Insomnium - Shadows of the dying sun
Century Media / UniversalVÖ: 25.04.2014
Wer hat, der hat
Es liegt vermutlich in der DNA eines jeden Musikers, sich weiter zu entwickeln. Sei es, um Grenzen niederzureißen und neue auszuloten, sei es, um einfach das eigene Können zu perfektionieren. In beiden Fällen braucht es volle Überzeugung, Sitzfleisch und durchaus auch Mut. Im ersten Fall, weil dadurch todsicher alte Fans verprellt werden, in letztem, weil allzu oft mangelndes Risiko unterstellt wird. Insomnium, um zum Thema zu kommen, sind eindeutig Vertreter der zweiten Kategorie. Was ganz besonders deutlich wird, bemüht man einmal den Vergleich mit den ursprünglich ähnlich gelagerten Amorphis. Denn während die Schublade mit der Aufschrift "Death Metal" für Amorphis längst zu klein geworden ist, allerdings auf Kosten der ein oder anderen orientierungslosen Platte, feilen Insomnium beharrlich an Details. Und werden dabei von Platte zu Platte besser, wie das vorzügliche "One for sorrow" 2011 unter Beweis stellen konnte.
Wer also Überraschungen sucht, das Unbekannte erforschen will, der wird bei "Shadows of the dying sun" sicherlich zunächst nicht glücklich. Aber was gibt es schon zu mäkeln, wenn eine Platte von so einem prachtvollen Dampfhammer wie "The primeval dark" eröffnet wird? Leise beginnend, mit einem monumentalen Riff den Spannungsbogen steigernd, bevor die abgrundtiefen, an Amon Amarths Johan Hegg erinnernden Growls von Frontmann Niilo Sevänen einsetzen. Und doch ist das alles nur Vorgeplänkel zu einem majestätisch die Arme ausbreitendem Refrain, bei dem Gitarrist und Hauptsongschreiber Ville Friman durch ätherischen Klargesang glänzt. Und da sind sie dann doch wieder, die Parallelen zu Amorphis, die atmosphärische Dichte, wenn das Tempo herausgenommen wird, die rohe, urwüchsige Kraft im Gesang und schließlich die darüber schwebende Sologitarre.
Doch was heißt hier mangelnde Bandbreite, fehlender Mut? Denn es ist die ganz hohe Kunst des Songwriting, auf die Black-Metal-Raserei "Black heart rebellion" das bittersüße "Lose to night" folgen zu lassen, ohne dass ein stilistischer Bruch auch nur zu erahnen ist. Oder das ruppige "Collapsing words" eben nicht nach Amon Amarth ohne Hörner klingen zu lassen, sondern diesem wuchtigen Song durch ein gefühlvolles Akustik-Break eine eigene Note zu verleihen. Selbst durch kleinere Fragezeichen wie der etwas zu folkige Mittelteil von "The river" oder das sehr arg mit Amorphis kuschelnde "The promethean song" trüben den Gesamteindruck nicht.
Denn am Ende wartet mit dem Titeltrack ein Song, der in seiner Erhabenheit, seiner majestätischen Wucht so ziemlich alles in den Schatten stellt, was jemals aus der Feder der Finnen den Weg auf's Notenblatt gefunden hat. Kälte und Dunkelheit verströmend, in einem Gebirge von Refrain kulminierend: Dieser Titeltrack wirft alles an Emotionen in die Waagschale, was Insomnium zu bieten haben, schlicht die Essenz dessen, was melodischen Death Metal so faszinierend machen kann. Und genau das bestätigt, dass die Entscheidung, eben doch nur Nuancen am eigenen Sound zu verändern, die richtige war. Denn "Shadows of the dying sun" zeigt die Finnen nochmals gereift, noch entschlossener und konsequenter im Songwriting als der ohnehin schon nicht schlechte Vorgänger. Manchmal ist es eben doch gut zu wissen, was man hat. In diesem Fall verdammt viel.
Highlights & Tracklist
Highlights
- The primeval dark
- Black heart rebellion
- Shadows of the dying sun
Tracklist
- The primeval dark
- While we sleep
- Revelation
- Black heart rebellion
- Lose to night
- Collapsing words
- The river
- Ephemeral
- The promethean song
- Shadows of the dying sun
Im Forum kommentieren
Delirium
2014-08-05 11:50:34
Außer großartig fand ich Insomnium oft immer auch ein bisschen, naja... "scheiße" ist vielleicht übertrieben. Das neue Album macht da keine Ausnahme, im Gegenteil, es treibt die Ambivalenz auf die Spitze:
Auf der einen Seite ist das verdammt nette Musik ("Mellow Death" haha), die man gut und gerne hören kann. Detail- und abwechslungsreich, kraftvoll, melancholisch und melodiös, mit einigen echten Song-Highlights ausgestattet.
Auf der anderen Seite frag ich mich, ob ich dafür wirklich über lieblich gegrowlte Refrains, Schleimhaut ablösende Klargesangseinlagen und über die mit Mike-Oldfield-Gedächtnis-Gitarre untermalten Abflüge ins santianohafte hinweghören kann. Keine Ahnung, eine Chance kriegt das Album noch.
Armin
2014-05-06 22:27:45
Frisch rezensiert! Meinungen?
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