Slayer - Repentless

Nuclear Blast / Warner
VÖ: 11.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Abgedroschen

Nein, übermäßig positiv waren die Schlagzeilen nicht, mit den Slayer in den letzten Jahren von sich reden machten. Vor allem das Jahr 2013 sollte die wohl größte Zäsur im Hause der kalifornischen Thrash-Pioniere darstellen. Denn zuerst wurde Dave Lombardos Drumhocker mit reichlich Getöse vor die Tür gesetzt – offenbar war Bandchef Kerry King nur mäßig begeistert über Lombardos öffentliches Mitteilungsbedürfnis über Vertragsangelegenheiten. Und nur wenige Monate später wurde Mitgründer Jeff Hanneman endgültig Opfer seines jahrelangen Alkoholmissbrauchs. Tragisch, dass sich der Suff stärker erwies als der Mann, der für die ganz besonderen Klassiker der Band wie "Angel of death" verantwortlich zeichnete. Das einzig Positive in dieser Situation war, dass schnell Ersatz bei der Hand war, und zwar in Person von Paul Bostaph – der bekanntermaßen schon einmal für Lombardo eingesprungen war – sowie von Gary Holt, dessen Riffs schon immer den gewissen technischen Unterschied bei den Kollegen von Exodus ausmachten.

Inbesondere letztere Personalie ist anscheinend Grund genug für Sprachrohr King, im Vorfeld von "Repentless", der ersten Platte seit sechs Jahren, mächtig auf dicke Hose zu machen. Angesichts nicht eben seltener eher gelangweilter Auftritte in den letzten Jahren eine durchaus gewagte Haltung, das sei nur am Rande bemerkt. Doch dann prügeln, ach was, massakrieren Slayer nach düsterem Intro den Titeltrack durch die Boxen, und alles ist vergessen. Was für ein Opener, von Bostaph erbarmungslos, wenn auch ohne Lombardos spielerische Finesse nach vorne gedroschen, Frontmann Tom Araya brüllt wie am Spieß, als sei er wieder Anfang 20 – "Repentless" bereitet das Feld wie selten in der jüngeren Verhangenheit. Zumal der neue Produzent Terry Date der Band einen transparenten, aber dennoch satten Sound verordnet hat.

Überhaupt ist Arayas Performance durchaus überraschend. Optisch mehr und mehr an eine Mischung aus Jesus und einem gütigen Opi erinnernd, versucht sich der gebürtige Chilene wie bei "Vices" bisweilen gar an Ansätzen von Melodien, ohne auch nur einen Funken Aggression dabei einzubüßen. Und genau das verleiht gerade "Vices" die Extraportion Gift, die eindrucksvoll zeigt, dass Brutalität und reduziertes Tempo einander nicht ausschließen, sondern perfekt ergänzen. Dazu zeigen sich Gary Holt und Kerry King als eingespieltes Doppel an der Gitarre, das nur darauf wartet, wie im mörderisch riffenden "Chasing death" endlich von der Kette gelassen zu werden.

Ein bisschen Wehmut kommt allerdings doch noch auf. Denn die Grundzüge des großartigen "Piano wire" stammen aus dem Fundus von Jeff Hanneman. Und unweigerlich taucht die Frage auf, wie denn nicht nur der Song, sondern die ganze Platte hätte klingen können, wäre ebendieser noch dabei. Denn mitunter, wie in "Atrocity vendor" oder "Implode", hätte das ein oder andere King-Riff eines Korrektivs bedurft. Das soll die Qualität nicht schmälern, doch die größten Momente hat das Songwriting-Duo King / Hanneman eben aus dieser gegenseitigen Inspiration bezogen. Fairerweise ist das allerdings Jammern auf hohem Niveau. Die anfängliche Skepsis nämlich, "Repentless" könnte ähnlich mäßig inspiriert sein wie die ein oder andere Live-Show der letzten Jahre, löst sich in Wohlgefallen auf. Mehr noch: Slayer haben tatsächlich aus der Not eine Tugend gemacht, die Trauer um Hanneman und den Frust um Lombardo eindrucksvoll kanalisiert. Und mit "Repentless" eine Platte geliefert, die in dieser Form nicht zwingend zu erwarten war. 32 Jahre nach dem Debüt "Show no mercy" zeigen Slayer keinerlei Anzeichen von Altersmilde. Gut so.

(Markus Bellmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Repentless
  • Vices
  • Piano wire

Tracklist

  1. Delusions of savior
  2. Repentless
  3. Take control
  4. Vices
  5. Cast the first stone
  6. When the stillness comes
  7. Chasing death
  8. Implode
  9. Piano wire
  10. Atrocity vendor
  11. You against you
  12. Pride in prejudice
Gesamtspielzeit: 41:57 min

Im Forum kommentieren

Given To The Rising

2020-05-10 12:19:14

Für mich sind politisch rechte Aussagen schwerwiegender als irgendwelche triebgesteuerten Gewaltdelikte. Wenn der Künstler unpolitisch oder konservativ ist und das nicht weiter an die große Glocke hängt, ok, aber wenn politisch Linke oder Linksliberale beleidigt werden, ist er unten durch. Neurosis sollen ja auch mal eher konservativ gewesen sein und bei Alcest weiß man um ihre NSBM.Vergangenheit. Entscheidend ist aber, was sie jetzt sagen. Kid Rock, Ted Nugent, Morrissey, Kanye...können mir alle gestohlen bleiben.

Affengitarre

2020-05-10 11:41:32

Sehe es auch wie ihr, solange die Ansichten nicht in die Musik reinspielen, kann ich da in der Regel differenzieren. Die angenehmsten Zeitgenossen sind das sicher nicht.

doept

2020-05-10 02:43:41

Ich hoffe das solche Verfehlungen entsprechend verfolgt und verurteilt werden, dann steht der oder diejenige halt nicht mehr auf der Bühne sondern sitzt im Knast.
Zuviel trinken: Naja, überlass ich jedem selber. Falls er/sie im Suff jemanden was antut: Siehe Anfang des Posts.

Freien Leute unterstelle ich generell dass sie frei und unschuldig sind.
Und wie gesagt, politische Einstellug ist mir egal solange eben nicht zum Steinewerfen, diskriminieren oder schlimmeren aufgerufen wird. Wenn das der Fall wäre hätte ich ein Problem, die meisten anderen Fans einer Band hoffentlich auch.

Given To The Rising

2020-05-10 02:30:54

"Naja, wie gesagt: Private Interessen sind mir egal, sofern jemand nicht extrem radikale Ansichten offen vertritt.
Und Trump (und seine Anhänger) sind zwar sicherlich nicht die hellsten Sterne, aber zumeist auch keine Extremisten."
Für dich ist man wohl erst Extremist, wenn man Steine schmeißt. Wenn einer seiner Frau was angetan hat, zu viel trinkt oder in Schlägereien verwickelt war, das sind private Verfehlungen. Die politische Einstellung ist öffentlich, zumal sie veröffentlicht wurde.

doept

2020-05-10 02:16:32

Naja, wie gesagt: Private Interessen sind mir egal, sofern jemand nicht extrem radikale Ansichten offen vertritt.
Und Trump (und seine Anhänger) sind zwar sicherlich nicht die hellsten Sterne, aber zumeist auch keine Extremisten.

Habe auf Platten oder Konzerten von Tom und dem Rest der Band (Jeff Hannemann wurden ja auch gerne rechte Tendenzen unterstellt) keine politischen Aussagen gehört, insofern passt das für mich.

Und die persönlichen InstaTwittFace Seiten von Musikern: I don't care. Habe ich echt besseres zu tun als die zu verfolgen.

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