
The War On Drugs - Lost in the dream
Secretly Canadian / CargoVÖ: 14.03.2014
How does it feel?
Van Morrison hatte ihn mit "Astral weeks" auf dem gleichnamigen Album, The Stooges mit "Search and destroy", Nirvana sowieso mit "Smells like teen spirit". Und natürlich "Sunday morning" von The Velvet Underground & Nico, oder "Thunder road" von Bruce Springsteen und Bob Dylans "Like a rolling stone". Welcher Künstler in jüngster Vergangenheit den perfekten Einstieg ins Album geschafft hat? Nun, da wäre etwa ein gewisser Kurt Vile, dessen "Wakin on a pretty daze" den fast zehnminütigen Quasi-Titelsong "Wakin on a pretty day" als Opener hatte und damit schon ein erstes Statement abgab. Viles Ex-Band The War On Drugs tut es ihm nicht nur gleich, sondern setzen ihre Reihe großartiger Eröffnungssongs fort. Nach dem aufmüpfigen "Arms like boulders" vom 2008er Album "Wagonwheel blues" und "Best night" von "Slave ambient" eröffnet die Band um Sänger Adam Granduciel ihr drittes Werk "Lost in the dream" mit dem grandios nach vorne marschierenden "Under the pressure" und, Vile wäre sicher stolz, kloppen mit dem Neunminüter den längsten Song des Albums direkt an den Anfang.
Dass ihre Mischung aus Americana, Folk, Rock und Blues dabei immer noch klingt, als wären sie aus einer anderen Zeit in die Gegenwart gereist, um den jungen Leuten von heute zu zeigen, wie richtige Musik noch funktioniert, ist dabei fast schon Ehrensache. Und dass Granduciel natürlich immer noch an Dylan erinnert, oder an einen jungen Springsteen, oder an einen Typen, der eben wie einer von beiden klingen will? Geschenkt. The War On Drugs sind auf einer Mission, die Revolution haben sie längst eingeleitet, und Granduciel singt nicht nur wie Dylan oder Springsteen, sondern wie Du, wie ich, wie er, sie und die da drüben. Wie wir eben. Die Klangfarbe ist nebensächlich, und wenn "Under the pressure" in der zweiten Hälfte richtig auffährt und alle wild ihre Haare schütteln und die Jeansjacken verrutschen, ist das ebenso gewollt wie das auf ganze drei Minuten in die Länge gezogene Ende dieses Openers. Als ob sie sagen wollten: Das ist erst der Anfang.
Und was für einer: Auf "Under the pressure" folgt die erste Single "Red eyes", ein mit Synthies untermalter Rocker mit New-Wave-Anleihen, der an etwas festhält, was längst vergangen ist, und trotzdem eigentlich loslassen möchte, woran er sich gewöhnt hat: "I would keep you here / But I can't", singt Granduciel hier und klingt dabei, als würde er durch einen verhüllenden Schleier singen, oder eben, als wäre er schon auf dem Weg in eine neue Richtung, abgewandt vom Bisherigen. Melancholischer hingegen gibt sich der Titeltrack, dessen romantischer Ausruf "Love's the key / To the things that we see" vielleicht das Geheimrezept der Band aus Pennsylvania offenbart, worüber man sich am Ende mit einem Tränchen in den Augen Gedanken machen kann, wenn die Mundharmonika das Stück sanft ausklingen lässt.
Ganz tief unter die Haut spielen sich The War On Drugs auch mit "An ocean in between the waves", an dessen Stakkato-Rhythmus sich das Herz schnell anzupassen scheint, während die Stromgitarren für den nötigen Kick sorgen, um ganz "Inception"-mäßig aus der Traumebene zu leiten, in die der Song eben gerade noch entführt hatte. Das energetische "Burning" veranschaulicht schließlich kurz vor Schluss, warum der Band die alberne Genre-Bezeichnung "Bossgaze" verpasst wurde, was natürlich totaler Quatsch ist – wenn überhaupt, ist das hier Wargaze. Und wenn Granduciel seiner Euphorie in den letzten beiden Minuten mit vielen aneinandergereihten "Yeahs" Ausdruck verleiht, braucht es den dämlichen Vergleich eh nicht mehr.
"Lost in the dream", wie sollte es anders sein, endet, wie es angefangen hat: Mit viel Gefühl, aber ohne Gefühlsduselei – und ordentlich viel Zeit einfordernd. "In reverse" entfaltet sich nur langsam und gemächlich und schwemmt schwerfällig jene Welle an, die ein letztes Mal alles mit sich reißt. Mit den Zeilen "And I don't mind you disappearing / Because I know you can be found" bricht der letzte Song schließlich endlich aus, und der Herzschlag setzt auch langsam wieder ein. The War On Drugs haben hier nicht nur ein Album geschaffen, das den Hörer an frühere Momente erinnern lässt, wofür schon die beiden Vorgänger wie geschaffen waren. Nein, mit "Lost in the dream" lässt sich eine Zukunft vor Augen führen und noch kommende Augenblicke herbeisehnen, die man jetzt noch nicht kennt, aber an die man sich schon bald gern erinnern wird. Zumindest mit etwas Glück.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Under the pressure
- Red eyes
- Burning
- In reverse
Tracklist
- Under the pressure
- Red eyes
- Suffering
- An ocean in between the waves
- Disappearing
- Eyes to the wind
- The haunting idle
- Burning
- Lost in the dream
- In reverse
Im Forum kommentieren
Hierkannmanparken
2025-05-03 15:38:11
Und die Lyrics sind so vage, dass ich nach über 10 Jahren immer noch nicht textsicher bin. Die Gitarrensoli kann ich aber mitsingen.
Hierkannmanparken
2025-05-03 15:32:51
Das Album war netter, fast unbemerkter Begleiter meines Frühlings/Sommers 2014. Bis ich gegen Jahresende bemerkte, wie fest mich das Album im Griff hat.
11 Jahre später und die Zeilen
I'm on a darkened Hillside
And you're haze right between the trees
And I can barely see you
You're like an ocean in between the waves
spülen mich noch komplett weg.
Das ist das einzige Album, das ich kenne, das wirklich nicht aufhört zu wachsen.
jayfkay
2024-10-24 18:46:14
kannte bisher immer nur under the pressure.
schönes album
Eurodance Commando
2020-03-06 21:17:53
Ihr bestes. Besonders die ersten beiden Songs sind nicht von dieser Welt.
The MACHINA of God
2020-03-06 20:50:20
Nach lagner Zeit heute Mal auf abendlicher Überlandfahrt gehört. Schon echt ein schönes Album.
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