Ken - Have a nice day

WEA / Warner
VÖ: 24.06.2002
Unsere Bewertung: 7/10
7/10
Eure Ø-Bewertung: 7/10
7/10

Zeitungsjunge

Wer sich in den Ferien ein paar Euro hinzuverdienen will, der trägt normalerweise Zeitungen aus, verkauft glibberiges Wassereis oder mäht den Rasen der Oma, die nebenan wohnt. Anders sieht die Sache aus, wenn man Aydo Abay heißt und seine Stimmbänder hauptberuflich in den Dienst der Alternative-Rocker von Blackmail stellt. Nachdem das vergangene Jahr für die vier Koblenzer mit dem ganz wundervollen Album "Bliss, please" und einer wahrhaftigen Ochsenstour bis in die abgelegensten Winkel des deutschsprachigen Europas ein gleichermaßen erfolgreiches wie anstrengendes war, hat man sich für 2002 eine Schaffenspause verordnet, um den berühmt-berüchtigten Lagerkoller zu vermeiden, den nicht nur Rudi Völler fürchtet, wie andere das Weihwasser.

Doch bloß weil die Band Blackmail sich dieses Jahr eine Pause gönnt, ist das für ihre Mitglieder noch lange kein Grund, eine ruhige Nummer zu schieben. Scumbucket, die andere Band von Blackmail-Gitarrenmann Kurt Ebelhäuser haben unlängst ihre vierte Space-Rock-Rakete gezündet, und auch Aydo Abay finanziert seinen nicht immer vorbildlichen Lebenswandel lieber durch ein neues Nebenprojekt, statt mit dem Hund von Tante Erna Gassi zu gehen. Unterstützt wird er dabei unter anderem von Guido Lucas, der mit bedenklichem Rauschebart und Kassengestell zwar mittlerweile mehr nach sibirischem Schafshirten, denn nach gestandenem Rockmusikanten aussieht, aber trotzdem genau wie bei Scumbucket die vier Fäden in der Hand hält. Und freilich schaut auch Schreinermeister Kurt gerne auf ein paar Jägermeister vorbei, seine patentierten Qualitätsbretter Marke "deutsche Eiche" steuert er diesmal jedoch nur vereinzelt bei.

Gedacht ist "Have a nice day", das Ergebnis des Koblenzer Ferienworkshops, vor allem als lockeres Sommeralbum und so hegt man von vornherein gar nicht erst den Anspruch, ein ähnlich erwachsenes, ausgereiftes und perfektionistisches Werk wie "Bliss, please" zu erschaffen. Stattdessen zeichnet die Platte sich durch einen äußerst charmanten Jam-Session-Charakter aus. In Stücken wie "The big fib" oder "Voltage point" tropft rotziger Punk durch die Ritze der nach wie vor bruchsicheren Gitarrenplanken, während "1/2 bb" und "Throwing star" staubtrockene Wüstenluft atmen. Wo bei Blackmail längst ausgeklügelte Tüftelei das Ruder übernommen hat, lassen Ken ungezwungene Spontanität herrschen. Geblieben ist nur das Streben nach Wohlklang und -gefühl, daß sich erneut im Titel der Platte manifestiert.

Sein Faible für makellosen Pop kann und will Aydo indes auch auf "Have a nice day" nicht verbergen. Im "Whirlpool of terror", der auch zur ersten Single erkoren wurde, gehen er und seine Mannen keinesfalls baden. Stattdessen gelingt ihnen ein wunderbar entspanntes und beswingtes Stück, daß den Protagonisten von ganz allein die Sonnenbrille auf die Nase und den Sombrero auf den Kopf setzt. Das Picknick auf den Feldern, die sonst eher von Weezer und Co. beackert werden, bleibt jedoch die Ausnahme. In "Eye (eye)" türmen die Gitarren sich wieder zu meterhohen Sandburgen auf und dreckscoole Gitarrensoli wie jenes aus "Husk" lassen keinen Zweifel an der Selbsteinschätzung der Band: "Ken hat Eier." Richtig. Und was für welche!

(Daniel Gerhardt)

Bei Amazon bestellen / Preis prüfen für CD, Vinyl und Download
Bei JPC bestellen / Preis prüfen für CD und Vinyl

Highlights & Tracklist

Highlights

  • The big fib
  • Voltage point
  • Tilt
  • Whirlpool of terror

Tracklist

  1. The big fib
  2. Husk
  3. Voltage point
  4. Tilt
  5. Whirlpool of terror
  6. Eye (eye)
  7. Swell
  8. 1/2 bb
  9. How to delay the spread of fire
  10. Throwing star
  11. Artifical movement
  12. On(n)
Gesamtspielzeit: 40:24 min

Im Forum kommentieren

derdiedas

2021-01-09 20:19:11

Muss ich mir mal anhören, das zweite Ken-Album mag ich sehr (Dass Wake City nicht durch die Decke ging, ist ein Verbrechen, und sonst auch viele coole Songs), nur bis zum Debüt bin ich nie gekommen

Mr. Orange

2021-01-09 20:05:40

Mr. Orange

2021-01-09 19:52:25

Hammergutes Garagenrock-Album, irgendwie schon damals etwas untergegangen, als die Blicke aller auf Strokes und Libertines gerichtet waren. Highlights: The Big Fib, Voltage Point, Eye (Eye), The Art Of Dying. Vereinfacht gesagt so bisschen ne Mischung aus guten Placebo, My Vitriol und frühen Muse, mit ner ordentlichen Prise 60s-Garagenpunk-Feeling.

ummagumma

2013-02-17 18:21:06

Man muss durchaus mal wieder erwähnen,was für ein gigantischer Hammer Eye(Eye)doch bitteschön ist.
Das ist genau der Stil,den ich einfach absolut geil finde/fand sowohl bei Blackmail oder eben Ken,jedenfalls bester,druckvollster Nach-Vorne-Rock.Genau das fehlt inzwischen einfach.
Ich hoffe,dass die II wieder besser wird aber verdammt nochmal Aydo fehlt mir da neben dem erwähnten push schontierisch.Das merke ich umso mehr wenn ich ein Stück wie dieses oder spread of fire höre.
Aydo bzw Ken haben solch gute Ansätze bei der yes we beispielsweise dann m.M. leider zu oft vergeigt mit elektronischer Spielerei,wär da aber auch mal Zeit für was Neues...

Obrac

2006-06-08 21:19:32

Have a nice day!

Hinterlasse uns eine Nachricht, warum Du diesen Post melden möchtest.

Weitere Rezensionen im Plattentests.de-Archiv