
We Were Promised Jetpacks - Unravelling
Fat Cat / Al!veVÖ: 03.10.2014
Früher. Später. Jetzt.
Nicht immer ist es gut, wenn eine Band plötzlich erwachsen geworden ist. Zwar hat es oft nur den Anschein, weil beim fünften Album endlich die Kohle für ein anständiges Studio und/oder einen gescheiten Produzenten da war, der die stets allgegenwärtigen kratzigen Nebengeräusche eliminierte, die die Band einst als Lo-Fi-Element versucht hat zu verkaufen, welche aber tatsächlich dem knarzenden Parkettfußboden im Zimmer nebenan geschuldet waren. Erwachsene Bands werden aber eben oft auch ein bisschen langweilig, wiederholen sich, gehen auf Nummer sicher, anstatt dem jugendlichen Wahnsinn freien Lauf zu lassen. Die schottischen Jungs von We Were Promised Jetpacks sind auch erwachsen geworden – aber alles andere als langweilig.
Deren drittes Album "Unravelling" klingt freilich nicht mehr wie "These four walls", ihr grandioses 2009er Debütalbum, das auf den Liveshows noch heute von den Fans mit voller Inbrunst mitgesungen wird. Die Mischung aus stürmischer Wut und fragiler Sensibilität, die Songs wie "This is my house, this is my home", "Quiet little voices" oder ganz besonders den Überhit "It's thunder and it's lightning" – nach wie vor das Highlight jedes Konzerts – durchzogen, war die Spezialität der Truppe rund um Sänger Adam Thompson. Auf dem zwei Jahre später erschienenen "In the pit of the stomach" gab es das auch noch, klar, aber schon da versuchten sich We Were Promised Jetpacks auch an größeren, breiteren Klängen. Das euphorische Mitsing-Ende des Openers "Circles and squares", die langsam aufbrodelnde Leidenschaft von "Act on impulse", der hochdramatische Abschluss mit "Pear tree" – auch der zweite Streich war geglückt. Nun also "Unravelling", das dritte Album, auf dem Thompson und Co. mehr denn je wie sie selbst klingen.
Das mag womöglich auch an Neuzugang Stuart McGachan liegen, der das ehemalige Quartett fortan an der Gitarre und an den Keyboards unterstützt. Keyboards? So eine Band sind sie nun? Nicht wirklich. Wie gewohnt bleibt jedes Element nur ein ebensolches, ein kleiner Teil vom großen Ganzen. Der im Juli 2014 vorgestelle Vorabsong "Safety in numbers" machte das bereits früh deutlich: Unterschwellig kocht hier langsam der bandtypische Post-Punk hoch, um in der letzten Minute am Siedepunkt schließlich überzulaufen. Ganz anders ist hingegen das düstere "Moral compass", auf dem Thompson zwischen bedrohlichem Erzähler und flehendem Prediger zu wechseln scheint – eine Momentaufnahme, die auch bei dem einst irgendwie schüchtern und dicklich wirkenden Jungen von einem bemerkenswerten Reifeprozess zeugt. "I keep it composed", die erste richtige Single von "Unravelling", windet sich stattdessen störrisch, verweigert sich dem normalen, weil eingängigen Radiohit und beweist, dass die Schotten trotz des Erwachsenendaseins immer noch machen, was sie wollen.
Im ungleich poppigeren "Bright minds" kommen dann auch tatsächlich McGachans Tastenschläge zum Vorschein, die so dezent im Hintergrund agieren, dass man sie zunächst kaum wahrnimmt. Das Stück ufert schließlich in einem spektakulären Finale aus, das im Grunde so einfach gestrickt ist und dennoch so viel im Inneren auslöst, bis der Ausklang wie eine kleine Pause zum Durchatmen wirkt. Mehr und mehr ergibt auch der Albumtitel einen Sinn – We Were Promised Jetpacks haben ihren Sound gefunden, sind vollkommen frei in ihrem Handeln, also in der Tat entwirrt – mit kleinen Perlen wie dem nach vorne preschenden "A part of it" oder dem fast schon psychedelisch anmutenden "Disconnecting" als mögliche Hinweisschilder für die Richtung des nächsten Albums. Noch sind wir aber bei "Unravelling", und es überrascht kaum, dass das große Highlight hier genau jener Song ist, in welchem das Quintett jeden Zwang, jede Regel über Bord wirft: Mit sechseinhalb Minuten ist "Peace of mind" nicht nur das mit Abstand längste Stück des Albums, sondern auch das einzige Instrumental – und in der zweiten Hälfte wiederholt sich die Melodie, steigert sich dabei aber von Mal zu Mal, um in einem nachhaltigen Feuerwerk zu enden, das das Ende der Jugend zelebriert, aber auch die Freiheit des Erwachsenseins, die Vorfreude auf die Zukunft und die Schönheit des Jetzt.
Highlights & Tracklist
Highlights
- I keep it composed
- Bright minds
- A part of it
- Peace of mind
Tracklist
- Safety in numbers
- Peaks and troughs
- I keep it composed
- Peace sign
- Night terror
- Disconnecting
- Bright minds
- A part of it
- Moral compass
- Peace of mind
- Ricochet
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Croefield
2017-05-31 16:56:24
Generell ziemlich starke Band.
Jaggy Snake
2017-05-31 16:47:27
Zumindest posten sie auf Facebook immer mal wieder Fotos aus dem Studio. Aber ja, wird Zeit. Die letzte Platte war richtig stark.
ichundnichtdu
2017-05-31 15:50:01
Könnten mal wieder was neues rausbringen, die Jungs. Letztes Jahr auf dem Konzert habe ich mit dem Leadsänger gesprochen, der meinte, dass sie schon neue Stücke geschrieben hatten, dann aber fast alles weggeworfen haben, weil es ihnen nicht gefiel.
carpi
2016-10-02 12:45:30
Danke schön, hat sich gelohnt, große Leidenschaft und gute Stimmung. Wusste gar nicht, dass "Quiet little voices" so ein großer Hit geworden ist.
Jennifer
2016-10-01 09:46:27
Oh schade, diesmal schaff ich es nicht. Viel Spaß!
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