Tindersticks - Ypres

City Slang / Universal
VÖ: 17.10.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 6/10
6/10

Bilder einer Ausstellung

Ypern war im ersten Weltkrieg eine der meistumkämpften Städte an der Westfront. Zwischen 1914 und 1917 versuchten deutsche Truppen gleich drei Mal, die belgische Stadt einzunehmen. Die Kämpfe gingen als erste, zweite und dritte Flandernschlacht in die Geschichte ein. Während der Auseinandersetzungen setzten die Nazis erstmals Chlor- und Senfgas ein. Die Schrecken dieser Zeit sind in einer Dauerausstellung im Flanders Fields Museum zu sehen. 2011 bat das Weltkriegsmuseum Tindersticks um eine musikalische Untermalung für diese Ausstellung. Bereits 2012 stellten Stuart A. Staples und Dan McKinna eine dreiteilige, orchestrale Klanginstallation vor, die Ausstellungsbesucher durch die Räume begleitete. Zwei Stücke für jeweils einen der drei Räume. Sie alle sind nun zu hören auf "Ypres".

Den Anfang macht "Whispering Guns parts 1, 2 and 3". Es sind beklemmende zwöf Minuten – düster und schwer. Die Totenglocke schlägt erbarmunsglos, Sirenen sind zu hören, es fallen Bomben, Gewehre feuern ihre Salven ab. Das alles vor einer massiven Soundwand aus Synthies und Orchester, die in einer Kirche im Londoner Crouch End eingespielt wurden und nachträglich in Zusammenarbeit mit den Sounddesignern von Sound Intermedia bearbeitet wurden.

Die Endzeitstimmung zieht sich durch das gesamte Album. Die Kompositionen folgen keinem Songmuster, sondern sind Stimmungsbilder, die sich mit jedem Takt verdichten und einbrennen. Die Grundatmosphäre setzt sich aus Schmerz, Fassungslosigkeit und tiefer Trauer zusammen. Besonders deutlich wird dies in "La guerre souterraine", das die Höhlensysteme rund um die Stadt vertont, mit der Ypern während des Krieges untertunnelt wurde. Die Angst der Kämpfer, die sich unter Tage mit Klopfgeräuschen verständigten, ist hier akustisch sehr eindrucksvoll umgesetzt. "Gueless cassées", das kürzeste Stück auf dem Album, widmet sich den entstellten und verstümmelten Soldaten. Es ist ein getragenes Solo eines einsamen bassflötenähnlichen Instruments. Das Album endet mit "The third battle of Ypres". Ein über 20 Minuten langer Sog der Verzweiflung und opulenten Streichern im Mittelteil des Stückes.

Auf Worte verzichten Tindersticks auf "Ypres" vollständig. Und damit auch auf Staples' Bariton. Die sechs Soundscapes sind zur Untermalung der Bilder gedacht, in deren Kontext sie stehen. Aber auch ohne sie funktionieren die Tracks. Es ist ein Album, das Bilder entstehen lässt und so unmittelbar aufs Gemüt schlägt. Mit herkömmlichen Tindersticks-Maßstäben kann und soll man dieses Werk nicht beurteilen. Und gewiss ist dies keine Platte, die besonders häufig laufen wird. Wer sich auf "Ypres" einlässt, wird jedoch um eine tiefgehende Erfahrung reicher. Denn es ist eine mächtige und würdige Platte geworden. Ein akustisches Zeugnis eines furchtbaren Verbrechens.

(Sebastian Meißner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Whispering guns parts 1, 2 and 3
  • La guerre souterraine

Tracklist

  1. Whispering guns parts 1,2 and 3
  2. Ananas et poivre
  3. La guerre souterraine
  4. Gueules caussées
  5. Sunset glow
  6. The third battle of Ypres O.S.T.
Gesamtspielzeit: 54:07 min

Im Forum kommentieren

Hogi

2014-12-19 19:34:54

Oha, wie peinlich. Wenn das mein alter Geschichtslehrer lese würde...

Nahsi

2014-12-19 15:08:49

Deutsch=nahsi


Is doch einfach.

Cosmig Egg

2014-12-16 13:09:55

ich weiß, warum ich die rezensionen hier nicht mehr lese

Offene Frage:

2014-12-15 20:40:34

Hat der Rezensent evtl. im Geschichtsunterricht etwas verpaßt?

@Gibt es Meinungen?

2014-12-15 14:41:42

Öhm, ja, das ist in der Tat erklärungsbedürftig... Übernehmen sie bitte, Herr Meißner?

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