Haze - Clouds surround & breathe
Frail Abuse / Beyond HopeVÖ: 10.08.2014
Alive and well
"Postrock ist tot, kapiert das doch endlich. Schon seit zehn Jahren, aber Plattentests ist zu lahm." Dieses – um einige orthographische Freiheiten korrigierte — Urteil wurde so vor nicht allzu langer Zeit, nämlich im November letzten Jahres, im altehrwürdigen Forum von Plattentests.de gesprochen. Ob man die zehn Jahre davor nun als Postrock-Wasteland ansehen mag, sei mal jedem selbst überlassen. Fest steht jedenfalls: Postrock ist tot. Da kann man nichts machen. Blickt man eine Ecke weiter, findet sich dann auch gleich das nächste Genre, das ziemlich am Stock zu gehen scheint. Kontrolliert man nämlich den Zustand des Patienten Hardcore, stehen plötzlich Fragen wie "Hardcore – Lifestyle oder nur noch Mode?" und natürlich "Ist Hardcore tot?" im Raum.
Da fragt man sich doch unweigerlich: Worauf will der Smeets jetzt eigentlich mit diesem Einstieg eigentlich hinaus, der noch holpriger daher kommt als die A3 im Umkreis Regensburg? Und vor allem: Welche Helden müssen da bei Haze rumlaufen, die für ihre erste Platte "Clouds surround & breathe" auf die Idee kamen, ausgerechnet auf zwei dahinsiechende Genres zu setzen? Die müssen doch wahnsinnig geworden sein? Nun, nicht ganz. Immerhin sind besagte Genres natürlich nicht halb so tot, wie mancher das zu wissen glaubt. Und außerdem hat man auch die Vermischung von Hardcore und Postrock nicht zuletzt in jüngerer Vergangenheit schon einige male gehört. Zuletzt in virtuoser Ausführung von etwa The Tidal Sleep. Womit das hazesche Unterfangen gleich weniger waghalsig wirkt. Böse Zungen würden vielleicht auch von weniger originell sprechen. Und sie würde damit übrigens falsch liegen. Haze gehen die Sache nämlich doch dezidiert anders an. Wo sonst nämlich meist der Hardcore mit Elementen aus dem Postrock angereichert wird, stehen bei Haze beide Genres fast gleichberechtigt nebeneinander.
Die atmosphärische Dichte, die bedachten Songstrukturen, die krachenden Gitarrenabfahrten, die fragilen Melodiefiguren und die mit höchstmöglicher Intensität herausgebrüllten Vocals — sie alle werden kurzerhand in den Engtanz geschickt. Heraus kommt ein musikalischer Parforceritt, den man erst mal zu fassen kriegen muss. Zu wendig bewegen sich Haze von Brechern der Sorte "I can't help but get lost", zu düster verschleppten Brocken wie "Loomer". Und wieder zurück, versteht sich. Zeitweise passiert das dann auch innerhalb eines einzelnen Songs. "Upheaval" verortet sich zu Beginn etwa sehr eindeutig im Hardcore, wird zunehmend wütend — kurzzeitig ist Sänger Mark Al-Shemmeri gar fast bei Growls angelangt — und macht zur Songhälfte dann kurzerhand Platz für weitläufige Soundscapes und Spannungsbögen aus dem Lehrbuch. Da sind dann neun Minuten Genrehopping, ohne jemals an Stringenz vermissen zu lassen. Kann auch nicht jeder.
Und doch können sich Haze den Luxus erlauben, ihr eigentliches Meisterstück ans Ende der Platte zu stellen. Dann nämlich kommt der Dreiteiler "I. Like glass", "II. Skies fluctuate & fall" und "III. Clouds surround & breathe". Letzterer nimmt sich schlanke 18 Minuten Zeit, um die Hörer per Feuerwerk aus dem Album zu geleiten. Die Spannung wird bedächtig aufgebaut, angedeutete Ausbrüche erweisen sich zunächst als geschickt getimte Finten und erst nach guten acht Minuten wird die Chose zum ersten mal so richtig laut. Inklusive verstecktem Minisolo. Dann darf zwischendurch die Akustische für etwas Beruhigung sorgen. Bevor der Schlusspart von der ersten Sekunde an unmissverständlich klar macht, das man es hier mit dem Finale zu tun hat. Alles, was sich in den zurückliegenden zwölf Minuten angestaut hat, entlädt sich hier in krachenden Drums, nach ganz weit draussen flirrenden Gitarrenfiguren und einem ausladenden Outro, das nach dieser Platte auch dringend benötigt wird. Ein großer Abschluss, im wahrsten Sinne des Wortes.
Tot ist hier gar nichts. Weder Hardcore noch Postrock. Man hätte "Clouds surround & breathe" zwar nicht unbedingt gebraucht, um zu dieser Erkenntnis zu kommen, aber es ist ja immer schön, wenn man neue Beweise für das Wohlergehen mancher Genres geliefert bekommt. Und wenn das dann auch noch derart dynamisch, zwingend und überzeugend geschieht, tja, dann ist wohl alles gut.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Upheaval
- Forma
- Loomer
- III. Clouds surround & breathe
Tracklist
- Colure
- I can't help but get lost
- Upheaval
- Morriña
- Forma
- Loomer
- I. Like glass
- II. Skies fluctuate & fall
- III. Clouds surround & breathe
Im Forum kommentieren
MartinS
2021-03-24 20:16:39
Heute mal wieder aufgelegt: Wahrscheinlich hätte es mit Blick auf Produktion und Stimme ein Punkt weniger auch getan, aber die Songs sind nach wie vor klasse.
boneless
2014-08-26 18:55:12
in der aufzählung von akim tauchten sie schon auf, ich betone nochmal: d'accord von fjort gibt um einiges mehr her als haze, wenn es um die verbindung von wucht und postrock geht, man höre nur den titeltrack. im gesamten ruft mir dieses album sehr oft escapado ins gedächtnis, was partout eine sehr gute sache ist.
übrigens: den hype um tidal sleep kann ich auch nicht so richtig verstehen.
Apu
2014-08-23 13:29:18
Der Gesang macht alles kaputt
Akim
2014-08-23 01:50:38
La Dispute, Fjørt, The Tidal Sleep, Haze... 2014 ein gutes Jahr!
Nervbert
2014-08-22 23:42:13
Könnte gut sein, wenn er nich' singen würd'.
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