Prag - Kein Abschied
Týnská / TonpoolVÖ: 16.01.2015
Hauptsache, es reimt sich (nicht)
Es geht gleich los mit den Zeilen "Jemand singt im Park, als wär er mit sich selbst allein / Da draußen ist schon Tag mit Licht und Lärm und all dem Treiben." Es ist einer dieser wunderbaren Momente auf "Kein Abschied", in denen die Texte des Berliner Trios um Multitalent Nora Tschirner Geschichten erzählen und sogar an John K Samson erinnern, dem Meister der musikalischen Alltagslyrik. Es sind Beobachtungen wie "Vielleicht bist Du ja gar nicht hier / Doch warum hängt dann Dein Fahrrad vor der Tür?", die den Alltag auf den Punkt bringen und eindringlich flüstern: Hör bei dem Lied noch einmal genauer hin, gerne auch ein zweites, drittes oder viertes Mal.
Apropos Lyrik: Zeilen wie jene aus "All die Narben" muten an wie vertonte Gedichte. "All die Narben sind verheilt / Gib ihnen noch ein Jahr / Dann sind sie nicht mehr da." Beeindruckend, wie Versmaß und Rhythmus sich mit den Worten zu einem so sinnvollen wie schönen Ganzen zusammentun – das Gegenteil von Reim-Dich-oder-ich-fress-Dich. Dieses große Talent von Prag, mit Worten Bilder zu malen, zeigt sich auch bei "Was fällt Dir eigentlich ein", dessen Thema manchem Hörer dank Sätzen wie "Was fällt Dir eigentlich ein, so einfach weg zu sein? / Es gibt für uns doch noch so viel zu tun / Warum gerade jetzt und was mache ich nun?" nur allzu bekannt vorkommen dürfte. Alles fügt sich zu einer Handlung und letztlich zu einer Geschichte.
Lyrik also, aber die müsste man nicht auf eine CD pressen, wenn da nicht noch die Melodien und Streicher wären. Die sind nach den Texten nämlich das zweite Aushängeschild von Prag. Immerhin hat das Trio ein ganzes Orchester im Hintergrund, das die Refrains immer wieder anschwellen lässt oder traurige Zeilen melancholisch untermalt. Bei "Der dunkle Weg" setzt ein Glockenspiel Akzente, immer wieder begleitet ein Klavier den Gesang. Doch so groß dieses instrumentale Repertoire ist, das Prag da auf ihrem zweiten Album auffahren: Es dient auch dem Erzählen. Wie man es aus Operetten kennt, veranschaulicht das Piano mit seiner Melodie Erik Lautenschlägers Worte "Da hatte ihre Stimme diesen Unterton", Bass, Cello und Violinen zeichnen in "Was fällt Dir eigentlich ein" Tschirners nägelkauende Zerrissenheit nach. Und so (er)zählen bei Prag die Instrumente genauso wie die Texte: eine ganze Menge.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Wenn nur die Seele
- Dieser Himmel
- Kein Abschied
- All die Narben
Tracklist
- Wenn nur die Seele
- Dieser Himmel
- Film noir
- All die Narben
- Der dunkle Weg
- Aus Versehen
- Kein Abschied
- Halt die Luft an
- Sieh da nicht hin
- Spaziergängerin
- Was fällt Dir eigentlich ein
- Das letzte Haus
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Armin
2015-12-09 15:53:12
PRAG auf Tour – Abende zwischen Popkonzert, Zirkus und Autorenfilm
In den letzten vier Jahren und auf mittlerweile zwei Longplayern (Premiere 2013 & Kein Abschied 2015) hat die Berliner Band PRAG ihr eigenes Universum aus filmischer Musik mit Orchester, Mandolinen, Tarantino-Gitarren und feinsinnigen Texten erschaffen. In Frankreich hieße das wahrscheinlich Popmusik – in Deutschland haben sie mit diesem Stil eine ganz eigene Nische besetzt. Erik Lautenschläger und Tom Krimi, meist in Anzug oder Beatnik-Rolli gekleidet beherrschen die großen Hymnen („Sophie Marceau“, Bis einer geht“) wie auch kammermusikalische Momente und sind dabei immer überbordend feierlich. Live stehen die beiden Frontmänner mit großer Band und einem Park an Instrumenten auf der Bühne. So ein PRAG-Abend spielt irgendwo zwischen Popkonzert, Zirkus und Autorenfilm.
Die langjährigen Freunde Tom und Erik tüftelten 2011 neben Ihren Indie-Projekten (Erik & Me, Tom Krimi, AZ Ohara, Stereo Deluxe) an einem gemeinsamen Sound. Der Bandname kommt nicht von ungefähr, schließlich mischt auf der ersten Platte "Premiere" das tschechische Filmorchester mit. Nebenbei spielen auch Hackbretter oder Mandolinen und verpacken die Texte mit meist nostalgischem Inhalt in verspielt-poppige musikalische Arrangements. Das Grundmotiv ist meistens: Intimität mit Größe zu verbinden. Trotz vielfacher Angebote von der Industrie gründen PRAG ihr eigenes Label TYNSKA Records (benannt nach einer kleinen Gasse - Tynska Ulica - in Prag), um ihren eigenen kreativen Spielplatz zu schützen. Sie veröffentlichen 2 Alben und eine Akustik-EP. Doch nicht nur die Musik, auch das Image der Band hat für PRAG einen großen Stellenwert. So schmücken sie sich mit Kostümen, die Videos kommen oft wie kleine 50er-/60er Jahre Filme daher und das Artwork wird seit der ersten Platte von Erik handgemalt. PRAG ist ein Berliner Gesamtkunstwerk und auf jeden Fall immer eine musikalische Reise wert.
Weitere Informationen unter http://prag-music.com/, https://www.facebook.com/pragmusic
Tourdaten:
17.01.2016 Leipzig / Neues Schauspiel
19.01.2016 Hamburg / Stage Club
20.01.2016 Dresden / Scheune
22.01.2016 Erfurt / Museumskeller
24.01.2016 FFM / Das Bett
25.01.2016 Köln / Kulturkirche
26.01.2016 Münster / Sputnikhalle
28.01.2016 Berlin / Lido
Tickets unter http://kj.de/artist/4517/PRAG.html und an allen bekannten Vorverkaufsstellen
musie
2015-03-30 08:39:20
ich mag auch den einen oder anderen til schweiger film.. ;-) kein grund zum schämen..
nörtz
2015-03-30 04:21:47
Wer Prag hört, guckt auch Til Schweiger. Schäm Dich, musie!
captain kidd
2015-03-29 22:44:41
Welche Band hast du gehört?
musie
2015-03-29 21:34:05
richtig gutes konzert gestern
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