Red City Radio - Titles

Gunner / Uncle M / Broken Silence
VÖ: 11.10.2013
Unsere Bewertung: 6/10
6/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Die meisten Stimmen

Eine Chance auf den Recall in einer Talentshow auf den Privaten würden Red City Radio nie bekommen. Denn zum Star- und Personenkult taugen sie nichts: Ihre Punksongs sind basisdemokratisch organisiert wie die Putzkolonne in einem schwäbischen Mietshaus – jeder darf, nein, muss mal ran. "Never lost my faith in Rock 'n' Roll", singen sie in "Purple heart paper weight", einem Stück auf ihrer zweiten Platte "Titles". Moment, "singen"? Du machst wohl Witze. Wer ständig nach guter Musik sucht, ist der VDub Session mit Red City Radio bestimmt schon auf YouTube begegnet: Vier Männer mit Gitarre zwängen sich in einen 1977er VW-Bus, ein Schäferhund muss draußen bleiben, ein Kameramann darf mit rein. Der Auspuff macht kurz komisch, der Oldtimer ruckt und rollt an – Ruck'n'Roll. Im Anschluss daran: Niemand packt die Stimmgabel aus, um Töne nachzujustieren. Keiner dreht an der Stimmechanik der Gitarren noch mal nach. Ja, sind denn hier alle wahnsinnig geworden? Es folgt ein Cut, die Sonne durchflutet den Bus und pinselt während Close-Ups Schatten unter Barthaarstoppeln, dann geht es los: ein Geröhre und Geschrubbe, das selbst Chuck Ragan neidisch machen müsste, und der kennt sich mit so was aus. "The most destroyed voices of the universe", kommentierte ein Zeitzeuge das Video auf YouTube – und wurde dafür prompt an die Spitze der besten Kommentare gewählt. Die vier kaputtesten Stimmen des Universums auf einer einzigen Platte, das kann nur großartig werden. Doch "Titles" enttäuscht. Zumindest ein bisschen.

Die Geschichte von "Titles" beginnt 2005, Sommermärchen sind noch keine erzählt, Plattentests.de noch blau und schwarz. Paul Pendley gründet Red City Radio in Oklahoma City gemeinsam mit seinem Nachbarn Ryan Healy, Schlagzeuger Dallas Tidwell wurde in einer Gruselwelt ohne Facebook noch über klassische Messageboards im Internet gefunden, Healy verließ die Band wieder, Jonathan Knight und Gareth Dale stießen hinzu. Eine Platte und ein paar EPs folgten, dann stiegen Red City Radio in den 1977er VW-Bus – der Rest ist History. In ihrem aktuellen Clip "Two notes shy of an octave" übersteuern Red City Radio ihre Gitarren und Schmiergriffe, röhren wie eh und je, sind dabei trotzdem mal wieder catchy wie sonst was und drehen den Spieß mal um. Ohne zu viel zu verraten: Eine Open-Mic-Nacht wird im Video zur Horrorschau. Weil Red City Radio keine Band mimen, die amtlich rockt und eine Bar zerlegt – sondern weil Red City Radio eine Band mimen, die amtlich rockt und von der Bar zerlegt wird, wortwörtlich. Wer bitte hält die ganzen Hände? Und wer wischt das Blut weg? Die Auflösung gibt's im Link. Ein großer Spaß. Ein großer Song.

Unter all den kaputten Stimmen Red City Radios ist es eine, die ihre Geheimwaffe ist. Eine wie keine, eine, die klingt, als benutze sie Whisky zum Einölen nur, wenn sie gerade nichts Härteres zum Schlucken da hat. Es ist die Stimme des Gitaristen Garrett Dale, die fast die vielen Durchschnittsnummern und Lückenfüller der Platte übers Ziel rettet, die auf jeden Fall den Song "Joy comes with the morning" erst zu dem macht, was er ist: eine gut abgehangene Tour de Force durch die griffigsten Powerchords, die der Mann aus der Hustensirup-Werbung im Radio je sprengen könnte. Dabei täte man dem stattlich gebauten Garrett Dale Unrecht, ihn sich ungehört als unsensiblen Rowdie oder tumben Songcrasher vorzustellen. Der Mann hat Schmiss und Verve, Gespür und Gefühl. Und die kaputteste unter den kaputtesten Stimmen des Universums. Sie macht "Show me on the doll where the music touched you" schon zur Attraktion, noch bevor die anderen Bandmitglieder in das Gegröle einstimmen können. Sie tröstet auch über simpel gestrickte Punkstücke wie "Joke with no words" und "A version for events" hinweg. Zumindest fast. Wer braucht da schon so einen doofen Recall?

(Sven Cadario)

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Highlights & Tracklist

Highlights

  • Two notes shy of an octave
  • Joy comes with the morning

Tracklist

  1. Two notes shy of an octave
  2. A version of events
  3. Show me on the doll where the music touched you
  4. Joy comes with the morning
  5. Joke with no words
  6. Don't be a hero, find a friend
  7. Purple heart paper weight
  8. I'll take a mile
  9. We know who we are
  10. The silence between
Gesamtspielzeit: 36:05 min

Im Forum kommentieren

alex

2016-10-27 21:37:30

Ok, da hat sich schon im ersten Satz der Fehlerteufel eingeschlichen: Ich wollte auf die wenigen Beiträge hinweisen..wie auch immer.

alex

2016-10-27 21:36:03

Unabhängig von den Beiträgen innerhalb dieses Threads ist doch festzuhalten, dass dieses Album mal eines der besten Punkrockalben der letzten 10 Jahre ist. Ich gebe dem Album aber mal ne lockere 9/10. Nicht nur, dass mich die Songs immer noch begeistern, vielmehr nutzen sie sich auch nicht ab. Vielleicht bin ich auch nur altmodisch und stehe auf bierseligen Kram.

eric

2013-10-18 11:37:54

Zustimmung!

moviecut

2013-10-18 11:30:00

Das Punkrock-Platten es bei Plattentests.de generell schwer haben, was höhere Wertungen angeht ist ja kein Geheimnis. In Gedanken rechne ich eigentlich immer ein Punkt bei diesen Platten drauf. Aber bei der aktuellen Platte von "Red City Radio" kommt es selbst dann nicht hin. Die Rezension ist dabei eigentlich wirklich gut geschrieben und man wird das Gefühl nicht los, dass die Wertung (6/10) nicht so ganz zum Text passt. Meiner Meinung nach ist das Album eines der besten Punkrock Scheiben der letzten 5 Jahre! Sie sticht einfach aus der Masse an Veröffentlichungen heraus. Das liegt, wie angesprochen, zum einen an der Ausnahmestimme von Sänger Garrett Dale, aber auch an den Songs an sich. Das das meiner Meinung nach stärkste Stück "Show me on the doll where the music touched you" nicht bei den Highlights angegeben ist, ist da nur ein kleiner Schönheitsfehler.

Von mir erhält das Album eine 9/10 und selbst auf der Plattentest-Skala hätte meiner Meinung nach eine 8/10 herausspringen müssen!

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