Tweedy - Sukierae

Anti / Indigo
VÖ: 19.09.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 9/10
9/10

Wenn der Vater mit dem Sohne

Während der durchschnittsdeutsche Vater seinen Sprössling am liebsten mit zum Fußball schleift, um an einem klirrend-kalten Dezemberabend bei ein paar Hopfenkaltschalen und der obligatorischen Stadionwurst ein atemberaubendes 0:0 gegen Erzgebirge Aue zu genießen, bevorzugt Wilco-Oberhaupt Jeff Tweedy das gemeinsame Musizieren mit seinem 18-jährigen Sohn Spencer. Und wir reden hier nicht von bloßen Feierabend-Jamsessions im mit Eierkartons und Playboy-Postern verkleideten Hobbykeller. Nein, Tweedy und sein trommelnder Filius sehen sich gar als eine Art Band, was auch erklärt, warum auf Jeff Tweedys lange angekündigtem Soloalbum kein Vorname steht: Es ist einfach kein Soloalbum.

Stilistisch orientieren sich Tweedy und Tweedy logischerweise am bisherigen Schaffen des Seniors: Recht schnell wird also klar, dass "Sukierae" eine astreine, herbstkompatible Singer-Songwriter-Platte ist, die sich eher im Folkrock als im Alternative-Country zuhause fühlt und natürlich eine gewisse Wilcohaftigkeit – circa "Sky blue sky" – offenbart. Bislang noch unerwähnt blieb die hohe Produktivität des Vater-Sohn-Teams, die dazu führt, dass diese Platte in Form eines üppigen Doppelalbums erscheint. In 20 Etappen erkundet das Duo sämtliche musikalischen Ausdrucksweisen, vom knackig-trockenen Intro "Please don't let me be so understood" bis zum präzise herausgearbeiteten Schlüsselsong "Diamond light pt. 1", einem dunkel funkelnden Glanzstück von gut sechs Minuten Spielzeit.

Zwar liegt der Fokus immer wieder auf semi-melancholischen Herzschmerzbetrachtungen wie dem angenehm schunkeligen "Wait for love", einer akustischen Halbballade, die zart und berührend ist, ohne zu sehr auf irgendwelche Tränendrüsen zu drücken, doch hin und wieder bekommt auch der talentierte Spencer Tweedy Raum und Zeit, seine Fähigkeiten am Schlagzeug unter Beweis zu stellen. Im angesäuselten Blues von "World away" darf dann der Sohnemann den beschwipsten Takt vorgeben, während das fantastische "Low key", das auf jedem Wilco-Album eine klasse Figur gemacht hätte, von beiden gleichermaßen über die Ziellinie geschoben wird. Dass Jeff Tweedy ein hervorragender Songwriter ist, hatte natürlich keines weiteren Beweises bedurft, mit dieser grandiosen Nummer erbringt er ihn trotzdem.

Die einzige kleine Schwierigkeit an "Sukierae", und das ist natürlich ein irgendwie schnöder, formaler Aspekt, ist die Überlänge. 20 Stücke in knapp eineinviertel Stunden, da kann die Binnenspannung, die aus bloßen Songs ein kohärentes Ganzes macht, eben nicht dauerhaft aufrechterhalten werden. Schön also, wenn Vaddern und Sohn eine tolle gemeinsame Zeit hatten und von ihrem Output gleich dermaßen überzeugt sind – ein wenig gefiltert wäre die ganze Chose aber möglicherweise noch deutlich schlüssiger. Gerade weil in der zweiten Hälfte nicht jeder Moment für pure Aufregung sorgen kann. Wir vermuten: die einzige Gemeinsamkeit von "Sukierae" und Rumpelkicks in unterklassigen Ligen.

(Kevin Holtmann)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Wait for love
  • Low key
  • Summer noon

Tracklist

  • CD 1
    1. Please don't let me be so understood
    2. High as hello
    3. World away
    4. Diamond light pt. 1
    5. Wait for love
    6. Low key
    7. Pigeons
    8. Slow love
    9. Nobody dies anymore
    10. I'll sing it
  • CD 2
    1. Flowering
    2. Desert bell
    3. Summer noon
    4. Honey combed
    5. New moon
    6. Down from above
    7. Where my love
    8. Fake fur coat
    9. Hazel
    10. I'll never know
Gesamtspielzeit: 71:44 min

Im Forum kommentieren

Herder

2015-01-02 12:06:32

Zwischen den Jahren (wieder) viel gehört. Ein sehr schönes Album, das ich vielleicht doch in meine Jahres Top-10 hätte aufnehmen sollen.

"Summer Noon" oder "Hazel" sind tolle, melancholische Lieder!

humbert humbert

2014-10-06 19:23:06

Danke für eure Einschätzung. Denke das das Album auch bei mir noch einige Zeit rotieren wird.

VelvetCell

2014-10-05 20:22:57

Ich kann noch keine Wertung abgeben, da ich das Album erst zweimal beiläufig gehört habe. Erster Eindruck macht allerdings Lust auf mehr!

Herder

2014-10-05 18:13:42

Auch ziemlich positiv, humbert humbert! Natürlich sind es zunächst mal ein wenig viele Songs, andererseits sticht immer mal wieder ein anderes Lied heraus. "Low Key" ist bei mir auch gleich hängengeblieben. Den widerborstig-knappen Opener "Please don't let me be so understood" (eine Animals-Anspielung?)höre ich auch sehr gerne. Aber ich habe mit den rockigeren Wilco-Stücken auch kein Problem ;-)Bei "Hazel" gefällt mir die Bassline sehr gut...

Ich muss ja sagen, dass ich von der Hintergrundgeschichte des Albums sehr gefangen bin, also die schwere Erkrankung der Frau/Mutter. Da höre ich das Album auch irgendwie nochmal anders, insbesondere etwa das sehr schöne "Nobody dies anymore".

humbert humbert

2014-10-05 16:11:43

Wie finden eigentlich die anderen das Album? Herder? VelvetCell?

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