Brian Lopez - Static noise
India / Rough TradeVÖ: 17.04.2015
Eine Piñata voller Pomp-Rock
Obacht, werte Leserinnen und Leser, wenn Sie sich derzeit ebenfalls wundern, warum Muse in ihrem neuen Musikvideo in Mehl herumhampeln und ob es nicht doch noch guten, multi-instrumentellen oder – nennen wir es vereinfacht – pompösen Rock gibt, dann haben wir hier das, genauer, den Richtigen: Brian Lopez. Der kann noch höher singen als Matthew Bellamy, also Antony-Hegarty-hoch, und klingt dennoch nicht artifiziell oder nach einem überdramatischen Möchtegern.
Allerseits Wertschätzung entgegneten Kritiker dessen Debüt von 2011, im Pop-Tagebuch (damals noch bei der FAZ) kürte Eric Pfeil jenes "Ultra" zu einer der besten Platten des Jahres. Wie verwunderlich dieser retro-psychedelische Kammerpop für sich ist, so verwunderlich bleibt, dass er irgendwo unter dem Radar von Plattentests.de verschwinden konnte. Gelten gerade Bands aus Lopez' Heimat, der Wüstenmetropole Tucson (Arizona), als beflissene Vertreter des Americana mit leichtem Hang zu lateinamerikanischen Klang-Intermezzi, etwa Calexico oder Giant Sand (mit denen Lopez derzeit tourt). Mit "Static noise" entfernt sich der 31-jährige Lockenschopf hiervon, er übertönt solch eine genrefesselnde Abstammung mit, ja, Pomp und Rock. Für den Pomp sind die von Sean Slade arrangierten Streicher und Bläser zuständig, der bereits bei Radiohead und The Dresden Dolls involviert war. Stuart Sikes betreute die sehr ausgewogene Abmischung der Rock-Gitarren, was ihm schon bei The White Stripes gelungen ist.
"Mercury in retrograde" baut anfangs die tranceartige Atmosphäre für alle zwölf Stücke auf, bevor der scheppernde Bass in die akustische Ballade im Lied trägt. Wer gegen solche Schwenker innerhalb von Songs nicht gefeit ist, dem wird sich Lopez' Album nicht erschließen. Sein selbstauferlegtes Mantra fordert möglichst kraftvolle Songs, beispielsweise gitarrenlastig in "Modern man". "She's not there", den Zombies-Hit von 1964, interpretiert Lopez als eine eigensinnige Rock-Variante, die die lauten Zwischenspiele der E-Gitarre zentriert. Die so wichtigen psychedelischen Einspieler stammen von rückkoppelnden Verstärkern oder dem "Phasing", einer Spielmethode, bei dem zwei Instrumente ihre Motive wiederholen, bis sich eine Spur im Tempo nach und nach von der anderen entfernt. In den 90ern haben Radiohead dergestalt perfektioniert, gleiches in "World unknown" zu einer zittrig-wehleidigen Lopez-Kopfstimme.
Mit spärlicher Instrumentierung gelingt in "When I was a mountain" und "Goodnight" mehr Pathos, als manch eine opulente Ausgestaltung jemals bieten könnte. Wahrer Pomp lebt nicht vom großen Drumherum. Lopez' Timbre ragt noch einmal im Titelstück heraus, wenn er despektierlich wird: "The world ends and you're alone / Dancing fragments under your control / It's just like in movies / It's placed and scripted for the big scene." Im dazugehörigen Video sitzt Lopez alleine vor einem Bildschirm, der ihn elektrostatisch berieselt, entsprechend der popkulturell ikonischen Fotografie "Blown-away man" (1978) von Steven Steigman. Wegfegen mit Bombast kann jeder. Darauf lässt sich Lopez aber erst garnicht ein. Nehmt das, Ihr Mehlwürmer!
Highlights & Tracklist
Highlights
- Mercury in retrograde
- She's not there
- Static noise
- World unknown
Tracklist
- Mercury in retrograde
- Modern man
- Wrong or right
- Glass house
- When I was a mountain
- She's not there
- Static noise
- Crossfire cries
- World unknown
- I don't
- Persephone
- Goodnight
Im Forum kommentieren
Demon Cleaner
2015-05-10 14:19:36
Geht mir auch so. Lustigerweise klingt "Glass House" tatsächlich ein bisschen so, als würden Calexico Muse covern. Oder andersrum? Ich weiß es nicht.
The MACHINA of God
2015-05-09 17:24:13
Was nun? Pomp-Rock, Mars Volta oder Calexico? Mich verwirren Rezension und Referenzen.
Jennifer
2015-05-06 18:52:30
Frisch rezensiert. Meinungen?
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