Beck - Morning phase
Caroline / UniversalVÖ: 28.02.2014
Frühes Erwachen
Auch schon mal erlebt? Der Wecker klingelt erst um sechs Uhr, aber man wird natürlich genau zehn Minuten vorher wach, schreckt hoch und merkt dann, dass man noch ein bisschen dösen darf. Aber der Körper ist schon unruhig, zu groß die Angst, dass man verschlafen könnte, das Aufstehen verpasst, zu spät dran sein wird. Nervös liegt man der Uhr mit dem Gesicht zugewandt auf der Seite, hört den Geräuschen draußen vorm Fenster zu, und wenn der Wecker schließlich klingelt, ist man bereits hellwach und hätte den Tag eigentlich längst starten können. Ähnlich schien es abzulaufen, als Beck Hansen im letzten Herbst "Morning phase" ankündigte, sein erstes Album seit "Modern guilt" von 2008. Diese Nervosität! Diese Unruhe! Die kaum erträgliche Spannung! Dann gab es im Januar die Vorabsingle "Blue moon", sie weckte Erinnerungen an "Sea change", und das erlösende Klingeln schien auf einmal nicht mehr so fern.
Und plötzlich ist es da.
Nun muss man aber auch feststellen, dass "Morning phase" nicht viel zu tun hat mit dem hektischen frühzeitigem Erwachen an einem Wochentag, kurz bevor man sich ins Büro schleppt. Viel eher klingt das Album nach einem ausgeschlafenen ersten Blinzeln am Wochenende, natürlich ist es immer noch viel zu früh, um an einem Sonntag aufzustehen, beide Augen bleiben zu, einmal ausgiebig gestreckt und schön unter der warmen Decke geblieben. Der instrumentale Opener "Cycle", keine 45 Sekunden lang, beginnt den Tag mit einem Satz Streicher und gleitet nahtlos über in das noch schläfrige "Morning": "Woke up this morning / From a long night in the storm", singt Beck hier, und weiter "This morning I lost all my defences / Won't you show me the way it used to be", alles zusammengehalten von der sachte gezupften Gitarre und dem verträumten Gesang, wie es schon bei "The golden age" der Fall war. Ganz schnell wird klar, dass "Blue moon" nicht die einzige Referenz an "Sea change" bleiben wird.
Aber erstmal umdrehen.
Mit dem countryesken "Blackbird chain" in den Ohren riskiert man einen kurzen Blick auf den Partner auf der anderen Seite des Bettes, zum bluesigen "Turn away" schließen sich die Augen wieder, zu schwer waren die Lider, und zu schwer ist auch die Melodie, obwohl das nur der erste Eindruck einer kleinen melancholischen Nummer ist, an deren Ende der Himmel nicht nur voller Geigen hängt, sondern auch von den ersten Sonnenstrahlen geflutet wird. Dank des mehrstimmigen Gesangs in "Heart is a drum" vergrößert sich der Wunsch nach Zusammensein, also schnell zur anderen Person im Bett geblinzelt, aber die ist offenbar schon aufgestanden. Ein kleiner Schreck: Ein bisschen klingt das alles nach Nick Drake, und der war am Ende auch allein.
Riecht es hier nach Kaffee?
Doch alles ist gut. Auch wenn die Herzschmerz-Ballade "Unforgiven" mit dem nachhallenden Piano und dem sphärischen Unterton etwas anderes suggerieren mag, und auch wenn Beck hier gefühlt trauriger klingt. Etwas düsterer wird der Halb-wach-halb-Schlaf-Zustand zudem im ätherischen "Wave", geglättet werden die Wogen wieder im instrumentalen "Phase", das Bettlaken aber erst später. Das abschließende "Waking light" fasst schließlich alle Phasen dieses Morgens zusammen, und was als Piano-Ballade startet, entwickelt sich nicht nur dank E-Gitarre langsam zu einem epischen Finale, das alle bösen Gedanken und alle schlechten Träume hinter sich lässt und selbstbewusst und frisch gestärkt in den Tag starten lässt. Die ewige Hetzjagd mit dem Wecker kann ja auch morgen weitergehen.
Highlights & Tracklist
Highlights
- Morning
- Blue moon
- Unforgiven
- Turn away
- Waking light
Tracklist
- Cycle
- Morning
- Heart is a drum
- Say goodbye
- Blue moon
- Unforgiven
- Wave
- Don't let it go
- Blackbird chain
- Phase
- Turn away
- Country down
- Waking light
Im Forum kommentieren
The MACHINA of God
2022-01-27 10:06:05
Letztlich wären meine Bewertungen wohl ziemlich oft die Ausreißer nach oben gewesen :D. Ich mag das Album einfach sehr...
Bei mir auch. Inzwischen genauso ein Meisterwerk wie "Sea change" für mich.
kingbritt
2022-01-27 09:31:05
Ja, klasse Album. Übrigens hat Jazz-Legende Stanley Clarke auf zwei Tracks Bass gespielt. Wie das nur zustande gekommen ist, interessant.
myx
2022-01-26 23:12:59
@jo: So eine durchgehend euphorische Stimme hätte der Runde sicher nicht geschadet. ;)
"Morning", "Say Goodbye" und "Wave" sind übrigens meine Highlights des Albums, aber "Blue Moon" gehört natürlich für mich auch zu den stärkeren Songs. Das will ich noch nachtragen, damit ich in Ruhe schlafen kann. ^^
jo
2022-01-26 22:14:57
Gerne. Letztlich wären meine Bewertungen wohl ziemlich oft die Ausreißer nach oben gewesen :D. Ich mag das Album einfach sehr...
myx
2022-01-26 22:09:25
Schade, jo, aber schön, dass du dich noch meldest.
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