The Fratellis - Eyes wide, tongue tied

Cooking Vinyl / Indigo
VÖ: 21.08.2015
Unsere Bewertung: 4/10
4/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Kein Sommermärchen

Und der Prophet sprach: Macht Euch auf die nächste große Nostalgiewelle gefasst. Sie wird in etwa einem Jahr unter dem Oberbegriff "10 Jahre Sommermärchen" über uns hereinbrechen. Quer durch alle Medien werden die Bilder zu sehen sein von Lahms Sonntagsschuss im Eröffnungsspiel und Kloses Ausgleich gegen Argentinien, und in so ziemlich jeder deutschen Fußgängerzone werden Durchschnittsbürger die Frage beantworten müssen, wo sie waren, als Odonkor in der Nachspielzeit auf Neuville flankte. War ja auch wirklich ein toller Sommer damals. Für viele Musikhörer mit guten Verbindungen nach Großbritannien gehörten The Fratellis zum anschließenden Post-WM-Blues fest dazu. "Costello music", das immer noch großartige Debütalbum der Schotten, schaffte es zwar erst zum Jahreswechsel 2007 auf den deutschen Markt. Im Vereinigten Königreich schlugen "Henrietta", "Chelsea dagger" oder "Flathead" aber schon weitaus früher ein. Unter dem Nostalgie-Aspekt kann es für The Fratellis daher nur von Vorteil sein, dass ihr viertes Album "Eyes wide, tongue tied" schon jetzt erscheint und nicht nächstes Jahr.

Denn im direkten Vergleich kann das neue Machwerk nur verlieren – Nostalgiewelle hin oder her. Von der räudigen Pub-Punk-Energie, die das Debüt auszeichnete, ist mittlerweile so gut wie nichts mehr übrig. "Eyes wide, tongue tied" kommt vielmehr reichlich zahnlos und bieder daher. Wo früher die Gitarren laut bratzten und die Texte keine Zweideutigkeiten scheuten, wird nun gemächlich im Midtempo geschunkelt wie im Opener "Me and the devil". Das folgende "Little impostors" watet knieftief im Country, während "Desperate guy" mit etwas rauerer Stimme auch von Chris Rea stammen könnte. "Thief" rumpelt uninspiriert vor sich hin und kupfert in der Strophe darüber hinaus dreist beim "Ghostbusters"-Titelsong ab. Ganz offensichtlich haben die Schotten keine Lust mehr, ihr Publikum zum Pogo zu bitten. Das ist ihr gutes Recht. Zudem kann man einwenden, dass sich schon der Zweitling "Here we stand" ein Stück weit vom rotzigen Rocksound der Frühphase löste. Damals sprühten die Songs aber noch vor Elan. Heute hingegen ziehen sich die dreieinhalb Minuten des softrockigen "Rosanna" auf die gefühlt doppelte Länge. Es fehlen die zündenden Ideen. Dienst nach Vorschrift anstatt Spaß am Abgehen.

Natürlich gibt es auch auf "Eyes wide, tongue tied" noch Augenblicke, die andeuten, warum The Fratellis einst so viel Freude bereiteten. "Baby don't you lie to me" legt die unbekümmerte Energie an den Tag, die vielen anderen Songs fehlt, während "Getting surreal" mit leicht psychedelischer Schlagseite punktet. Und zumindest stellenweise kann sich Jon Fratellis Stimme noch zu dem Biss aufraffen, der einst sein Markenzeichen war. Doch die gelungenen Momente können nicht kaschieren, dass The Fratellis 2015 weitaus weniger aufregend klingen als noch anno 2006. Genauer gesagt klangen sie noch nie so langweilig. Im August 2025 ist eher mit keiner Nostalgiewelle zum zehnjährigen Jubiläum dieses Albums zu rechnen. Dann doch lieber die Erinnerung an Odonkors Flanke auf Neuville. Wo war ich da eigentlich?

(Mark Read)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Baby don't you lie to me

Tracklist

  1. Me and the devil
  2. Impostors (Little by little)
  3. Baby don't you lie to me
  4. Desperate guy
  5. Thief
  6. Dogtown
  7. Rosanna
  8. Slow
  9. Getting surreal
  10. Too much wine
  11. Moonshine
Gesamtspielzeit: 43:42 min

Im Forum kommentieren

Ann Merkel

2015-08-09 10:49:25

Die Blues Brothers waren ebenfalls keine echten Brüder.

Klassisches One-Hit-Wonder

2015-08-09 04:40:47

De dede, de dede, de dede dede dede.

lego

2015-08-04 00:56:25

ich find's blöd, wenn der großteil einer rezension die geschichte der band bemüht und auf die direkte entwicklung zwischen drittem und viertem album überhaupt nicht eingegangen wird.

die rezension startet mit so einem dermaßen aus der luft gegriffenenen aufhänger und davon abgeleitet hangelt sich ein unfassbar dünner roter faden schwer keuchend ins ziel und versucht vergleiche anzustellen, die absolut sinnfrei sind.

ganz ehrlich, selbst wenn the fratellis noch zwanzig jahre lang musik machen sollten, wird es doch immer noch deppenrezensenten geben, die bei jedem neuen album dann sagen... "joah, kein chelsea dagger dabei. früher waren sie echt besser".

vielleicht hätte der rezensent mal lieber die rezi zum dritten album lesen sollen, besonders den schlusssatz, da hieß es nämlich...

