Yusuf - Tell 'em I'm gone

Legacy / Sony
VÖ: 24.10.2014
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zum Wollefühlen

Egal ob man ihn Yusuf Islam, Cat Stevens oder gar Steven Demetre Georgiou nennt: Klar ist, dass der Mann mit Bart und Samtstimme ein bewegtes Leben hinter sich hat. Der großen Karriere in den Sechzigern und Siebzigern folgten Jahre der spirituellen Einkehr samt Identitäts- und Religionswechsel. Bis auf einige mehr oder minder kontrovers aufgenommene Äußerungen zum Tagesgeschehen ließ der zum Islam konvertierte Barde wenig von sich hören. Umso überraschender dann das Comeback als Singer-Songwriter und Bühnenkünstler Mitte der 2000er-Jahre. Verlernt hatte Yusuf in der Zeit der Abstinenz nahezu nichts: Noch immer bestach er mit der unverwechselbaren Kombination aus filigran gezupfter Akustikgitarre und volltönender Stimme, nur lagen ihm nun nicht mehr Scharen junger Damen zu Füßen. Wobei das den tiefgläubigen und glücklich verheirateten Herrn ohnehin nicht interessiert hätte.

"Tell 'em I'm gone" ist das dritte Album seit der wundersamen Rückkehr des Schöpfers solcher Evergreens wie "Father and son". Am grundlegenden Erfolgsrezept hat Yusuf wenig bis nichts verändert. The artist formerly known as Cat Stevens macht Musik zum Kuscheln, Wohlfühlen und Wollsocken stricken: Auf die Stärken besinnen nennt man das wohl. Dass er immer noch tief berührende Kleinode komponieren kann, beweist Yusuf gleich zu Beginn mit "I was raised in Babylon". Zu herrlich harmonischem Gitarrenspiel gibt er den düsteren Propheten, der Gier und Maßlosigkeit anprangert. Hier funktioniert, was durchaus Gefahren in sich birgt: Wenn religiös geprägte Lyrik und zartschmelzender Folkpop aufeinandertreffen, ist die Pathosfalle nicht allzu weit entfernt. Schon früher wurde dem Sänger ja ein gewisser Hang zum Kitsch nachgesagt – ein Vorwurf, den er auf "Tell 'em I'm gone" nur teilweise entkräften kann.

Toll ist beispielsweise die Melange aus stoischem Bluesrock und Yusufs nonchalanter Darbietung in "Editing floor blues". Beschwingt und augenzwinkernd kommt der Song daher, auf sakrale Überfrachtung wird dankenswerterweise verzichtet. Ganz anders dagegen das finale "Doors": Die Erfüllung im Glauben sei ihm absolut gegönnt, aber derart klebrig muss sie dann doch nicht besungen werden. Auch die etwas plump dargebrachte Kapitalismuskritik von "Big boss man" und "Gold digger" müsste nicht wirklich sein, wenngleich sie zumindest von gelungenen Kompositionen getragen wird. Am stärksten war und ist Yusuf jedoch, wenn er ganz Melancholiker sein darf. Das mit Worten und der eigenen Biographie spielende "Cat & the dog trap" beweist auf unaufdringliche Weise, welch fantastischer Songwriter der in die Jahre gekommene Beau immer noch ist.

Ohne Coverversionen einiger bekannter Lieder wäre ein Yusuf-Album natürlich nicht komplett, Edgar Winters stark angestaubtes "Dying to live" hätte allerdings ruhig in der Mottenkiste bleiben dürfen. Ungleich spannender ist die claptonisierte Fassung von "You are my sunshine" geraten, das ebenso wie der fantastische Titelsong mit den Wüsten-Bluesern Tinariwen eingespielt wurde. Diese nur auf den ersten Blick erstaunliche Zusammenarbeit weckt allerdings auch Begehrlichkeiten: Wie aufregend wäre es, wenn Yusuf und Tinariwen ein Kollaborationsalbum machen würden! Das Wort "aufregend" mag vielleicht nicht ganz zum Schaffen des Yusuf Islam passen, Träumen ist aber sicher erlaubt. Bis dahin werden Wollsocken gestrickt.

(Christopher Sennfelder)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • I was raised in Babylon
  • Editing floor blues
  • Tell 'em I'm gone

Tracklist

  1. I was raised in Babylon
  2. Big boss man
  3. Dying to live
  4. You are my sunshine
  5. Editing floor blues
  6. Cat & the dog trap
  7. Gold digger
  8. The devil came from Kansas
  9. Tell 'em I'm gone
  10. Doors
Gesamtspielzeit: 36:00 min

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