Der Rest - 10 Lieder für Freunde

Morganafilms / ASR / Soulfood
VÖ: 27.06.2014
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Im Magen vor mir

Im Wagen vor Schlagerbarde Henry Valentino brauste einmal ein junges Mädchen über die Autobahn und ließ des Sängers Fantasie Kapriolen schlagen. Im Magen von Philipp Taraz jedoch, dem kreativen Kopf von Der Rest aus Hamburg, grummelt eine Ungnade, die raus muss. Eben diese sauer aufstoßende Unbill, dazu ein tobendes Bassmonster und drangvolle Enge im Klangbild ergeben als Summe "10 Lieder für Freunde": ein zappendusteres Gewölbe, erbaut aus biestigem Post-Punk, mit eigenem Hadern bis zum Dach vollgestopft und von außen so unzugänglich, wie es der Titel erahnen lässt.

Nähert man sich diesem Ungetüm aber auf Ohrenhöhe und lässt die Klänge wirken, kommt einem manches gleich bekannt vor: Taraz skandiert die Texte gewollt langsam, erinnert dabei an einen ältlichen Blixa Bargeld oder an die Schnodderigkeit des jungen Dirk von Lowtzow. Flankiert wird das Konstrukt von geifernden Gitarrenstacheln, einem grob gehauenen Schlagwerk und dem besagten tieftönenden Moloch. Mancher mag das noch von Nagorny Karabach kennen, krachverliebten Zöglingen von Alfred Hilsberg, die zu Beginn der 1990er Jahre im Schatten der Hamburger Schule wurschtelten und binnen kurzer Zeit am eigenen Anspruch zerbrachen. Auch Bands wie Fliehende Stürme oder Abwärts haben Spuren im Sound von der Der Rest hinterlassen.

Der dumpfe Klang des Vorgängers "Willkommen im Café Elend" wird auf dem neuen Album in neue Höhen getrieben, seine Hinterfotzigkeit angestachelt und Verstärkungen eingesetzt, wo nötig. Das "Preludio" verkeilt sich mahlend in der Körpermitte und treibt seine fiebrigen Fühler sogleich gen Restverstand, damit dieser um sich selbst gebracht wird. Ist der eigene Wille erst dahin, erhebt Taraz' tiefe Stimme in "Labyrinth" bereits Anklage gegen die Verwerfungen, derer sich die Menschen im Miteinander bis zur Selbstaufgabe unterordnen. Lüge ich, um dazuzugehören oder ist die Zugehörigkeit an sich schon eine Lüge? Die trügerische Dissonanz der Saiteninstrumente bleibt eine Antwort schuldig.

Auf die Seite der Opfer dieses Dilemmas stellt er sich ebensowenig: "Es ist seltsam / Ich bin allein / Und doch ein Teil von allem." Vielleicht sind diese Menschen ja Täter ihres Unglücks, also Erfüller der eigenen Prophezeiung? Die Zeilen "Ich bin der Autor meiner eigenen Zerstörung / Ich schreibe jeden Tag ein Kapitel mehr / Und es gibt ganz bestimmt nichts Schöneres / Als von sich selbst beeindruckt zu sein" werden von zustimmenden Chorstimmen begleitet, wenigstens einem Funken Hoffnung in all diesem zusammengetrommelten Schwarz. Das einzige Gegenmittel zu Larmoyanz und Wichtigtuerei bleibt demnach Distanzierung: "Mit ein bisschen Glück / Werden wir uns nie wieder sehen" – die Hölle, das sind nämlich meist die anderen. Und von denen hält man sich besser fern, will man noch an der Welt gesunden. Oder ist das alles Humbug?

Die Gefühlswelt von Der Rest mag zwar widersprüchlich, menschenscheu und hoffnungslos erscheinen, sie findet dennoch ihre Schlupflöcher in den Schoß der Liebe. "Dichter an das Nichts / Wirst Du nie herankommen", dazu ein verschleppter Viervierteltakt mit einhellig heulenden Gitarrenakkorden – selten war Rockmusik so selbstvernichtend schön wie in diesen knorrigen, dunkelgrauen Liedern. Oder gemäß einem alten Werbespruch: Remmidemmi räumt den Magen auf. Dann hat die Liebe dort auch wieder Platz für Spaziergänge.

(Andreas Knöß)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Nichts
  • Die Zeit danach
  • Der Autor

Tracklist

  1. Preludio
  2. Labyrinth
  3. Es ist seltsam
  4. Das Universum atmet
  5. Dein Schatten
  6. Nichts
  7. Selbstschutz
  8. Die Zeit danach
  9. Der Autor
  10. Dein Lächeln
  11. Ungelebt
Gesamtspielzeit: 47:03 min

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MM13

2014-07-08 19:45:13

schade,geiler sound aber der gesang(stimme)geht bei mir leider gar nicht.

Armin

2014-07-07 18:40:42

Frisch rezensiert! Meinungen?

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