Und immerhin hat man auch nach einigen Monaten mehr als einen Song noch nicht vergessen, immerhin sind The Fratellis inzwischen weit mehr als "De dede, de dede, de dede dede". Da kann man doch drauf aufbauen.

...dann hätte er sich nicht so eine einfallslose 'story' erlaubt.

Armin

2015-06-01 22:06:37

Inspiriert von der kalifornischen Sonne laufen die Schotten zu Höchstform auf!

Liebe Freunde, liebe Medienpartner,

es heißt, Höhenangst ist nicht unbedingt die Angst vorm Fallen, sondern eher die Angst vor dem Wunsch zu springen. Jon Fratelli hat allerdings keine Angst. Mit ihrem neuen Album „Eyes Wide, Tongue Tied“ springen The Fratellis ohne Scheu von den schwindelerregenden Höhen, die sie durch ihre letzten drei Alben (zwei davon in den UK Top 5), einem Brit Award, vier ausverkaufte Shows in der Brixton Academy und unzählige ausverkaufte Shows weltweit, erreichten. Eine Zen-artige Ruhe verströmend breitet Jon Fratelli die Arme im freien Fall aus, lässt sämtlichen Ballast hinter sich, versteht sich dabei besser als je zuvor mit seinem Bandkollegen und genießt das Spielen von Konzerten mehr denn je. Und das merkt man.

„Eyes Wide, Tongue Tied“ klingt nach Freiheit. Es ist der Sound einer Band auf dem Höhepunkt ihrer Kräfte. Ein berauschender Trip, eine Mischung aus Fliegen und Fallen. Hört man das Album, vom eindringlichen Opener „Me And The Devil“ bis hin zur eleganten Landung mit dem Abschluss-Track „Moonshine“, wird offensichtlich, dass The Fratellis die Verkörperung der Maxime „Spring und das Netz wird erscheinen“ sind. „Eyes Wide, Tongue Tied“ ist ein Album, das vor Selbstsicherheit und Verve gerade so trieft.

Nach ihrem 2013 erschienenen Album „We Need Medicine“ tourte Jon Fratelli (Gitarre / Gesang) mit seinen Kollegen Barry Fratelli (Bass) und Mince Fratelli (Drums) ein komplettes Jahr um den gesamten Erdball. Im Anschluss daran verließen sie sofort wieder ihre Heimat Glasgow und schlugen ihre Zelte in Los Angeles auf, um dort mit Tony Hoffer (u.a. M83, Depeche Mode, Belle & Sebastian) an ihrem vierten Album zu arbeiten. Hoffer war unter anderem auch für die Produktion ihres Debüts „Costello Music“ zuständig.

Mit Hoffer im Rücken, konnten die Schotten loslassen und waren wie befreit. Der Genuss nur zum Spaß Musik zu spielen war wieder da. Anfangs gab es die Idee, das Album selbst zu produzieren jedoch als Hoffer mit ins Boot kam, wurde das gesamte Material bis auf zwei Songs in den Wind geschossen und innerhalb von vier Wochen wurde das gesamte Album geschrieben und aufgenommen. Dabei genossen The Fratellis in dieser Zeit die Möglichkeiten die sich in Sachen Instrumentierung dank Hoffer auftaten, auf die sie selbst niemals gekommen wären.

Der einzigartige Glanz des kalifornischen Sonnenlichtes scheint das ganze Album zu durchdringen und die Band fühlte sich herausgefordert, ein Album zum produzieren, welches repräsentiert, was sie am besten können. Im Zentrum von „Eyes Wide, Tongue Tied“ findet man die fröhliche, energiegeladene Soul-Reminiszenz ihres 2006er Debüts – lebendig, verspielt und voller Geschichten und Charaktere, die den Spirit von LA (dem ersten Ort außerhalb Schottlands, den Jon Fratelli je besuchte) atmen. Mit klar erkennbaren Zuwendungen zu 70er Cali-Rock, Rockabilly und Spuren von Amerikana und Country Elementen, ist es zusammengefasst eine großartige Rückkehr zu den Wurzeln beider Orte: Schottland und LA.

„Eyes Wide, Tongue Tied“ glänzt dabei mit einer Vielzahl an herausragenden Songs: Das stampfende „Baby Don’t You Lie To Me!“, die schwindelerregenden Riffs von „Getting Surreal“ und „Thief“ die alle große Refrains haben und perfekt für Liveshows sind. „Dogtown“ brilliert mit seinen schrillen Bläser-Einsätzen und dem funkigen Bassspiel und klingt dabei so, wie ein junger Früh-Siebziger Stevie Wonder, der „Come Together“ von The Beatles covert. Dagegen bescheren die sanft driftenden Klangebenen von „Moonshine“ reflektiertes und souveränes Ende. Somit gilt: Entspannen und sich voll auf „Eyes Wide, Tongue Tied“ einlassen, das Netz wird erscheinen.

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