Trent Reznor & Atticus Ross - Gone girl

Columbia / Sony
VÖ: 28.11.2014
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Der Film zur Musik

Amy Elliott Dunne verschwindet an ihrem fünften Hochzeitstag aus ihrem Haus in North Carthage, Missouri. Alles deutet auf eine Entführung hin. Je eingehender die Polizei ermittelt, desto mehr lassen die Indizien einen Mord vermuten. Als Tatverdächtiger wird der scheinbar ahnungslose Ehegatte Nick Dunne medial nicht nur gehetzt, sondern auch für seine Ehesünden gekreuzigt. Immer weiter wird Nick in einen Strudel aus Medienmanipulation, vernichtenden Indizienketten, Vorwürfen und Lügen sowie in ein dicht gewebtes psychopathologisches Netz verstrickt, in dem kaum noch ersichtlich ist, wer wen ermordete oder ermorden möchte.

Der Romanstoff von Bestseller-Autorin Gillian Flynn ist eine Vivisektion der Institution Ehe. Ein doppelbödiger Roman mit starken Wendungen, erzählt aus jeweils zwei Perspektiven: der Sicht von Nick Dunne sowie mittels sich überlagernder Tagebucheinträge der verschwundenen Amy Elliott Dunne. Jeder narrativ eingeschlagene Weg zur Wahrheit der einen Partei wird durch die differente Sicht der anderen ausgehebelt. In diesem Verwirrspiel lässt sich anfangs kaum Position beziehen. Es geht tiefer und tiefer in die Abgründe zwischenmenschlichen Verhaltens. Eben jene Abgründe erforschte mit Regisseur David Fincher ein Kenner dieser Materie. Schon mit "The girl with the dragon tattoo" drang er noch tiefer als die bereits grandiose Buchvorlage "Verblendung" in die Regionen menschlicher Perversionen ein, zeigte in tieftrüben, dunkel gefilterten und ultrarealistischen Bildern deren Funktionieren innerhalb einer maroden, verrotteten westlichen Kultur auf. Die Kälte und Kargheit der schwedischen Landschaft stilisierte die Koryphäe Fincher meisterhaft als erschreckende emotionale Architektur seiner durch und durch verdorbenen Protagonisten.

Die furchteinflößende Virtuosität von Finchers Bilderflut untermalte ein ebensolches karges Manifest von Score, mit dem Nine-Inch-Nails-Chef Trent Reznor und Atticus Ross sich in die Ewigkeit hineingemeißelt haben. Ausladend auf drei CDs schlug es sogar die konzise Präzision ihrer Oscar-prämierten Filmmusik zur dramaturgisch in Bild- und Dialogregie perfekt stilisierten Facebook-Mediensatire "The social network". Wo "The social network" jedoch auf den Punkt getimtes Songwriting präsentierte und damit in vollkommener Präzision die filmische Dynamik verstärkte, legte "The girl with the dragon tattoo" in ausladender Heftigkeit überbordende Imposanz an den Tag. Kohäsion auf der einen und Dispersion auf der anderen Seite. Und das auf nur zwei Soundtracks.

"Gone girl" reiht sich in der Mittelposition ein und bildet mit seinen Vorgängern ein einmaliges Qualitätstriumvirat an der Soundtrack-Front. Erneut dringen Reznor und Ross mit Regisseur Fincher wieder in die tiefsten Untiefen menschlicher Monstrosität ein und sezieren minutiös und mit vielen Metaebenen die Funktionalität der heterosexuellen Ehe. Eigentlich ließe sich "Gone girl" sogar als bitterböser Abgesang auf die heterosexuelle Ehe verstehen, mit dem sämtliche Illusionen der Paarverständigung aufgedeckt und verabschiedet werden. Diesen Prozess vertonen die beiden erneut kongenial auf zwei CDs mit knapp 90 Minuten Spielzeit. Weniger ausladend als das übermächtige "The girl with the dragon tattoo", aber nicht minder genial fusionieren verstörende Ambient-, Drone- und Noise-Klänge mit Finchers hyperrealistischer Bildhärte.

Sphärisch erdrückend intoniert "What have we done to each other" den höllischen Vernichtungsprozess einer Paarbeziehung. Sphärenklänge tragen und formen die Verstörung, welche die sepiagetränkte Leinwandästhetik evoziert, verstärken den schon beinahe subtil inhumanen Blick der von Rosamund Pyke gespielten Amy in der Anfangssequenz des Films und geben den erdrückend schweren Worten des von Ben Affleck dargestellten Nick besonderes emotionales Gewicht. Mit zwei Reprises ("Empty places" und "Sugar storm") werden die dramatisch hochsensiblen Wendungen von Gillian Flynns Drehbuch mit tonaler Schwere versehen. Reznor und Ross bleiben bei ihrem Erfolgsrezept und steigern Finchers überbordende Filmsprache mit minimalen Mitteln: oftmals durch schlichte Pianoelemente wie in "Still gone" oder tristes Noise-Gewaber mit transzendent funkelnden Elektrotupfern wie bei "A reflection". Wie ihre Vorgängerarbeiten besticht auch "Gone girl" mit hohem Erkennungspotenzial. Musik, die losgelöst von der Welt des Kinos allein durch seine Meisterhaftigkeit für sich allein bestehen kann: Manipulatives Kopfkino und Geniestreich in einem.

(Peter Somogyi)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • What have we done to each other?
  • Sugar storm
  • Empty places
  • Background noise
  • The way he looks at me
  • Still gone
  • What will we do?

Tracklist

  • CD 1
    1. What have we done to each other?
    2. Sugar storm
    3. Empty places
    4. With suspicion
    5. Just like you
    6. Appearances
    7. Clue one
    8. Clue two
    9. Background noise
    10. Procedural
    11. Something disposable
    12. Like home
    13. Empty places (Reprise)
    14. The way he looks at me
  • CD 2
    1. Technically, missing
    2. Secrets
    3. Perpetual
    4. Strange activities
    5. Still gone
    6. A reflection
    7. Consummation
    8. Sugar storm (Reprise)
    9. What will we do?
    10. At risk
Gesamtspielzeit: 86:42 min

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bazilicious

2014-12-11 18:40:21

Doch doch, auch für zuhause und vor allem unterwegs ein ziemlich geiles Ding. Sehr guter Soundtrack wie schon The Social Network, den ich mir immer noch sehr gerne anhöre.

Mr Oh so

2014-12-11 16:45:00

Fand den Soundtrack im Film ziemlich klasse. Zuhause muss ich mir das aber nicht geben.

Jennifer

2014-12-11 01:07:18

Frisch rezensiert. Meinungen?

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