Ja, Panik - Libertatia

Staatsakt / Rough Trade
VÖ: 31.01.2014
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Freiheit, egalité, fraternity

Guten Tag, sprechen Sie Ja-Panisch? Well, ich glaube, I think so, monsieur. Ja, Panik singen jetzt trilingual. Und nicht nur das: Nach dem Weltschmerz-Epos "DMD KIU LIDT", dieser weitschweifig herunterformulierten Abscheu gegenüber den gesellschaftlichen Wirrungen unserer Zeit, üben sich die österreichischen Exil-Berliner im Blick nach vorne und rufen einen neuen Staat aus: "Wo wir sind, ist immer Libertatia."

Im Video zur Single sitzen Ja, Panik nackig in und neben der Wanne und singen von der Freiheit in der ausgerufenen Piraten-Republik. "Ich hab' auf back to the future die Uhr gedreht", heißt es da, zurück nach vorn, geradeaus ins Vorher. Es könnte alles so gerecht zugehen, wäre es doch so, wie es gewesen sein werden könnte. Hier wird die Utopie des Freiheitsgedanken deutlich, welche Ja, Panik durchaus zu durchschauen in der Lage sind. Das Album ist benannt nach einer seinerzeit möglicherweise tatsächlich existenten, vielleicht aber doch nur fiktiven Piraten-Kolonie, die es im 17. Jahrhundert vor Madagaskar gegeben haben soll. Die Neuformulierung der Idee des Staates "Libertatia" ist nicht mehr als ein Tagtraum, ein Hirngespinst, nicht zuletzt der ungewöhnliche Synthieeinsatz zeugt davon, erst die bewusste Abkapselung von der Realität macht sie erlebbar, dann aber darf getanzt werden, wie in "Dance the ECB" angekündigt wird.

"Post shakey time sadness" erzählt von handfester Trinkertragik, von der Romantik des gemeinsamen Exzesses, der verfliegenden Reue nach dem Kater und wie sie neue Kraft spendet. "You look wasted, so do I", erkennt Andreas Spechtls Gegenüber. Es muss Liebe sein, ganz unkonventionell und doch so echt. "Chain gang" mit seiner grandiosen Funkgitarre im Chorus startet ernüchtert: "Ich sah mich zeitlos, free im space / Doch letztendlich war mein place viel mehr unten als gedacht." Der Protagonist beginnt sich einzuordnen, findet seinen Platz "between thunder and blitz", schlägt soziale Wurzeln und knackt den Jackpot. "Antananarivo" träumt von der weiten Welt, hofft auf ein zweisames Leben "just like Jean-Jacques Rousseau". Spechtl zählt in der Manier Johnny Cashs ("I've been everywhere") eine ganze Reihe von Weltstädten auf. "It's me and you and architecture", heißt es schließlich.

"Libertatia" kommt locker-flockig, obgleich die Kost nicht leichter wird. Es thematisiert Zusammenleben und soziale Rollenverteilung wie ein Wolf im Sharkpelz, wie ein Hans Dampf für alle Rassen, Everybody's Darling mit arschlöchiger Hundelunge, erscheint ein wenig fancy, dabei so dermaßen funky, bewahrt aber jederzeit diese typische Bittersweetness. Ein sonnengetränkter Trip, for friends, for enemies. "One world, one love. Libertatia."

(Pascal Bremmer)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Libertatia
  • Post shakey time sadness
  • Chain gang
  • Antananarivo

Tracklist

  1. Libertatia
  2. Dance the ECB
  3. Au revoir
  4. Post shakey time sadness
  5. ACAB
  6. Chain gang
  7. Alles leer
  8. Eigentlich wissen es alle
  9. Radio Libertatia
  10. Antananarivo
Gesamtspielzeit: 39:09 min

Im Forum kommentieren

Francois

2024-02-09 16:33:53

Meine schon das ganze Album :)
Und ja. Nicht ein schlechter oder gar schwacher Song. Es macht nur Spaß und hat dennoch eine gewisse Tiefe

qwertz

2024-02-09 16:19:21

Oh ja, kein Gramm Fett dran und wie aus einem Guss.

Weiß nicht, ob Francois nur den Song oder das ganze Album meint. Aber ja: Für mich ist "Liberatia" eine 10/10. Auch die anfangs für schwächer gehaltenen Tracks in der Mitte, finde ich mittlerweile stark.
Textlich wie musikalisch das für mich ansprechendste Album in einer an Highlights nicht armen Diskografie.

AliBlaBla

2024-02-09 15:58:44

Wie im neuen Album Thread schon geschrieben, das deutlich beste Album von Ja, Panik.
Tobias Levin Prod. lässt grüßen...so ist das halt.

Francois

2024-02-09 15:43:50

Oja. Treffend.
Für mich ist es „eigentlich wissen es alle“
Meisterwerk
10/10

Mister X

2018-01-30 04:03:53

Der/Das ? Gitarrenriff von Post Shakey Time Sadness ist Einsamkeit in Musik. Immer noch Gaensehaut. Ein Song bei dem man abends einsam und allein durch die stadt gehen und anderen beim feiern zusehen will

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