The Tallest Man On Earth - Dark bird is home

Dead Oceans / Cargo
VÖ: 08.05.2015
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Vergilbte Polaroids

Kristian Matsson ist ein ganz besonderer Songwriter. Seit nunmehr vier Alben gelingt es dem Schweden, der besser unter seinem Künstlernamen The Tallest Man On Earth bekannt ist, einfache Sachverhalte in noch einfachere Lieder zu übersetzen, die am Ende aber so schön, zerbrechlich und mutspendend sind, dass man sich schon fragt, wie etwas so Simples wie ein dreiminütiger Folksong eine derartige Magie entwickeln kann. Ist es wirklich Zauber? Oder eine einfache Formel, mit der The Tallest Man On Earth sein Inneres nach außen kehrt, mit sommerlichen Melodien und melancholischen Fußnoten? Sein neues Album "Dark bird is home" geht den eingeschlagenen Pfad jedenfalls unbeirrt weiter, die Akustik-Gitarre im Anschlag und die leicht kratzige Stimme, die doch so viel mehr ist als ein Dylan-Zitat, weiterhin in Wallung versetzt von Sehnsucht und Fernweh, Trauer und Euphorie.

Der Albumtitel deutet es an: Matssons neues Werk handelt von der Heimkehr zu den ureigenen Wurzeln, von Nostalgie und Vergangenheitsbewältigung, vom Blättern in alten Bilderbüchern mit vergilbten Polaroids der eigenen Jugend. Und dabei ist dann ganz egal, ob man diese im ländlichen Schweden, in New York oder in Garmisch-Partenkirchen durchlebt hat: Die Erinnerung an Kindheit und Jugend ist uns allen in die Doppelhelix geschrieben. Doch das Zurückkommen an die Orte der eigenen Adoleszenz erlebt jeder anders: Der eine kommt als erfolgreicher Großstädter zurück und erzählt lang und breit von seiner Eigentumswohnung in Schwabing, der andere kehrt als geprügelter Hund heim, mittellos, emotional am Boden und nach Halt suchend.

"Dark bird is home" ist also eine Platte, die sich gegen das Vergessen richtet, die den eigenen Spuren folgt und das Vergangene mit dem Gegenwärtigen konfrontiert – und umgekehrt. "Fields of our home" beginnt als klassischer Folksong, der allerdings durch einen Filter gesungen wird, der die beschriebenen Szenarien in ein sepiafarbenes Licht rückt. Matsson erinnert sich in diesem zurückhaltenden Stück an die heimatlichen Straßen, die Winkel und Gassen, die sich in unser Langzeitgedächtnis eingebrannt haben und Grundlage und Ausgangspunkt sind für alle anderen Erfahrungen, die wir seit jeher machen.

Beschwingter agiert der Songwriter im herrlich drängelnden "Slow dance", das entgegen des Titels doch einen flotten Schwof aufs wiesengrüne Parkett legt. Matssons markante Stimme verleiht der erzählten Geschichte Nachdruck, im Hintergrund veredeln himmelhochjauchzende Bläser die Szene, während die treue Akustische für Bodenhaftung und kitzelnde Fußsohlen sorgt. Im folgenden "Little nowhere towns" wechselt der Schwede ans Klavier und zeigt eindrucksvoll, dass er nicht nur Meister der Saiten ist, sondern auch die Melodramatik der Tasten beherrscht. Die Pianoballade ist ein melancholischer Tränenzieher, der – im Herzen des Albums platziert – das Tempo ein wenig raus nimmt und einmal tief durchatmen lässt. Wenn auch mit einem sanften Stechen in der Brustgegend.

Im vielleicht stärksten Song dieses ohnehin feinen Albums, "Timothy", wird erneut klar, welche Klasse The Tallest Man On Earth mittlerweile erreicht hat: In seiner Stimme schwingen die Gemütslagen wie die Trauerweiden im Maiwind, das Soundkostüm mag sehr vertraut sein, klar, doch offenbart es dann immer diesen eingangs beschriebenen Zauber, ein diffuses Gefühl im Epigastrium, ein leichtes Britzeln auf und unter der Haut. Der Titelsong ist ein ruhiger, sensibler Rausschmeißer, der dann aber mal wirklich überhaupt nicht mehr braucht als Matssons Flehen und das Echo gezupfter Saiten – bis er sich gen Ende doch noch aufbäumt. Und spätestens dann, mit den letzten Tönen dieser Platte, ist man doch wieder gefangen: im Sog der einfachen, aber rundum tollen Songs von Kristian Matsson.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Slow dance
  • Sagres
  • Timothy

Tracklist

  1. Fields of our home
  2. Darkness of the dream
  3. Singers
  4. Slow dance
  5. Little nowhere towns
  6. Sagres
  7. Timothy
  8. Beginners
  9. Seventeen
  10. Dark bird is home
Gesamtspielzeit: 41:44 min

Im Forum kommentieren

Dielemma

2016-03-23 23:56:42

nettes kleines Video zur Entstehung des Albums
https://www.youtube.com/watch?v=S6VMKc-1xZE

Armin

2015-11-13 17:17:34

The Tallest Man On Earth veröffentlicht Video zu "Darkness of the Dream"

In diesem Jahr hat Kristian Matsson von The Tallest Man On Earth die meiste Zeit damit verbracht uns neue Seiten an sich und seiner Musik zu zeigen. Sein hervorragendes Album "Dark Bird Is Home" ist ein dynamischer und aufschlussreicher Blick in seine persönlichen Kämpfe und wurde von einer Serie von ersten Malen begleitet; seiner ersten Performance in einer US Late Night Show, seiner ersten TV Performance in einer US Morning Show, seine erste internationale Tour mit einer kompletten Band und nun sein erstes Video das seine Tanz-Skills mit einfließen lässt.

Das Video ist zu "Darkness of the Dream", ein Favorit des Albums und ein Song der bisher noch nicht veröffentlicht wurde, was durch die Tanzeinlagen noch schöner und spezieller wird. Das Video verfolgt die Fußarbeit einer Tanz-Choreographie die durch Bilder von moosbedeckten Wäldern und Matssons Weg durch eine steinige Landschaft unterbrochen wird. Regisseur war diesmal Jakob Wallin und die Choreographie stammt von Jesper Gulbrand.

Das wunderschöne Video kann nun hier angesehen werden:
http://www.dailymotion.com/video/x3dchix_the-tallest-man-on-earth-darkness-of-the-dream-official-video_music





www.thetallestmanonearth.com
www.facebook.com/thetallestmanonearthofficial

The Tallest Man On Earth - "Dark Bird Is Home" - VÖ 08.05.2015 - (Dead Oceans / Cargo Records)

LLG

2015-08-19 00:24:29

Gerade gehört. Schönes Album mit einigen großen Songs, besonders "Timothy" uns "Sagres".

sadcaper

2015-05-19 23:31:06

Der Promotext ist so schlimm. Oh ne. Fremdschäm.

sadcaper

2015-05-16 23:01:14

Hallo hallo. Neues ALbum gefällt sehr sehr gut. Den simplen Stil der bisherigen ALben konnte er nach dem letzten nicht mehr weitergehen. Da hat man schon gehört, dass er Bock auf neues hat. Mir gefällt es sehr gut und der junge Mann hat aber melodisch gewaltig beim guten Bob geklaut. Beim Song Beginners dachte ich kurz was höre ich gerade für ne Dylan PLatte. Eine coole Sau der TYp. Freu mich.

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