Mine - Mine
Styleheads / Groove AttackVÖ: 10.10.2014
Ergreifender Minimalismus
Deutschsprachige Bands mit vorwiegend weiblicher Stimme haben es spätestens seit der "Neuen neuen deutschen Welle" schwer, ernst genommen zu werden. Belanglosigkeits-Experten wie Silbermond und Juli erschweren das eh schon ungeliebte Radiohören noch zunehmend. Bei Mine aber ist alles anders. Vergesst sinnlose Zeilen, vergesst lieblos durchkalkulierte Songstrukturen, vergesst den Plastik-Studiosound. Mine kann alles – und sie kann alles besser als andere. Die Sängerin und Wahl-Mainzerin möchte es langsam angehen lassen und organisch wachsen. Doch ihre bisherigen Unternehmungen sprechen eine andere Sprache: Für ein Projekt sammelte sie 2013 Geld via Crowdfounding, um ihre Songs mit einem Kammerorchester zu vertonen. Daraus entstand auch eine Live-DVD. Nicht gerade ein kleinlauter Start in eine Musikkarriere. Für ihr selbstbetiteltes Album hat sie sich auf gerade mal 40 Mitmusiker beschränkt. Diese Opulenz aber schlägt sich zum Glück nicht in musikalischer Überfrachtung und Mukkertum nieder, ganz im Gegenteil.
Bewusst verzichtet "Mine" auf Füller-Sounds, Instrumente und Gesang wissen zu jeder Zeit genau, was sie tun, können für sich stehen und haben somit Luft und Spielraum. So braucht "Du scheinst" in der Strophe nicht mehr als eine metallene Gitarre und minimalistische Percussion, um im Refrain eine ganze Stimmflut von Jasmin Stocker zu entfalten. In "Raus, raus, raus" wächst einem gleich ein mehrstimmiger Chor über den Kopf, bevor man sich rettend in die wippenden Rhodes-Akkorde von "Der Mond lacht" stürzt. Doch auch hier trügt die radioheadsche Ruhe, denn im letzten Teil bricht ein wahrer musikalischer Sturm über den Hörer herein. Gleich mehrere Synthesizer erheben sich aus der Tiefe zu einer regelrechten Wand. Ein Schlagzeug, das seine eigenen Grenzen nicht mehr kennen will und eine Stimme, so gewaltig, so wohldosiert: ein überaus ergreifender Moment. Erstaunlich, dass Stocker ihre Songs selbst komponiert, klingt doch alles sehr aufwändig und durchdacht. "Mein Freund" und "Kann sie es tragen" fallen weit aus dem konventionellen Pop-Instrumentarium, sind, man könnte fast schon sagen, "weltmusikalisch". Exotisch, quirlig und entschlossen eigenartig, so kann Mine also auch.
Doch die Welt bleibt auf "Mine" eher düster als heiter, eher melancholisch als euphorisch. Ihre poetische Kraft lässt sich daran messen, wenn Stocker konventionalisierte Pop-Themen wie Liebe, Leid und Leben nicht in Klischees verarbeitet. Immer wieder findet sie die richtigen Worte und Bilder, wie zum Beispiel "Was nützt die Liebe in Gedanken/Ich sing dich" oder "Ich will weiter nach vorn gehen/Dir ist es zu weit". Auch Balladen wie das jazzig-gehauchte "Lauter" klingen nie nach Castingshow oder aufgesetzter Liebes- und Gefühlsduselei. Stimmen schichten sich vorsichtig, eine Zweitstimme variiert das Gesamt-Klangbild und der dabei entstehende Soulfaktor würde Clueso, Maxim und Komparsen schnell von der Bühne pusten. Es ist grundlegend aber ebenjene, fesselnde Symbiose aus reduzierten Akkorden und Stockers kraftvoller Stimme, die einen förmlich in diese Platte hineinzieht. Ton um Ton verschwindet der Hörer tiefer in der Gedankenwelt Mines – und möchte so schnell nicht wieder heraus.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Der Mond lacht
- Mein Freund
- Du scheinst
- Lauter
Tracklist
- Kann sie es tragen
- Raus,raus,raus
- Der Mond lacht
- Mein Freund
- Nicht für mich
- Ziehst Du mit
- Du scheinst
- Und dann
- Lauter
- Blätter
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encarnizado
2014-11-08 17:16:00
eine superfrau.
Sonido
2014-11-08 15:44:14
Auf dem Schlossgrabenfest in DA erlebt, unbedingt live anhören!
Flimmern
2014-11-03 11:56:36
Ist sehr schön geworden, das Album!
Berni
2014-10-28 22:49:33
Noch nie gehört, Rezension macht aber neugierig. Werde mal reinhören.
Armin
2014-10-28 22:46:33
Frisch rezensiert! Meinungen?
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