Grave Pleasures - Dreamcrash

Columbia / Sony
VÖ: 04.09.2015
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Trinkt weniger Milch!

Wir von Plattentests.de trinken ja bekanntlich kein Bier. Nur einmal im Jahr wird sich auf der Weihnachtsfeier mächtig einer hinter die Binde gekippt – und der Chef bezahlt. Richtig so. Warum wir ansonsten abstinent bleiben? Natürlich wegen der verheerenden Spätfolgen, aufgrund derer gerade die Älteren in der Redaktion am nächsten oder gar übernächsten Tag zu nichts zu gebrauchen sind. Beastmilk aus Finnland sahen das ähnlich und hatten sich darum einen passenden Bandnamen zugelegt: gesundes Laktose-Gesöff statt ruinöser Gerstensaft. Okay: Für die Wahl könnte auch ausschlaggebend gewesen sein, dass Alkoholika in Skandinavien gegen unbezahlbar tendieren. Doch jetzt ist all das ohnehin egal: Beastmilk gibt es nicht mehr. Trotzdem muss keiner traurig sein – und allenfalls die Milchvorräte in den Ausguss kippen.

Das Zeug hat nämlich neben seiner nicht-berauschenden Wirkung einen entscheidenden Nachteil: Es ist weiß. Und will folglich nicht so recht zu räudigem, düsterem Punk 'n' Roll passen – weder bei Beastmilk noch beim rechtmäßigen Nachfolger Grave Pleasures, der genau dort ansetzt, wo sein Vorläufer mit "Climax" endete. Immerhin: Sänger Mat "Kvohst" McNerney und Bassist Valtteri Arino bilden nach wie vor das Rückgrat der Band und verstehen sich offenbar prächtig mit den neuen Mitmusikern. Vor allem mit Linnéa Olsson, die weder verwandt noch verschwägert und erst recht nicht identisch mit der gleichnamigen schwedischen Singer-Songwriterin ist, sondern auf "Dreamcrash" die akzentuiertesten Gitarren zwischen Death-Rock, Post-Punk und Heavy-Duty-Metal braten lässt, die man nüchtern nur spielen kann.

Doch was wissen wir schon? Vielleicht ist die Black Box auf dem Cover ja ein Sinnbild für den schweren Kopf am Morgen nach dem Absturz – und genauso unzugänglich wie das menschliche Erinnerungsvermögen, in dem verborgen liegt, wie sehr man sich letzte Nacht wohl danebenbenommen hat. Doch Grave Pleasures und der Hörer müssen da jetzt durch. "I am an alien on my own planet", lässt McNerney im Opener "Utopian scream" wissen – und seine Band dazu mit fett groovenden Drums und frenetisch rotierenden Riffs ein so furioses Brett vom Stapel, dass Urschreitherapie zur ernstzunehmenden Alternative wird. Der "New hip moon" ist schließlich auch schon voll – mit abwechselnd krachenden Stakkato-Parts, dunkel glühenden Zwischenspielen und verzweifelt johlender Stimme: "But I know bitter tears will fall / When the intoxication grows." Na dann prost.

Liest sich dreckig, klingt noch speckiger – und in der Tat kann auch das unheilvoll kreisende "Lipstick on your tombstone" samt rührend pflichtbewusstem Songtitel nicht verhehlen, dass von Post-Punk im ursprünglichen Sinne auf "Dreamcrash" nicht mehr allzu viel übrig ist. Lieber tauchen Grave Pleasures ein ums andere Mal in die schmutzigen Fluten metallischer Uptempo-Sümpfe ab, wo bereits die "Crying wolves" warten und "Taste the void" die einzige Geschmacksrichtung ist, und machen gegen Ende sogar einem "Girl in the vortex" schöne Augen, sofern sie diese überhaupt noch aufbekommen. Joy-Division-Freunde können sich zum Schluss wenigstens am herrlich sehnig-tighten Flitzer "No survival" erfreuen – und konstatieren, dass McNerney, Arino und Kollegen hiermit ein großartiger neuer Anfang geglückt ist. Man muss ja nicht gleich Bier darauf trinken.

(Thomas Pilgrim)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • Utopian scream
  • New hip moon
  • Lipstick on your tombstone
  • No survival

Tracklist

  1. Utopian scream
  2. New hip moon
  3. Crying wolves
  4. Futureshock
  5. Crisis
  6. Worn threads
  7. Taste the void
  8. Lipstick on your tombstone
  9. Girl in a vortex
  10. Crooked vein
  11. No survival
Gesamtspielzeit: 43:57 min

Im Forum kommentieren

noise

2015-09-06 21:21:59

Konnte leider noch nicht viel hören. Aber mir gefiel "Beastmilk" - bis auf die Produktion - besser. Schade, dass es da wohl Unstimmigkeiten in Sachen Künstlerische Ausrichtung gab und sich dadurch "Grave Pleasures" gründete.

The Mick

2015-08-26 09:58:38

Gute Band, fast ein wenig besser als Beastmilk.

Armin

2015-08-25 21:50:19

Frisch rezensiert!

Meinungen?

Armin

2015-07-22 22:49:48

Werte Kollegen,
die famosen Grave Pleasures haben das erste Video 'Crying Wolves' des kommenden Albums 'Dreamcrash', das am 4. September erscheinen wird, veröffentlicht:
http://www.vevo.com/watch/grave-pleasures/Crying-Wolves/DEC691500604

Ich würde mich sehr freuen, wenn ihr darüber berichten würdet.

Über Grave Pleasures:
Entstanden aus den Trümmern von Beastmilk – der Band, die mit ihrem gefeierten Debütalbum ‘Climax’ 2013 sowohl Indie Kids, Goths, Punks als auch die Musikpresse begeistern konnte – gehen Grave Pleasures einen Schritt weiter in Richtung Apokalypse. Und dieses Mal werden sie persönlich.

Grave Pleasures sind Sänger/Komponist Mat 'Kvost' McNerney (Hexvessel), Bassist Valtteri Arino, Gitarristin/Komponistin Linnéa Olsson (The Oath, Sonic Ritual), Drummer Uno Bruniusson (In Solitude, Procession) – und Live-/Studio-Gitarrist Juho Vanhanen (Oranssi Pazuzu).

„Mich beschäftigt der endgültige Niedergang unserer Träume“, kommentiert Mat McNerney das Grundthema des Albums. „Diese fiebrige, rauschhafte und hemmungslose Musik zu entfesseln, legt intensive Emotionen frei. Wir nähern uns mehr und mehr dem Geist dessen an, was diese Band von Anfang an ausdrücken sollte, und berühren dabei zentrale Nerven. Jetzt geht es unter die Haut, unter das Fleisch.“

Grave Pleasures auf Tour:
23.09. Lido, Berlin
24.09. Reeperbahn Festival, Hamburg
25.09. Luxor, Köln
26.09. Hellraiser, Leizig
27.09. Feierwerk, München
01.10. Das Bett, Frankfurt
02.10. Im Witzemann, Stuttgart

Armin

2015-06-18 20:41:26

Studio-Video:
https://www.youtube.com/watch?v=05TyGLSjJho

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Spotify

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv

Threads im Forum