09-30 21:45:11
Frisch rezensiert auf Plattentests.de!
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