Rancid - Honor is all we know
Hellcat / Epitaph / IndigoVÖ: 24.10.2014
So viel Zeit muss sein
Man kann nicht behaupten, dass Rancid ein Höllentempo vorlegen, wenn es um das Veröffentlichen von neuem Songmaterial geht. "Honor is all we know" erscheint fünfeinhalb Jahre nach "Let the dominoes fall", welches wiederum mit knappen sechs Jahren Abstand auf "Indestructible" folgte. Nach Pop-Maßstäben sind das horrende Zeitspannen. Der durchschnittliche Castingshow-Sieger veröffentlicht darin ein erfolgreiches erstes und phänomenal unerfolgreiches zweites Album, schreibt ein Buch über seine missratene Karriere und verspeist anschließend im Dschungelcamp geröstete Heuschrecken, ehe es in den bürgerlichen Beruf als Heizungsmonteur zurück geht. Aber zum Glück haben Rancid mit Castingshow-Siegern rein gar nichts zu tun, und wer in seiner Laufbahn Punk-Meilensteine wie "… and out come the wolves" und "Life won't wait" veröffentlicht hat, darf sowieso für sich in Anspruch nehmen, außerhalb der Regeln zu operieren.
Mit rotzigem Streetpunk in bester 1977er-Tradition, eingängigen Refrains und dem ein oder anderen Ausflug zu Ska und Reggae schufen sich die Kalifornier vor knapp 20 Jahren eine eigene Nische, in der sie immer noch relativ konkurrenzlos dastehen. Wie die Kollegen von Bad Religion zählen Rancid zu der Sorte Bands, bei denen es niemand schlimm findet, dass sich am typischen Bandsound wohl nichts mehr großartig ändern wird. Auch auf "Honor is all we know", dem achten Studioalbum, sitzen die Rancid-Trademarks bombensicher. Zum Beispiel der Gesang: Tim Armstrong nölt, grummelt und verschleppt Konsonanten in den übernächsten Takt, wie es niemand außer ihm je könnte, ohne peinlich zu wirken. Lars Fredriksen bellt und keift sich beeindruckend zur angestrebten Wiederwahl zum Punk-Zeremonienmeister, während Bassist Matt Freeman ins Mikro röhrt wie ein Elch im Jägermeister-Rausch und sein Bassspiel wie gewohnt einen ganzen Hummelschwarm im Hintern hat.
Doch natürlich sind auch Rancid ohne gute Songs nur halb so viel wert. Und im Vergleich zum zuweilen uninspirierten Vorgänger hat sich die Band offenbar auch in dieser Hinsicht wieder auf ihre Stärken besonnen. Folkige Ausflüge gibt es nicht mehr, statt dessen knüpfen etliche Songs an die Großtaten der mittleren Neunziger an. Schon der zackige Opener "Back where I belong" macht Lust auf mehr, während das angepisste "Raise your fist" live für jede Menge Freude im Moshpit sorgen dürfte. Mit dem vorab veröffentlichten "Collision course" folgt die obligatorische und diesmal großartige Hymne, mit der Rancid ihrem Gassenhauser "Roots radicals" so nahe kommen wie seit 1995 nicht mehr. Ein ähnlicher Aha-Effekt stellt sich auch bei "In the streets" ein, das die Attitüde früherer Hits wie "You don't care nothin'" und "As wicked" aufgreift. Offbeat satt gibt es hingegen im bedrohlichen "Evil's my friend" und "Everybody's sufferin'", das Gesellschaftskritik in wippende Jamaica-Grooves verpackt. Nicht alle Songs treffen ihr Ziel so exakt, doch selbst wenn sich etwa das Titelstück ein wenig in seiner "Keiner kann uns was"-Message verliert, macht das immer noch Spaß. Mit so viel Spielfreude wie auf "Honor is all we know" gingen Rancid zuletzt bei "Indestructible" zu Werke. Das ist zwar erst zwei Alben her, fühlt sich aber trotzdem wie eine Ewigkeit an. Aber das Thema hatten wir ja schon.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Raise your fist
- Collision course
- Evil's my friend
- In the streets
Tracklist
- Back where I belong
- Raise your fist
- Collision course
- Evil's my friend
- Honor is all we know
- A power inside
- In the streets
- Face up
- Already dead
- Diabolical
- Malfunction
- Now we're through with you
- Everybody's sufferin'
- Grave digger
Referenzen
Spotify
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