Elbow - Live at Jodrell Bank

Polydor / Universal
VÖ: 29.11.2013
Unsere Bewertung: 8/10
8/10
Eure Ø-Bewertung: 8/10
8/10

Alles auf Empfang

Wer Elbow auch nur ein einziges Mal live erleben durfte, wird folgende Beobachtung sicher bestätigen können: Wildfremde Menschen werden zu Freunden, alle sind friedlich und höflich zueinander, gemeinsam singt man Guy Garvey jede Zeile von den Lippen ab, während man mit der einen Hand das Bierglas in die Luft hält, mit der anderen den Menschen neben sich umarmt. Der Elbow-Sänger selbst fragt in angenehmer Regelmäßigkeit, ob alle sich auch gut fühlen, tanzt, klatscht in die Hände, zeigt ins Publikum, unterhält sich und sorgt für Bierzelt-Stimmung ohne unangenehme Bierzelt-Atmosphäre. Quasi ein einziges Lovefest. Und als Elbow am 23. Juni 2012 im Jodrell Bank Observatory aufgetreten sind, sollte es nicht anders sein.

Dabei schien es eigentlich ein wenig geeigneter Tag für ein Open-Air-Konzert zu sein: Nicht nur in großen Teilen Deutschlands regnete es an diesem Samstag, sondern auch im britischen Lower Withington, und so hingen dicke, graue Wolken über den Zuschauern, der Bühne und dem riesigen Lovell Telescope, das direkt daneben steht und nur zu gut zum geradezu himmlischen, irgendwie außerirdischen letzten Album "Build a rocket boys!" passt. Damit war das richtige Setting für das Live-Doppelalbum "Live at Jodrell Bank" gefunden, das pünktlich zur kalten Jahreszeit erscheint, um die Pause bis zur nächsten Open-Air-Saison zu überbrücken. Mit dem augenzwinkernden Ausspruch "Elbow to control, Elbow to control" werden die Briten angekündigt, deren Erscheinen auf der Bühne vom Publikum herzlich honoriert wird. Die Belohnung folgt zugleich mit dem groovigen "High ideals" und einer offensichtlich gut gelaunten Band.

Dass Garvey eigentlich der geborene Entertainer ist, stellt er während der knapp zweistündigen Show mehrfach unter Beweis. Es sei schön, so nah daheim zu spielen, weil dann Familie und Freunde kommen könnten, sagt er an einer Stelle, nur um anschließend suchend ins Publikum zu schauen, bis seine Liebsten sich zu erkennen geben. Oder auch seine diebische Freude über den Mittfünziger, der auf die Frage, wer im Publikum selbst noch ein Kind sei, sofort die Hand hob. Mit "This is for the big kids in the audience" läutet er daraufhin den Publikumsliebling "Lippy kids" ein, bei dem er den aus Sicht eines Sängers wohl schönsten Chor der Welt nicht im Rücken, sondern direkt vor sich stehen hat. Hochdramatisch und von Streichern begleitet geht es weiter mit "The loneliness of a tower crane driver" vom Mercury-Prize-Album "The seldom seen kid", und nicht mal der mittlerweile strömende Regen kann die Stimmung jetzt noch trüben.

Insgesamt sieben Stücke spielen sie dann auch vom besagten 2008er Album, darunter auch den stampfenden Livekracher "Grounds for divorce" und das entspannt-sphärische "Mirrorball", wohingegen "Scattered black and whites" das einzige Stück vom leider etwas unbeachteten, aber nach wie vor großartigen Debüt "Asleep in the back" bleiben soll. Immerhin zwei Songs, "Station approach" und das Titellied, gibt es aus "Leaders of the free world", während das relativ aktuelle "Open arms" jetzt schon das Potenzial zum Klassiker entwickelt hat. Mit zwei der besten Songs beenden Elbow schließlich ihre außergewöhnliche Show neben dem riesigen Teleskop: Da wäre das euphorische "The birds", bei dem Garvey einmal mehr zeigt, was für ein grandioser Sänger er ist, und "One day like this" aus "The seldom seen kid", bei dem standesgemäß das Feuerwerk und der von Garvey angefeuerte Publikumschor nicht fehlen dürfen.

Auf der beiliegenden DVD von "Live at Jodrell Bank" gibt es für alle, die nicht vor Ort dabei sein konnten, das komplette Konzert in angenehmer Qualität ohne besonders erwähnenswerte verwackelte Bilder, und eine einstündige Dokumentation über den Weg zur Show und interessanterweise auch über den Bau des Observatoriums. Dementsprechend kommen nicht nur die Band zu Wort, sondern vor allem Mitarbeiter bei Jodrell Bank, alte Schwarzweiß-Aufnahmen inklusive. Nach dem limitierten "The seldom seen kid live at Abbey Road" bietet das erste reguläre Livelabum von Elbow daher einen liebevoll gestalteten Blick vor und hinter die Kulissen, und für alle Daheimbleiber die Chance, sich diese ganz und gar wunderbare Band von der heimischen Couch anzuschauen - eine Entschuldigung für das Fehlen beim nächsten Mal sollte das allerdings nicht sein.

(Jennifer Depner)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Lippy kids
  • Leaders of the free world
  • The loneliness of a tower crane driver
  • Scattered black and whites
  • The birds
  • One day like this

Tracklist

  • CD 1
    1. High ideals
    2. The bones of you
    3. Station approach
    4. Lippy kids
    5. Leaders of the free world
    6. Grounds for divorce
    7. The loneliness of a tower crane driver
    8. The night will always win
  • CD 2
    1. Starlings
    2. Mirrorball
    3. Weather to fly
    4. Open arms
    5. Scattered black and whites
    6. The birds
    7. One day like this
Gesamtspielzeit: 103:46 min

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