Grant Nicholas - Yorktown Heights
Popping Candy / Rough TradeVÖ: 15.08.2014
Die Entschlackungskur
So ein Lied kommt oft spontan, und nicht immer ist es sofort der große Wurf. Hier eine kleine Idee, dort ein Akkord, da eine feine Melodie – die Textzeilen sind auch schon da, und "Hey, so könnte doch die Bridge ..." Für leidenschaftliche Songschreiber ist dies wohl ein ganz gewöhnlicher Prozess. Nur was, wenn die neue Komposition irgendwie nicht wirklich zu den Songs der eigenen Band passen will? Ganz einfach: Erst mal in die Schublade damit, und gut darauf aufpassen. Denn eines Tages ist es vielleicht soweit: Ob J Mascis, Tom Banks, Julian Casablancas, Kele Okereke, auch Marcus Wiebusch oder Peter Fox – sie alle haben es gemacht: ein Solo-Album neben der Hauptband, ihr ganz eigenes Ding. Nun also auch Grant Nicholas, seit mehr als 20 Jahren schon Sänger und Songwriter der UK-Institution Feeder. Acht Alben, zwei EPs und über drei Millionen Plattenverkäufe später legt Nicholas nun sein erstes Soloalbum namens "Yorktown Heights" vor.
Und in der Tat würden etwa "Broken resolutions", "Good fortune lies ahead" oder die erste Auskopplung "Soul mates" auf einer Feeder-Platte durchaus irritieren: Zart gezupfte Akustikgitarren, chorale Lagerfeuer-Atmosphäre und ein Nicholas, dessen Gesang eher nach Nick Drake oder James Taylor klingt denn nach ihm selbst. Produziert hat er das Album in Eigenregie, an den Reglern justierten Sam Miller und Brian Sperber, die auch schon für Dinosaur Jr. fleißig abmischten. Die Ruhe selbst, ja fast etwas nostalgisch, lehnt sich Nicholas 13 Songs lang zurück, lässt seinen Kompositionen dabei mehr Freiheiten, als sie im Feeder-Gewand üblicherweise genießen. Er verzichtet in erster Linie auf die bekannt-markanten Feeder-Bratgitarren, reduziert den Sound und verziert diese Platte mit einigen stilistischen Stempeln aus den 60er, 70er und zum Teil auch 80er Jahren. Da wären etwa die feinen Background-Synthies, die "Hitori" begleiten, oder die von Pianoklängen ummantelte, pompösere Ballade "Tall trees", ebenso wie das melancholische "Joan of Arc", das hier und da Facetten von R.E.M. und Pink Floyd durchscheinen lässt, und das verträumt-folkige, großartige "Safe in place".
Dennoch sind Feeder nie weit weg, was natürlich an Nicholas' Stimme, zum Großteil aber an seinem Melodiegespür liegt, das man so bereits aus den vielen Bandjahren kennt. Und Refrains, die sich schnell im Ohr festbeißen, kann sich auch "Yorktown Heights" nicht verkneifen, wie "Hope" untermauert. Doch hätte man etwa "Robots", "Vampires" oder "Isolation" in der angestammten Gitarren-Pfanne gebraten, wären das sicherlich Kandidaten für Nicholas' Hauptband. Und das ist dann leider auch etwas problematisch: Denn obwohl kaum Ausreißer nach unten festzumachen sind, leidet Nicholas' Solo-Ritt ein wenig an der Unausgewogenheit zwischen Rückschau und Gegenwart, zwischen verträumten 70s-Folk und entschlacktem, aber doch klassischem Feeder-Poprock ("Time stood still") – und hat daher eher den Charakter einer Song-Compilation, denn eines homogenen Werkes. Aber da Ideen, Akkorde, Melodien und persönliche Geschichten einen Grant Nicholas vermutlich auch in Zukunft zu neuen Taten treiben werden, ist der nächste Wurf wohl nicht mehr weit. Ob der nun groß wird oder nicht: Ein Ohr lohnt das allemal.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Hitori
- Joan of Arc
- Safe in place
Tracklist
- Soul mates
- Hitori
- Tall trees
- Robots
- Vampires
- Good fortune lies ahead
- Joan of Arc
- Hope
- Isolation
- Broken resolutions
- Time stood still
- Silent in space
- Safe in place
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didz
2020-04-04 00:33:36
das artwork an sich is toll, ja ;-)
finds generell schön, wie zb das artwork der singles immer auch im stil des zugehörigen albums gehalten wird(egal ob bei feeder oder solo)
bei nem nachfolger wär ich auch sofort dabei :-D denke der wird auch bestimmt kommen irgendwann. er hatte da doch viel spass dran, und die resonanz war ja auch ganz gut, im uk zumindest.
ja wiki is da manchma komisch geschrieben, versteh auch den sinn dahinter nich. da könnte man wenigstens schreiben "is his only solo album to date" oder ähnlich.
jo
2020-04-03 22:02:48
Hehe, ja, die Haare hatte er ja ne längere Zeit so. Konnte mich da auch nie wirklich dran gewöhnen. Aber seine Tochter hat die Cover (CD und Platte - und EP natürlich - hatten ja unterschiedliche) trotzdem sehr schön gestaltet :).
Denke auch, dass das ne Herzenssache von ihm war und dass es einfach Songs waren, die zu der Zeit gut und schnell geschrieben waren. So was kann er schon ziemlich gut. Nicholas' Themen in den Songs sind zwar oft ähnlich, aber hier auch nie banal.
Hätte auch nichts gegen einen zweiten Teil. Wundere mich immer, warum zum Beispiel bei Wikipedia so was à la "was his only solo album" steht. Soweit ich weiß, hat er nie verneint, vielleicht mal noch eins zu machen.
didz
2020-04-03 01:24:43
ja die sind auch sehr gut, besonders silent in space :)
das songwriting auf dem album wirkt irgendwie durchgehend schön locker, angenehm unaufgeregt aber trotzdem schön melodiös.
das einzige was an der platte gruselig is sind seine langen haare damals :-D
jo
2020-04-02 21:32:03
Ich habe ziemlich ähnliche Highlights. Würde aber vielleicht "Soulmates" (je nach Laune auch mal "Good Fortune Lies Ahead") und "Silent in Space" auch dazuzählen.
"Counting Steps" finde ich ebenfalls ganz stark - das kommt allerdings in der Akustikversion, die auf der "Soulmates"-Single enthalten war, noch besser rüber.
didz
2020-04-01 21:48:52
und die ep is auch toll!
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- Grant Nicholas - Yorktown Heights (17 Beiträge / Letzter am 04.04.2020 - 00:33 Uhr)